Neue Hinweise auf Verdunklung durch Staub
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) astronews.com
14. August 2020
Betelgeuse im Orion sorgte im vergangenen Winter für
Schlagzeilen, hatte sich doch die Helligkeit des Sterns merklich reduziert.
Manche vermuteten gar, dass der Riesenstern bald als Supernova explodiert. Im
Frühjahr wurde Betelgeuse wieder heller, doch eine eindeutige Erklärung für den
Helligkeitsabfall gibt es bislang nicht. Nun liegen neue Daten vor und es gibt
Hinweise auf eine erneute Verdunkelung.
So stellt man sich die Staubwolke vor dem
Riesenstern Betelgeuse vor, die für die
Verdunkelung verantwortlich gewesen sein könnte.
Bild: ESO, ESA/Hubble, M. Kornmesser [Großansicht] |
Betelgeuse strahlt als heller Stern im Sternbild Orion. Er gehört zur Klasse
der Roten Überriesen und würde im Zentrum unseres Sonnensystems bis über die
Jupiterbahn hinausreichen. Im Herbst 2019 begann eine plötzliche Verdunklung des
Sterns, die zunächst mit Teleskopen und später sogar mit bloßem Auge von der
Erde sichtbar wurde – und die Wissenschaft zunächst vor ein Rätsel stellte.
Der Stern ist mit seiner Entfernung von etwa 725 Lichtjahren unserem
Sonnensystem relativ nahe. Tatsächlich hat das Verdunklungsereignis damit um das
Jahr 1300 stattgefunden, da sein Licht die Erde erst jetzt erreicht. Betelgeuse
wird sein Leben in einer Supernova-Explosion beenden. Die Vermutung, dass die
plötzliche Verdunklung ein Vorbote einer solchen Explosion darstellt, teilte
allerdings kaum eine Experte.
Dafür gab es verschiedene andere Theorien, etwa die, dass ein gewaltiger
Sternfleck für die Verdunklung verantwortlich ist (astronews.com
berichtete). Doch diese These auf Grundlage von Beobachtungen im
Submillimeter-Bereich ist nicht das Ende der wissenschaftlichen Diskussion um
den plötzlichen Helligkeitsrückgang: Gestern wurden neue
Beobachtungsdaten vorgestellt, die mit dem Weltraumteleskop Hubble und
dem robotischen STELLA-Teleskops des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam
(AIP) gewonnen wurden. Sie deuten darauf hin, dass eine Staubwolke Ursache für
die Verdunklung ist.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Stern
superheißes Plasma aus einer großen Konvektionszelle von der Sternoberfläche
ausstieß, ähnlich wie aufsteigende heiße Blasen in kochendem Wasser, nur mehrere
hundert Mal so groß wie unsere Sonne. Das Material gelangte dann durch die heiße
Atmosphäre zu den kälteren äußeren Schichten des Sterns. Dort kühlte es ab und
die so entstandene riesige Staubwolke blockierte ab Ende 2019 das Licht von etwa
einem Viertel der Sternoberfläche. Im April 2020 hatte Betelgeuse seine normale
Helligkeit wieder erreicht.
Die Hubble-Beobachtungen sind Teil einer dreijährigen Studie der
Schwankungen in der äußeren Atmosphäre des Sterns. Die seither entstandene
Zeitreihe liefert wichtige neue Hinweise auf den Mechanismus hinter der
Verdunklung. Hubble beobachtete die Schichten über der Oberfläche des
Sterns, die so heiß sind, dass sie hauptsächlich im ultravioletten Bereich des
Spektrums leuchten. In den Herbstmonaten 2019 spürte Hubble dichtes, heißes
Material in der Atmosphäre des Sterns auf.
"Mit Hubble sahen wir, wie das Material die sichtbare Oberfläche des
Sterns verlässt und sich durch die Atmosphäre bewegt, bevor sich der Staub
bildet, der den Stern zu verdunkeln scheint", sagt die leitende Forscherin
Andrea Dupree, stellvertretende Direktorin des Harvard-Smithsonian Center
for Astrophysics. "Wir konnten den Effekt einer dichten, heißen Region im
südöstlichen Teil des Sterns sehen, die sich nach außen bewegt. Dieses Material
war zwei- bis viermal heller als die normale Helligkeit des Sterns. Und dann,
etwa einen Monat später, verdunkelte sich die Südhalbkugel von Betelgeuse
auffallend, als der Stern schwächer wurde. Wir halten es für möglich, dass eine
dunkle Wolke aus dem von Hubble entdeckten Ausstoß resultierte."
Von besonderer Bedeutung während der Zeit der großen Verdunklung waren
Geschwindigkeitsmessungen der äußeren Schichten von Betelgeuse mit dem
STELLA-Teleskop des AIP auf Teneriffa, dessen Beobachtungen die von Hubble
ergänzen. "STELLA wurde zur Beobachtung einzelner Objekte über einen sehr langen
Zeitraum – insbesondere magnetisch aktiver Sterne – konstruiert. Es eignet sich
perfekt für die Beobachtung heller Sterne wie Betelgeuse. STELLA beobachtete den
Stern bereits seit 2006 praktisch in jeder klaren Nacht", erklärt Klaus
Strassmeier, Co-Autor der Studie und Direktor am AIP.
Obwohl die Ursache des Ausbruchs nicht bekannt ist, hält es das
Forschungsteam für wahrscheinlich, dass er mit dem Pulsationszyklus des Sterns
zusammenhängt und dadurch begünstigt wurde. Dieser setzte sich während des
gesamten Ereignisses normal fort. Die AIP-Wissenschaftlerinnen und
-Wissenschaftler setzten STELLA ein, um Veränderungen in der Geschwindigkeit des
Plasmas auf der Sternoberfläche zu messen, während es im Laufe des
Pulsationszyklus auf- und abstieg. Als das heiße Material aufstieg, dehnte sich
der Stern in seinem Zyklus zur gleichen Zeit aus.
Die Pulsation, die sich von Betelgeuse nach außen hin ausbreitete, hat
möglicherweise dazu beigetragen, das ausströmende Plasma durch die Atmosphäre zu
treiben. "Hätte ein großer und sehr kühler Sternfleck die Verdunklung
verursacht, wären die Geschwindigkeiten des Plasmas nicht der Pulsation, sondern
der Rotation des Sterns gefolgt. Diese ist übrigens sehr langsam und beträgt
viele Jahre. Sie hätte daher nicht zeigen können, was STELLA beobachtete, und
schon gar nicht eine Umkehrung der Geschwindigkeit des Plasmas, als der Stern am
schwächsten war", so Strassmeier.
Ob dies nun das letzte Wort in Sachen Verdunklung von Betelgeuse ist,
bleibt abzuwarten. Der Stern war für einige Zeit unbeobachtbar und rückt nun
langsam wieder in den Fokus der Teleskope. Erste Beobachtungen deuten darauf
hin, dass seine Helligkeit erneut abnimmt. Es bleibt also spannend um den
Schulterstern des Himmelsjägers, der im Winter wieder prominent an unserem
Nachthimmel zu sehen sein wird.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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