Die Geburt eines Magnetars?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
7. Februar 2022
Zunächst sah das Objekt AT2020mrf nach einem ganz
gewöhnlichen optischen Veränderlichen aus, doch dann entdeckte das
Röntgenteleskop eROSITA an der gleichen Stelle eine merkwürdige neue
Röntgenquelle. Schnell wurde klar, dass man hier ein einzigartiges kosmisches
Objekt gefunden hatte und Zeuge der Entstehung eines Magnetars oder Schwarzen
Lochs geworden war.
Röntgenbild der 3 x 3 Bogenminuten großen
Himmelsregion um die Position von AT2020mrf/SRGe
J154754.2+443907, aufgenommen mit dem SRG/eROSITA-Teleskop
im Sommer 2020.
Bild: Gilfanov und Medvedev [Großansicht] |
Im Juli 2020, kurz nach dem Start seiner zweiten Himmelsdurchmusterung,
entdeckte das eROSITA-Röntgenteleskop an Bord des Weltraumobservatoriums SRG
eine neue Quelle an einer Position, an der bisher keine Röntgenstrahlen
nachgewiesen wurden. Als die Astrophysikerinnen und Astrophysiker daraufhin die
Datenbank der optischen Veränderlichen überprüften, stellte sich heraus, dass
etwa vierzig Tage zuvor die Zwicky Transient Facility und das
Asteroid Terrestrial-impact Last Alert System (ATLAS) an derselben Stelle
eine scheinbar gewöhnliche, optische Veränderliche mit der Bezeichnung AT2020mrf
registriert hatten. Diese wurde zunächst als Supernova vom Typ II eingestuft,
also als massereicher Stern, der am Ende seines Lebens kollabiert. Diese
ursprüngliche Klassifizierung änderte sich jedoch grundlegend durch die eROSITA-Entdeckung
der Röntgenemission und die Form der optischen Lichtkurve der als SRGe
J154754.2+443907 bezeichneten Quelle. Es wurde klar, dass man auf ein noch
interessanteres Objekt gestoßen war.
Es gibt eine Klasse optischer Veränderlicher, die mit Supernova-Explosionen
in Verbindung gebracht werden und die sich durch schnelle Lichtkurven und zu
viel Blau in ihren Spektren auszeichnen, die sogenannten "Fast Blue Optical
Transients" (FBOTs). Da ihre Helligkeit schnell abfällt, kann man sie nur schwer
untersuchen. Allerdings gibt es darunter eine geheimnisvolle und seltene
Unterklasse, die sogenannten AT2018cow-ähnlichen Objekte. Die Namen der von der
ATLAS-Anlage entdeckten optischen Transienten (daher die Buchstaben "AT" im
Namen) werden nach dem Jahr der Entdeckung (in diesem Fall 2018) benannt,
gefolgt von einer Kombination aus mehreren Buchstaben, die von einem Computer
generiert werden. In diesem Fall bildeten die Buchstaben zufällig das englische
Wort "cow" - daher nennen die Astronominnen und Astronomen diese Klasse nun
"Kuh"-ähnliche Objekte.
Vor der Entdeckung von SRGe J154754.2+443907 waren nur vier solcher Objekte
bekannt; die SRG/eROSITA-Quelle war Nummer fünf.
"Kühe" zeichnen sich durch eine
rekordverdächtige Leuchtkraft aus (bis zu 1043 erg/s in der Spitze),
die etwa 1000-mal heller ist als eine gewöhnliche Supernova vom Typ II. Eine
solche Leuchtkraft kann nicht durch den Zerfall von radioaktivem Nickel-56
erklärt werden und erfordert eine alternative Energiequelle.
SRGe J154754.2+443907 wurde vom eROSITA-Team bei der Suche nach Ereignissen
entdeckt, bei denen ein Stern durch die Gezeitenkräfte eines supermassereichen
Schwarzen Lochs zerstört wird. Bald wurde jedoch klar, dass die Forscherinnen
und Forscher es mit etwas Anderem zu tun hatten. Sie lösten daraufhin eine
Beobachtungskampagne mit Teleskopen vom Radio- bis zum Röntgenbereich aus, um
die neue Quelle bei weiteren Wellenlängen zu untersuchen. Dies bestätigte, dass
SRGe J154754.2+443907 das fünfte "Kuh"-artige Objekt ist. An den
Multiwellenlängenbeobachtungen waren das 10-Meter-Keck-Teleskop, die
Radioteleskope VLA und GMRT sowie die Röntgen-Weltraumobservatorien Chandra,
XMM-Newton und Swift beteiligt. Das Programm wurde von einem
Doktoranden des Caltech, Yuhan Yao, koordiniert.
Das eROSITA-Teleskop beobachtete dieses Objekt kurz nach dem Höhepunkt der
Lichtkurve. Diese Beobachtungen haben gezeigt, dass AT2020mrf/SRGe
J154754.2+443907 die hellste bekannte "Kuh" ist, mit einer Leuchtkraft von über
~2 x 1043 erg/s. Eine solche Leuchtkraft könnte von einem jungen,
schnell rotierenden Neutronenstern (mit einer Periode von etwa 10 Millisekunden)
mit einem Magnetfeld in der Größenordnung von 1014 Gauß stammen –
einem sogenannten Magnetar – oder auch von einem neu entstandenen Schwarzen Loch
erzeugt werden, das Material des Vorgängersterns im superkritischen Bereich
akkretiert. In jedem Fall haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die
Geburt eines relativistischen, kompakten Objekts durch die Explosion eines
massereichen Sterns beobachtet.
Die neue "Kuh" ist bereits verblasst, während viele Fragen noch unbeantwortet
bleiben. Um die Natur dieser Quellen zu klären und die physikalischen
Mechanismen zu verstehen, die ihr Verhalten bestimmen, muss man weitere Objekte
dieser Klasse finden und im Detail untersuchen. Die laufende SRG/eROSITA-Durchmusterung
des gesamten Himmels könnte einen wichtigen Beitrag zu dieser Arbeit leisten.
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der bei
der Zeitschrift The Astrophysical Journal zur Veröffentlichung
eingereicht wurde.
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