Chaotische Zustände im frühen Sonnensystem
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der ETH Zürich astronews.com
25. Mai 2022
Durch die genaue Analyse von Meteoriten konnten Forschende
nun die Frühgeschichte des Sonnensystem präziser rekonstruieren als zuvor. So
stellten sie fest, dass in der Anfangszeit chaotische Zustände herrschten und es
zu heftigen Kollisionen zwischen Asteroiden kam. Auslöser dafür dürfte das
Verschwinden des solaren Nebels gewesen sein, aus dem die Sonne einst entstanden
ist.
Künstlerische Darstellung einer Kollision
zwischen zwei Asteroiden in einer protoplanetaren
Wolke um einen jungen Stern.
Bild: NASA / JPL-Caltech
[Großansicht] |
Bevor sich die Erde und die anderen Planeten gebildet hatten, war die junge
Sonne von kosmischem Gas und Staub umgeben. Aus dem Staub bildeten sich dann
Gesteinsbrocken von unterschiedlicher Größe. Viele wurden zu Bausteinen für die
späteren Planeten. Doch manche dieser Brocken wurden nie Teil eines Planeten und
umkreisen die Sonne noch heute, etwa als Teil des Asteroidengürtels. Forschende
der ETH Zürich und des Schweizer Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS
analysierten nun in Zusammenarbeit mit weiteren Universitäten Eisenproben aus
Kernen von Asteroiden, die als Meteoriten auf die Erde gefallen sind. Diese
Analysen lieferten neue Informationen über einen Teil der Frühgeschichte unseres
Sonnensystems, als sich die Planeten bildeten.
"Frühere wissenschaftliche Studien zeigten, dass Asteroiden im Sonnensystem
seit ihrer Entstehung vor Milliarden von Jahren fast unverändert geblieben
sind", erklärt Alison Hunt, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ETH Zürich.
"Sie sind daher eine Art Archiv, in dem die Bedingungen des frühen Sonnensystems
erhalten sind." Doch um dieses Archiv zu entschlüsseln, mussten die Forschenden
das außerirdische Material gründlich aufbereiten und analysieren. Das Team
entnahm Proben von 18 verschiedenen Eisenmeteoriten, die einst Teil des
metallischen Kerns von Asteroiden waren. Für ihre Analyse isolierten sie aus den
Proben die Elemente Palladium, Silber und Platin. Mithilfe eines
Massenspektrometers untersuchten sie danach, wie häufig verschiedene Isotope
dieser Elemente in den Proben vorkommen.
In den ersten Millionen von Jahren unseres Sonnensystems heizten sich die
metallischen Asteroidkerne durch den radioaktiven Zerfall von Isotopen auf.
Während der nachfolgenden Abkühlung reicherte sich darin ein spezifisches
Silber-Isotop an, das ebenfalls durch den radioaktiven Zerfall entstanden ist.
Indem die Forschenden die gegenwärtigen Silber-Isotopen-Verhältnisse in den
Eisenmeteoriten maßen, konnten sie bestimmen, wann und wie schnell sich die
Asteroidenkerne abgekühlt hatten.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Abkühlung rasch erfolgte und wahrscheinlich
durch heftige Kollisionen zwischen den Himmelskörpern verursacht wurde. Durch
die Kollisionen brach der isolierende äußere Gesteinsmantel der Asteroiden ab,
so dass die Metallkerne der Kälte des Weltraums ausgesetzt wurden. Dass es zu
einer schnellen Abkühlung kam, wurde bereits durch frühere Studien angedeutet,
die ebenfalls auf Silber-Isotopen-Messungen beruhten. Allerdings blieb der
Zeitpunkt der Kollisionen unklar.
"Unsere zusätzlichen Messungen von Platin-Isotopen erlaubten uns, die
Messungen der Silber-Isotope zu korrigieren, da diese durch die kosmische
Strahlung verzerrt wurden. Dadurch konnten wir den Zeitpunkt der Zusammenstöße
genauer als je zuvor datieren", sagt Hunt. "Zu unserer Überraschung wurden alle
von uns untersuchten Asteroidenkerne fast gleichzeitig der Kälte des Weltalls
ausgesetzt, das heißt innerhalb eines Zeitraums von 7,8 bis 11,7 Millionen
Jahren nach der Entstehung des Sonnensystems." Die nahezu gleichzeitigen
Zusammenstöße der verschiedenen Asteroiden deuten darauf hin, dass es sich bei
dieser Zeitperiode um eine sehr unruhige Phase des Sonnensystems gehandelt haben
muss. "Alles scheint damals zusammengeprallt zu sein", sagt Hunt. "Und wir
wollten wissen, warum."
Um die Frage zu beantworten, kombinierte das Team die Messergebnisse mit
neuen, ausgeklügelten Computersimulationen zur Entwicklung des Sonnensystems.
"Die unruhige Frühphase des Sonnensystems wurde vermutlich durch die Auflösung
des sogenannten solaren Nebels verursacht", so Maria Schönbächler, Professorin
für Kosmochemie an der ETH Zürich. "Dieser Sonnennebel ist der Überrest an Gas
der kosmischen Wolke, aus der die Sonne entstanden ist. Während weniger
Millionen Jahre umkreiste er die junge Sonne, bis er von Sonnenwind und -strahlung
weggeblasen wurde." Solange der Nebel vorhanden war, bremste er die Objekte, die
um die Sonne kreisten, ähnlich wie der Luftwiderstand ein fahrendes Auto
abbremst. Nachdem der Nebel verschwunden war, so vermuten die Forschenden,
führte der fehlende Widerstand des Nebels dazu, dass sich die Asteroiden
beschleunigten und miteinander kollidieren konnten.
"Unsere Studie macht deutlich, wie wir dank verbesserter Labormessverfahren
wichtige Prozesse im frühen Sonnensystem rekonstruieren können. Sie geben uns
zum Beispiel Hinweise, wann der Sonnennebel verschwunden war. Planeten wie die
Erde befanden sich zu dieser Zeit noch im Entstehungsprozess. Letztlich können
wir so besser verstehen, wie unsere eigenen Planeten entstanden sind, aber auch
Einblicke in andere Planeten außerhalb unseres Sonnensystems gewinnen", so
Schönbächler.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Astronomy erschienen ist.
|