Vor 2000 Jahren noch kein roter Riesenstern
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
5. September 2022
Ein interdisziplinäres Team um Astrophysiker der Universität
Jena nutzte jetzt antike Beobachtungen, um nachzuweisen, dass Betelgeuse – der
helle rote Riesenstern im Sternbild Orion – vor rund 2000 Jahren noch
gelb-orange war. Die vergleichsweise genaue Datierung des Farbwechsels erlaubt
auch Rückschlüsse auf Masse, Alter und Zukunft des Sterns.
Aufnahme von Betelgeuse mit dem Very Large
Telescope aus dem Januar 2019.
Bild: ESO/M. Montargès et al.
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Mit fortschreitender Kernfusion im Innern eines Sterns ändern sich auch seine
Helligkeit, Größe und Farbe. Die Astrophysik kann aus diesen Eigenschaften
deshalb wichtige Informationen etwa zum Alter oder zur Masse eines Sterns
herauslesen. Sterne mit deutlich mehr Masse als die Sonne sind blau-weiß oder
rot – der Übergang zu Rot via Gelb und Orange geschieht für astronomische
Verhältnisse dabei relativ rasch. Einem Astrophysikteam der
Friedrich-Schiller-Universität Jena ist es nun gemeinsam mit Kolleginnen und
Kollegen anderer Fächer aus den USA und Italien erstmals gelungen, einen solchen
Farbwechsel zeitlich sehr genau einzuordnen. Sie ermittelten mithilfe mehrerer
historischer Quellen, dass Betelgeuse – der helle rote Riesenstern "links oben"
im Sternbild Orion – vor rund 2000 Jahren noch gelb-orange war.
Der chinesische Hofastronom Sima Qian schreibt etwa um 100 v. Chr. über
Sternfarben: Weiß ist wie Sirius, Rot wie Antares, Gelb wie Betelgeuse, Blau wie
Bellatrix. "Man kann aus seinen Angaben also schließen, dass Betelgeuse damals
in der Farbe zwischen den blau-weißen Sirius und Bellatrix und dem rötlichen
Antares gelegen haben muss", erläutert Prof. Dr. Ralph Neuhäuser von der
Universität Jena. Unabhängig davon beschreibt rund 100 Jahre später der römische
Gelehrte Hyginus, Betelgeuse sei von gleicher Farbe wie der gelb-orange Saturn –
damit kann man den damaligen Farbwert von Betelgeuse noch genauer
quantifizieren.
Weitere antike Vertreter wie Ptolemäus liefern ebenfalls Indizien, dass
Betelgeuse zu dieser Zeit nicht zur Gruppe der hellsten roten Sterne wie Antares
(im Sternbild Skorpion) und Aldebaran (im Stier) gehört hat. Der griechische
Name Antares bedeutet "wie Mars" in Farbe, er wurde bei vielen Kulturen rund um
den Erdball seit Jahrtausenden als rot berichtet bzw. mit Mars verglichen. "Aus
einer Aussage des dänischen Astronomen Tycho Brahe lässt sich schließen, dass im
16. Jahrhundert Betelgeuse inzwischen Aldebaran an Röte übertroffen hat", sagt
Neuhäuser. Heute ist Betelgeuse in Helligkeit und Farbe fast wie Antares.
Neuhäuser bezieht seit etwa zehn Jahren historische Himmelsbeobachtungen für
seine astrophysikalische Forschung ein – dieser Forschungszweig nennt sich
"Terra-Astronomie". Dabei arbeitet er eng mit Kolleginnen und Kollegen aus den
Geisteswissenschaften zusammen, insbesondere mit seiner Frau Dagmar. "Der Blick
zurück liefert immer wieder spannende Impulse und wichtige Ergebnisse", sagt
Neuhäuser. "Denn es gibt eine ganze Reihe astrophysikalischer Fragen, die sich
mit Hilfe historischer Beobachtungen besser oder überhaupt erst lösen lassen."
Und was verraten uns die historischen Überlieferungen über Betelgeuses
Zukunft? "Gerade aus der Tatsache, dass der Stern sich in den letzten zwei
Jahrtausenden farblich von gelb-orange zu rot geändert hat, kann man zusammen
mit theoretischen Rechnungen schließen, dass er etwa 14-mal mehr Masse als
unsere Sonne hat – und die Masse ist die entscheidende Größe für die Entwicklung
eines Sterns", so Neuhäuser. "Er ist dementsprechend 14 Millionen Jahre alt und
befindet sich in der Endphase seiner Entwicklung. In etwa 1,5 Millionen Jahren
wird er schließlich als Supernova explodieren."
Die aktuelle Studie wurde in der Fachzeitschrift Monthly Notices of
the Royal Astronomical Society veröffentlicht.
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