Wie Planeten aus Staubteilchen entstehen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
19. November 2018
Auch das letzte von drei Experimenten, die von
Studierendenteams für die Internationale Raumstation ISS entwickelt worden waren, ist auf dem Weg zur
Raumstation. Mit EXCISS sollen die Prozesse untersucht werden, die aus
winzigen Staubpartikeln einst Planeten haben entstehen lassen. Das Experiment
war im Rahmen des Überflieger-Wettbewerbs des DLR ausgewählt worden.
Am 17. November 2018 ist um 10.01 Uhr MEZ
eine Antares-Trägerrakete von Wallops Island im
US-Bundesstaat Virginia zur Internationalen
Raumstation ISS gestartet. Mit an Bord war das
Überflieger-Experiment EXCISS von Studentinnen
und Studenten der Universität Frankfurt.
Foto: NASA [Großansicht] |
Es ist nur ein kleines Frachtstück, nicht einmal halb so groß wie ein
Schuhkarton, aber eine Gruppe von Frankfurter Studentinnen und Studenten
verfolgt die Zustellung mit höchster Anspannung. Denn die Zieladresse lautet:
Internationale Raumstation ISS. Der Inhalt des 10 mal 10 mal 15 Zentimeter
großen Containers: ein Experiment, das auf der ISS durchgeführt werden soll. Es
befindet sich in einem Cygnus-Transporter an Bord der Antares-Rakete,
die am 17. November 2018 um 10.01 Uhr MEZ von Wallops Island im US-Bundesstaat
Virginia aus zur ISS gestartet ist. Am 20. November soll der Frachter an der ISS
andocken.
Das Studierendenteam der Universität Frankfurt gehört zu den Gewinnern des
"Überflieger"-Wettbewerbs des Raumfahrtmanagements im Deutschen Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR). Der Gewinn der jungen Forscherinnen und Forscher
besteht darin, ein eigenes Experiment auf die ISS zu schicken und unter den
Bedingungen des Weltraums forschen zu können. "Mit Vorfreude und auch ein
bisschen Anspannung haben wir den Raketenstart beobachtet. Jetzt sind wir
natürlich froh, dass alles geklappt hat und dass unser Experiment demnächst auf
der ISS ankommen wird", berichtet Tamara Koch, EXCISS-Teamleiterin.
Mit ihrem EXCISS genannten Versuchsaufbau wollen die Studentinnen und
Studenten der Universität Frankfurt die Entstehung von so genannten Chondren
untersuchen. Diese spielen bei der Entstehung von Planeten eine Rolle. Dafür
wird eine kleine Menge an Sandstaubpartikeln, die sich in einer Glaskammer
befindet, Hochspannungsblitzen ausgesetzt. Mit einem Mikroskop wird beobachtet,
wie die Partikel dabei aufschmelzen und mit anderen zusammenklumpen. Zwei
weitere Experimente des aktuellen Überfliegerwettbewerbs befinden sich bereits
auf der ISS.
"Die Idee hinter dem Projekt ist einfach", erklärt EXCISS-Teamleiterin Tamara
Koch. "Wir möchten Staubpartikel in Schwerelosigkeit unter ähnlichen Bedingungen
kollidieren lassen, wie sie im solaren Nebel geherrscht haben. Die so gebildeten
Staubklümpchen beschießen wir dann wiederholt mit Blitzen. Neu an der Idee ist,
dies unter realistischen Bedingungen der Schwerelosigkeit und bei geringem
Gasdruck durchzuführen. Solche Experimente sind auf der Erde auch in Falltürmen
nicht möglich. Die ISS bietet damit ein einzigartiges Umfeld, die
Blitz-Hypothese zu überprüfen."
Vom 14. Dezember 2016 bis zum 28. Februar 2017 hatten Studententeams aller
Hochschulen in Deutschland die Möglichkeit, einen Experimentvorschlag für den
"Überflieger"-Wettbewerb einzureichen. Die Ideen für Experimente wurden dann vor
allem auf ihren wissenschaftlichen Gehalt, ihre technische Ausgereiftheit und
ihre praktische Umsetzbarkeit geprüft. Neben Experten des DLR und der Deutschen
Physikalischen Gesellschaft (DPG) war auch der ehemalige deutsche Astronaut
Gerhard Thiele Mitglied des Auswahlgremiums. Das Gremium wählte schließlich im
Mai 2017 drei Experimentvorschläge für die Reise zur Internationalen Raumstation
aus.
Neben dem EXCISS-Experiment der Frankfurter Studierenden waren es Vorschläge,
die an den Universitäten Stuttgart (PAPELL) und Duisburg-Essen (ARISE)
entwickelt worden sind. Die beiden letztgenannten Experimente haben ihre
Weltraumtauglichkeit bereits unter Beweis stellen müssen: Sie haben am 29. Juni
2018 mit einer Falcon-9-Rakete von Cape Canaveral aus die Reise zur ISS
angetreten. Die Nachwuchswissenschaftler der Universität Stuttgart haben eine
neuartige Pumpentechnologie konzipiert, die ohne mechanische Bauteile auskommt
und zum Beispiel für die Treibstoffversorgung auf Raumfahrtmissionen zum Einsatz
kommen könnte.
Das ARISE-Experiment untersucht die Rolle von elektrostatischen Kräften bei
der Planetenentstehung. "Es ist schön zu sehen, dass nach ungefähr eineinhalb
Jahren harter Arbeit der Teams nun alle drei Experimente auf der ISS sein
werden", sagt Johannes Weppler, Projektleiter für den Wettbewerb beim DLR
Raumfahrtmanagement. "Es ist sehr beeindruckend, was die Teams in einer so
kurzen Zeit geleistet haben."
Alle drei Studierendenteams haben mit ihren Projekten den gesamten Prozess
einer realen Raumfahrtmission durchlaufen - von der Ausarbeitung ihrer
wissenschaftlichen Ziele, über das Entwerfen eines technischen Designs und die
notwendigen Tests bis hin zum Betrieb des Experiments auf der ISS. Dabei ist die
Größe der Experimentanlagen stark eingeschränkt: Jede muss in einen 10 mal 10
mal 15 Zentimeter große Container passen. Auf der Raumstation sollen die Anlagen
mindestens 30 Tage lang in Betrieb sein. Das DLR hat es jedem Siegerteam
außerdem ermöglicht, den Raketenstart vor Ort mitzuerleben. Die vielfältigen
Aufgaben erfordern multidisziplinäre Teams, die rund eineinhalb Jahre lang
bereit sind, großes Engagement und eine Menge Teamwork zu investieren.
Voraussichtlich Mitte Januar 2019 werden die drei Experimente mit einer
Dragon-Kapsel wieder zur Erde zurückkehren. Dann können die Studierenden
weitere Analysen durchführen. Der Studierendenwettbewerb "Überflieger" wird vom
DLR Raumfahrtmanagement organisiert und mit Mitteln des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Energie (BMWi) finanziert. Das US-amerikanische Unternehmen
DreamUp liefert technisches Know-how, unterstützt die Studierenden bei
Realisierung der Experimente und kümmert sich um den Transport der
Experimentanlagen zur ISS. Experten der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
(DPG) unterstützen das DLR bei der Auswahl der Experimente und bringen ihr
Know-how aus zahlreichen Feldern der physikalischen Forschung auch in späteren
Phasen des Wettbewerbs mit ein.
|