Was ein ausgestorbenes Radionuklid verrät
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Naturhistorischen Museums Wien astronews.com
2. März 2021
Mithilfe des Atoms Niob-92, das im Sonnensystem heute gar nicht mehr vorkommt,
ist es Forschenden gelungen, Ereignisse im frühen Sonnensystem genauer zu
datieren als zuvor. Aus den Daten folgerten sie, dass in der Geburtsumgebung
unserer Sonne Supernova-Explosionen stattgefunden haben müssen, welche das
äußere und das innere Sonnensystem unterschiedlich prägten.
Niob-92 kann den Forschenden einiges über
die Anfänge des Sonnensystems verraten.
Bild: Makiko K. Haba / ETH Zürich [Großansicht] |
Hat ein Atom eines chemischen Elementes einen Überschuss an Protonen oder
Neutronen, wird es instabil. Diese zusätzlichen Teilchen werden dann unter
Abgabe von Gammastrahlung umgewandelt, bis der Atomkern stabil ist. Niob-92 (92Nb)
ist ein solch instabiles Atom, das Fachleute auch als Radionuklid bezeichnen.
Seine Halbwertszeit beträgt 37 Millionen Jahre, was relativ kurz ist. Aus diesem
Grund verschwand 92Nb schon kurz nach der Entstehung unseres
Sonnensystems von der Bildfläche. Heute zeugt nur noch sein stabiler "Nachfahre"
Zirkon-92 (92Zr) davon, dass es 92Nb gegeben hat.
Doch das ausgestorbene Radionuklid können Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler nach wie vor nutzen: Mit dem sogenannten 92Nb-92Zr-Chronometer
lassen sich Ereignisse datieren, die sich im frühen Sonnensystem vor rund 4,57
Milliarden Jahren abgespielt haben. Allerdings war dieser Chronometer bisher
nicht besonders genau, da es keine präzisen Informationen gibt, wie viel 92Nb
bei der Geburt des Sonnensystems tatsächlich vorhanden war.
Einem Forschungsteam der ETH Zürich und des Tokyo Institute of Technology
gelang es nun, das Chronometer deutlich zu verbessern. Möglich wurde dies über
einen Umweg: Das Team gewann zuerst aus einem Meteoriten, der ein Fragment des
Asteroiden Vesta ist, seltene Zirkon- und Rutilmineralien. Diese Mineralien
eignen sich für die 92Nb-Bestimmung am besten, da sie präzise
Hinweise geben, wie häufig 92Nb zum Zeitpunkt der Bildung des
Meteoriten vorkam. Anschließend berechnete das Team mithilfe der
Uran-Blei-Datierung, wie häufig 92Nb zum Zeitpunkt der Entstehung des
Sonnensystems vorgekommen war. Dank der Kombination der beiden Methoden konnten
die Forscherinnen die Präzision des bisherigen 92Nb-92Zr-Zeitmessers
deutlich verbessern.
"Das verbesserte Chronometer wird zu einem mächtigen Werkzeug, mit dem wir
die Bildung und Entwicklung von Asteroiden und Planeten in den ersten zehn
Millionen Jahren nach der Entstehung des Sonnensystems genauer datieren können",
sagt Maria Schönbächler, Professorin am Institut für Geochemie und Petrologie
der ETH Zürich, die die Studie geleitet hat.
Nun, da die Forschenden besser wissen, wie häufig 92Nb ganz am
Anfang unseres Sonnensystems war, können sie auch stärker eingrenzen, wo diese
Atome gebildet wurden und woher das Material stammt, aus dem unsere Sonne und
die Planeten bestehen. So deutet vieles darauf hin, dass das innere Sonnensystem
mit den Gesteinsplaneten Erde und Mars von Material beeinflusst wird, das in
unserer Milchstraße durch Supernovae vom Typ Ia ausgeworfen wird.
Bei solchen Sternenexplosionen interagieren zwei sich umkreisende Sterne, ehe
es zu einer Explosion kommt, bei der sie Sternenmaterial freisetzen. Das äußere
Sonnensystem hingegen wurde hauptsächlich durch eine sogenannte
Kernkollaps-Supernova gespeist. Dabei muss ein massereicher Stern in sich selbst
kollabiert und dann heftig explodiert sein. Diese Explosion fand wahrscheinlich
in der gleichen Sternen-Kinderstube statt, in der auch unsere Sonne entstand.
Über ihre Studie berichtete das Team in einem Fachartikel, der jetzt in der
Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United
States of America erschienen ist.
|