Entstehung in zwei Phasen?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bayreuth astronews.com
25. Januar 2021
Entstand unser Sonnensystem in zwei Phasen? Darauf
deuten nach Ansicht einer internationalen Gruppe von Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern neue Laboranalysen von Meteoriten und Beobachtungen von
Staubscheiben um junge Sterne hin. Das neue Modell des Teams könnte einige
Ungereimtheiten auflösen, die mit dem bisherigen Theorie verbunden waren.
Die Entstehung des Sonnensystems in zwei
unterschiedlichen Planetenpopulationen.
Bild: Mark A. Garlick / markgarlick.com [Großansicht] |
Jüngste Erkenntnisse aus astronomischen Beobachtungen protoplanetarer
Scheiben und geochemischen Laboranalysen von Meteoriten belegen, dass – anders
als bisher angenommen – die Planetenentstehung nur etwa 200.000 Jahre nach der
Bildung des jungen Sterns beginnt und in isolierten Regionen des jungen
Sonnensystems stattfindet. Die terrestrischen Planeten wie Erde und Mars
verdanken dem frühen Beginn ihrer Entstehung eine relativ trockene
Zusammensetzung, während die äußeren Planeten wie Jupiter und Saturn, Asteroiden
und Kometen während ihrer später einsetzenden Entstehung wesentlich mehr
flüchtige Stoffe wie Wasser erhielten.
Astronomische Beobachtungen von planetenbildenden Scheiben haben gezeigt,
dass diese Scheiben häufig nur schwache Turbulenzen aufweisen. Unter diesen
Bedingungen zeigen die Modelle, dass die Eislinie, an der Wasser von der Gas- in
die Eisphase übergeht, im frühen Sonnensystem von innen nach außen wanderte.
Hierbei kam es zu einem frühen Bildungsschub von Planetesimalen, den Bausteinen
der Planeten, im inneren Sonnensystem und einem weiteren Schub später und weiter
außen.
Diese zwei Entstehungsepochen erklären den frühen Beginn und das langwierige
Ende der Planetenbildung im inneren Sonnensystem und den späteren Beginn und den
schnelleren Abschluss der Planetenentstehung des äußeren Sonnensystems. Hierbei
sammeln die zwei unterschiedlichen Planetesimalpopulationen nach ihrer
jeweiligen Bildung weiterhin Material aus der umgebenden Scheibe und über
gegenseitige Kollisionen. Jedoch führen die unterschiedlichen Zeiten der
ursprünglichen Entstehung zu unterschiedlicher interner Entwicklung der sich
bildenden Protoplaneten.
"Die unterschiedlichen Entstehungszeiträume dieser beiden
Planetesimalpopulationen bedeuten, dass sich ihr interner Wärmemotor aus dem
radioaktiven Zerfall des kurzlebigen Isotops 26Al deutlich unterschied".
erläutert Prof. Dr. Gregor Golabek vom Bayerischen Geoinstitut an der
Universität Bayreuth und Mitautor der Studie. "Planetesimale des inneren
Sonnensystems wurden sehr heiß, entwickelten interne Magma-Ozeane, bildeten
schnell Eisenkerne und entgasten ihren anfänglichen flüchtigen Inhalt, was
schließlich zu einer trockenen Planetenzusammensetzung führte. Im Vergleich dazu
bildeten sich die Planetesimale des äußeren Sonnensystems später und erfuhren
daher eine wesentlich geringere innere Erwärmung und somit eine begrenzte
Eisenkernbildung und Freisetzung flüchtiger Stoffe. Das früh gebildete und
trockene innere Sonnensystem und das später gebildete und wasserreiche äußere
Sonnensystem wurden daher schon sehr früh in ihrer Geschichte auf zwei
unterschiedliche Evolutionspfade gebracht."
Die frühe Aufspaltung der beiden Populationen bietet eine plausible Erklärung
für die Zweiteilung des Isotopengehalts von innerem und äußerem Sonnensystem,
die in vielen Meteoriten nachgewiesen wurde. Die beiden Planetenpopulationen
bildeten sich zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Entfernungen
von der Sonne, deshalb wurden während der späteren Entwicklung nur unwesentliche
Mengen an Material aus dem äußeren Sonnensystem in die inneren terrestrischen
Planeten eingebaut und die isotopische Zweiteilung blieb erhalten.
Die Modelle zeigen ebenfalls, dass die anwachsenden terrestrischen Planeten
während der Existenz der protoplanetaren Scheibe erfolgreich vom ursprünglichen
Entstehungsort ihrer Bausteine an der Eislinie an ihre heutigen Positionen im
Sonnensystem wandern können. Das vom Team vorgeschlagene umfassende
Entstehungsmodell macht weiterhin die Voraussage, dass einer frühen, durch
gegenseitige Kollisionen dominierten Akkretion eine Phase folgt, die von der
Akkretion kleinerer Staubkörner, sogenannter "Pebbles", dominiert wird.
"Dies hätte beobachtbare Konsequenzen für heutige Asteroiden und Meteoriten,
beides Überbleibsel des frühen Sonnensystems, die wir mittels Raumsonden und
Laboruntersuchungen überprüfen können", so Golabek. "Weiterhin könnte die rasche
Entstehung der Planetesimale in separaten Reservoiren einige der Ringstrukturen
erklären, die in den letzten Jahren mittels Radioteleskopen in protoplanetaren
Scheiben um besonders junge Sterne entdeckt wurden. Dies könnte durch weitere
astronomische Beobachtungen von protoplanetaren Scheiben, in denen heute neue
Planeten entstehen, zukünftig weiter untersucht werden. Die Studie zeigt
ebenfalls, dass schon sehr früh feststeht, ob ein zukünftiger Planet wasserreich
oder wasserarm sein wird. Dies eröffnet neue Wege, um die Planeten unseres
Sonnensystems im Kontext der vielen in der Galaxie entdeckten, möglicherweise
sehr wasserreichen, Exoplaneten zu verstehen."
Über ihr Modell berichtete das Team in einem Fachartikel, der jetzt in der
Wissenschaftszeitschrift Science erschienen ist.
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