Ferrofluide auf der Internationalen Raumstation
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Stuttgart astronews.com
9. März 2023
Am kommenden Mittwoch soll mit einem Dragon-Raumfrachter
auch ein
Ferrofluid-Experiment von der studentischen Kleinsatellitengruppe (KSat) der
Universität Stuttgart zur Internationalen Raumstation starten. Ziel des
Experiments ist es, mechanische Teile wie zum Beispiel Schalter in der Raumfahrt
durch weniger verschleißanfällige und zuverlässigere Technologien zu ersetzen.

Ein charakteristischer Effekt von
Ferrofluiden: der Rosensweigeffekt. Dabei sorgen
starke Magnetfelder für die Ausbildung von
flüssigen Stacheln, welche Magnetfeldlinien
folgen.
Foto: Leon Habermalz, Philipp Kimmerle / KSat
e.V. / Universität Stuttgart [Großansicht] |
10 mal 10 mal 20 Zentimeter groß ist die Box, in der sich das studentische
Experiment FARGO befindet. Vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida soll es
am kommenden Mittwoch, 15. März 2023, mit einer Falcon-9-Trägerrakete zur ISS starten. Dort
angekommen, werden es die Astronautinnen und Astronauten entnehmen und in einen
Experimentierschrank einbauen, wo es rund vier Wochen bleiben und autonom laufen
wird. Anschließend fliegt es wieder zurück zur Erde und wird an das studentische
Team der Universität Stuttgart übergeben.
Bahar Karahan studiert Luft- und
Raumfahrttechnik im Bachelor an der Universität Stuttgart. Im Projekt ist sie
unter anderem für die Integration und Tests des thermalen Schalters
verantwortlich. "Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, schon als Studentin an
einem Raumfahrtprojekt zu arbeiten, welches hoffentlich in Zukunft den
Grundstein für eine nachhaltigere Raumfahrt legt. Das Forschungsgebiet von
Ferrofluiden in der Raumfahrt ist noch nicht verbreitet, deswegen liegt es an
uns, das Ganze in Fahrt zu bringen." Mit dem Experiment wollen die Studierenden
neue Technologien für die Raumfahrt erproben, die langlebiger, zuverlässiger und
damit auch kostengünstiger sind als bisher.
"Astronautinnen und Astronauten
verbringen derzeit bis zu zwei Stunden am Tag mit Wartungsarbeiten an Bord der
Raumfahrzeuge. Manchmal sind zusätzliche Versorgungsflüge nötig, um defekte
Instrumente auszutauschen. Das ist zeit- und kostenintensiv. Um künftige
Missionen zum Beispiel zum Mars zu realisieren, müssen Raumfahrzeuge möglichst
wartungsfrei funktionieren", sagt Manfred Ehresmann vom Institut für
Raumfahrtsysteme an der Universität Stuttgart, Ideengeber und
Betreuer des studentischen Projekts.
FARGO steht für "Ferrofluid Application Research Goes Orbital"
und dabei untersuchen die Studierenden, wie sich drei Anwendungen von
Ferrofluiden in der Schwerelosigkeit verhalten. Getestet werden ein thermischer
Schalter, der die Übertragung von Wärme zwischen zwei Bauteilen regelt, ein
elektrischer Schalter, welcher einen Stromkreis schließen und öffnen soll, sowie
ein neuartiges System zur Lageregelung von Kleinsatelliten. Alle Experimente
beruhen dabei auf einer Ferrofluid-Technologie, bei der das Ferrofluid mittels
externer Magnetfelder so manipuliert werden kann, dass es einen Strom- oder
Wärmekreislauf schließen kann oder, im Falle des Lageregelungskonzepts, ein
Drehmoment erzeugt.
Ferrofluide sind Flüssigkeiten, in denen magnetische
Partikel vorhanden sind, die auf externe Magnetfelder reagieren. Allen drei
Anwendungen ist gemeinsam, dass sie auf mechanische Teile möglichst verzichten
und somit die Gefahr eines Ausfalls aufgrund von Verschleiß deutlich reduzieren.
Das Experiment basiert auf den Ergebnissen des vorherigen Experiments PAPELL
(Pump Application using Pulsed Electromagnets for Liquid reLocation), das
bereits 2018 auf der ISS erfolgreich durchgeführt wurde. Dabei wurde eine von
der studentischen Kleinsatellitengruppe entwickelte Ferrofluid-basierte Pumpe in der
Schwerelosigkeit getestet.
Nur rund ein Jahr hatten die Studierenden Zeit, um
ihr Experiment zu entwickeln. "Für Raumfahrtprojekte ist das äußerst schnell",
erklärt Ehresmann. Der Zeitfaktor war mit eine der größten Herausforderungen,
bestätigt auch Studentin Karahan: "Die größte Herausforderung war es, Projekt,
Studium, Arbeit und Freizeit unter einen Hut zu bekommen." Da könne es schon
passieren, dass eine Vorlesung wiederholt oder eine Prüfung geschoben werden
muss. "Es lohnt sich aber auf jeden Fall mitzumachen, auch trotz hohen
Zeitaufwands."
Die 23 Studierende der
Kleinsatellitengruppe KSat haben teilweise sieben Tage die Woche an dem
Experiment gearbeitet. "Viele von uns studieren Luft- und Raumfahrttechnik an
der Universität Stuttgart, aber wir haben auch Studentinnen und Studenten aus
der Chemie, der Physik, der Elektrotechnik, der Informatik oder dem Maschinenbau
im Team", sagt Saskia Sütterlin, die studentische Projektleiterin. Im Projekt
werde die studiengangsübergreifende Zusammenarbeit gelebt und sei essentiell.
"Unsere Chemie-Expertin hatte die gute Idee, statt Isopropanol Ethanol im
Experiment zu verwenden. Der Alkohol verdunstet langsamer und stabilisiert das
Gemisch. Das erhöht die Anwendungssicherheit für das Experiment", erklärt Ehresmann. Das ist auch der Grund, weshalb nun Alkohol ins Weltall fliegt und
zwar ungefähr sieben Milliliter in Form eines Stuttgart Gins.
15 Teammitglieder werden am 15. März live vor Ort dabei
sein, wenn die Rakete mit dem Experiment an Bord startet. Ins All begleitet wird
das Experiment von rund tausend Namen, die im Rahmen der Aktion "Fly Your Name"
eingereicht worden sind. Unter anderem fliegen auch Baden-Württembergs
Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Wissenschaftsministern Petra Olschowski
und der Rektor der Universität Stuttgart, Prof. Wolfram Ressel, in Form ihres
Namens mit. Ein symbolisches Ticket haben ihnen die Studierenden während ihres
Besuchs Mitte Februar an der Universität Stuttgart überreicht.
Dass ihr
Experiment zur ISS fliegen darf, verdanken die Studierenden ihrem Gewinn im
Rahmen des Überflieger-2-Wettbewerbs der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Luxembourg Space Agency (LSA).
Dort setzten sie sich Ende 2021 mit drei weiteren Teams gegen insgesamt acht
deutsche und zwei luxemburgische Teams durch.
|