Sternflecken als Grund für Verdunkelung?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
29. Juni 2020
Der Stern Betelgeuse im Sternbild Orion sorgte in den
Wintermonaten für einige Diskussionen: Die gewaltige Sonne wurde nämlich
merklich dunkler. Manche spekulierten daher schon über eine unmittelbar
bevorstehende Supernova-Explosion des Riesensterns. Nun wurde der
Helligkeitsabfall erneut unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Schuld an der
Verdunkelung könnten gewaltige Sternflecken sein.
Künstlerische Darstellung des roten
Überriesen Betelgeuse. Seine Oberfläche ist von
großen Sternflecken bedeckt, die seine Helligkeit
vermindern. Solche Sterne geben während ihrer
Pulsationen regelmäßig Gas an die Umgebung ab,
das zu Staub kondensiert.
Bild: MPIA Grafikabteilung [Großansicht] |
Rote Riesensterne wie Betelgeuse unterliegen häufigen
Helligkeitsschwankungen. Der markante Abfall der Leuchtkraft von Betelgeuse auf
etwa 40 Prozent seines Normalwertes zwischen Oktober 2019 und April 2020 kam für
die Astronomen jedoch überraschend. Wissenschaftler haben verschiedene Szenarien
entwickelt, um diese mit dem bloßen Auge wahrnehmbare Veränderung des knapp 500
Lichtjahre entfernten Sterns zu erklären. Einige Astronomen spekulierten gar
über eine unmittelbar bevorstehende Supernova.
Eine internationale Gruppe von Astronomen unter der Leitung von Thavisha
Dharmawardena vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, hat
nun gezeigt, dass Temperaturschwankungen der Photosphäre, also der leuchtenden
Oberfläche des Sterns, die Helligkeit veränderte. Die plausibelste Quelle für
solche Temperaturänderungen sind gigantische kühle Sternflecken, ähnlich wie
Sonnenflecken, die jedoch 50 bis 70 Prozent der Sternoberfläche bedecken.
"Gegen Ende ihres Lebens werden Sterne zu Roten Riesen", erklärt
Dharmawardena. "Hervorgerufen durch den zur Neige gehenden Vorrat an Brennstoff
verändern sich die Prozesse, mit denen die Sterne Energie freisetzen. In der
Folge blähen sie sich auf, werden instabil und pulsieren mit Perioden von
Hunderten oder sogar Tausenden Tagen, was wir als Schwankung der Helligkeit
wahrnehmen."
Betelgeuse ist ein sogenannter Roter Überriese, ein Stern, der im Vergleich
zu unserer Sonne etwa die 20-fache Masse hat und etwa 1000 Mal größer ist.
Befände er sich im Zentrum des Sonnensystems, würde er fast die Umlaufbahn von
Jupiter erreichen. Wegen seiner Ausdehnung ist die Schwerkraftwirkung auf der
Sternoberfläche geringer als auf einem Stern gleicher Masse aber kleinerem
Radius. Die äußeren Schichten des Sterns werden daher relativ leicht durch die
Pulsationen abgestoßen. Das freigesetzte Gas kühlt ab und entwickelt sich zu
Verbindungen, die man in der Astronomie Staub nennt. Deswegen sind Rote
Riesensterne eine wichtige Quelle von schweren Elementen im Universum, aus denen
sich schließlich Planeten und Lebewesen entwickeln.
Astronominnen und Astronomen haben bisher die Erzeugung von
lichtabsorbierendem Staub als die wahrscheinlichste Ursache für den starken
Helligkeitsabfall angesehen. Um diese Hypothese zu testen, werteten Thavisha
Dharmawardena und ihre Kollaborationspartner neue und archivierte Daten des
Atacama Pathfinder Experiments (APEX) und des James Clerk Maxwell
Telescopes (JCMT) aus. Diese Teleskope messen Strahlung aus dem
Spektralbereich der Submillimeterwellen (Terahertz-Strahlung), deren Wellenlänge
tausend Mal größer ist als die des sichtbaren Lichts. Für das Auge unsichtbar,
nutzen Astronomen sie bereits längere Zeit, um interstellaren Staub zu
untersuchen. Insbesondere kühler Staub leuchtet bei diesen Wellenlängen.
"Was uns überraschte: Betelgeuse wurde auch im Bereich der
Submillimeterwellen um 20 % dunkler", berichtet Steve Mairs vom East Asian
Observatory, der an der Studie mitgearbeitet hat. Ein solches Verhalten ist
erfahrungsgemäß nicht mit der Anwesenheit von Staub vereinbar. Für eine
präzisere Bewertung berechnete die Forschungsgruppe, welchen Einfluss Staub auf
die Messungen in diesem Spektralbereich haben würde. Es stellte sich heraus,
dass eine Abnahme der Helligkeit im Submillimeterbereich tatsächlich nicht auf
eine Zunahme der Staubproduktion zurückgeführt werden kann. Vielmehr muss der
Stern selbst die von den Astronomen gemessene Helligkeitsänderung verursacht
haben.
Physikalische Gesetze besagen, dass die Leuchtkraft eines Sterns von seinem
Durchmesser und besonders stark von seiner Oberflächentemperatur abhängt.
Verringert sich nur die Größe des Sterns, sinkt die Helligkeit in allen
Wellenlängen gleich stark. Temperaturänderungen beeinflussen die Abstrahlung
entlang des elektromagnetischen Spektrums jedoch unterschiedlich. Die gemessene
Verdunkelung im sichtbaren Licht und in den Submillimeterwellen ist nach Ansicht
der Wissenschaftler daher ein Beleg für eine Verringerung der mittleren
Oberflächentemperatur von Betelgeuse um etwa 200 °C.
"Wahrscheinlicher ist jedoch eine ungleiche Temperaturverteilung", erklärt
Co-Autor Peter Scicluna von der Europäischen Südsternwarte (ESO). "Entsprechende
hochauflösende Bilder von Betelgeuse vom Dezember 2019 zeigen Bereiche mit
unterschiedlicher Helligkeit. Zusammen mit unserem Ergebnis ist dies ein klarer
Hinweis auf riesige Sternflecken, die zwischen 50 und 70 % der sichtbaren
Oberfläche bedecken und eine niedrigere Temperatur als die hellere Photosphäre
aufweisen."
Sternflecken kommen bei Riesensternen häufig vor, allerdings nicht in diesem
Ausmaß. Über ihre Lebensdauer ist nicht viel bekannt. Jedoch scheinen
theoretische Modellrechnungen mit der Dauer des Helligkeitseinbruchs von
Betelgeuse vereinbar zu sein. Von der Sonne wissen wir, dass die Anzahl der
Flecken in einem elfjährigen Zyklus zu- und abnimmt. Ob Riesensterne einen
ähnlichen Mechanismus haben, ist ungewiss. Ein Hinweis darauf könnte das vorige
Helligkeitsminimum darstellen, das bereits deutlich stärker ausgeprägt war als
diejenigen in den Jahren davor.
"Beobachtungen in den kommenden Jahren werden erweisen, ob der starke Abfall
der Helligkeit Betelgeuses im Zusammenhang mit einem Fleckenzyklus steht.
Betelgeuse bleibt jedenfalls auch für zukünftige Studien ein spannendes Objekt",
ist Dharmawardena überzeugt.
Die Ergebnisse wurden jetzt in einem Fachartikel in der Zeitschrift
The Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.
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