Clevere Roboter aus dem Baukasten
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche
Intelligenz GmbH astronews.com
10. August 2021
Die Aufgaben autonomer Roboter im Weltraum sind vielfältig,
die bisherigen Systeme allerdings stark missionsspezifisch ausgelegt. Änderungen
sind dadurch nur schwer möglich. Mit dem nun gestarteten Projekt ModKom soll
sich das ändern: Geplant ist der Aufbau eines modularen Baukastensystems, aus
dem sich hochspezialisierte Roboter zusammensetzen lassen.
Das Projekt ModKom baut auf den
Erkenntnissen aus dem Projekt iStruct auf: Der
darin entwickelte hominide Roboter Charlie ist
dank modularer, biologisch inspirierter
Strukturelemente äußerst flexibel.
Foto: DFKI, Thomas Frank [Großansicht] |
Von der Erforschung fremder Planeten über den Aufbau menschlicher Habitate
bis hin zur Reparatur und Entsorgung defekter Satelliten im Orbit – Roboter
spielen im Rahmen von Weltraummissionen eine zunehmend große Rolle. So ist ihr
Einsatz in der Raumfahrt nicht nur deutlich risikoärmer als der von Menschen,
sondern auch vergleichsweise kostengünstig. Dank Künstlicher Intelligenz können
die Systeme autonom agieren und auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren.
Bislang eingesetzte Lösungen sind jedoch stark an die jeweilige Mission
angepasst, weshalb sie veränderten Missionsanforderungen nicht oder nur bedingt
gerecht werden können. Ein Umstand, der mitunter die Entwicklung komplett neuer
Systeme erfordert und so die Missionskosten in die Höhe treibt.
Hier setzt das von der Raumfahrtagentur des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt e. V. (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie (BMWi) geförderte Projekt ModKom – Modulare Komponenten als Building
Blocks für anwendungsspezifisch konfigurierbare Weltraumroboter – an, das auf
einen Paradigmenwechsel in der robotischen Raumfahrt abzielt: weg von den
üblicherweise monolithischen, hochspezialisierten und missionsspezifisch
ausgelegten Robotern, hin zu für verschiedene Missionsszenarien frei
konfigurierbaren Systemen. Durch die Erforschung und den Aufbau eines modularen
Baukastensystems für robotische Weltraumtechnologien wollen das Robotics
Innovation Center des DFKI und die Arbeitsgruppe Robotik der Universität
Bremen die Modularisierung in der Robotik weiter vorantreiben.
Das Projekt baut auf den umfassenden Kompetenzen der Projektpartner in der
Robotik auf, insbesondere auf Modularisierungskonzepten, die in vergangenen
Projekten erarbeitet wurden. Zudem integriert es daraus hervorgegangene
Technologien, etwa das Open-Source-Softwareframework "Rock" oder die
elektromechanische Schnittstelle EMI sowie weitere Hardware- und
Softwarekomponenten, und entwickelt diese weiter.
Die geplante Baukastensystematik soll alle notwendigen software- und
hardwaretechnischen Komponenten beinhalten, die es zum Aufbau frei
konfigurierbarer mobiler Roboter braucht. Diese gliedern die Bremer
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in unterschiedliche Granularitätsebenen:
Zur untersten Granularitätsebene gehören beispielsweise Komponenten, die
Grundfunktionalitäten zur Systementwicklung liefern wie Gelenke,
Strukturelemente oder Elektronikbausteine. Untereinander lassen sich diese
Funktionseinheiten mithilfe standardisierter Schnittstellen zu Subsystemen
kombinieren, welche ihrerseits spezifiziert und auf einer höheren
Granularitätsebene in den Baukasten aufgenommen werden.
Mit steigender Granularität wird schließlich eine Ebene von
Funktionseinheiten erreicht, die den Aufbau ganzer Systeme ermöglicht, z. B.
durch die Kombination von stationären und mobilen Plattformen mit
Sensoreinheiten, Nutzlastcontainern oder Manipulatoren. Dank einer
übergreifenden Softwarearchitektur können diese Systembausteine auch während der
Laufzeit nach dem "Plug and Play"-Prinzip implementiert werden. Im Projekt
entwickelte Schnittstellen sollen zudem den Einsatz von Lern- und
Optimierungsverfahren ermöglichen, mit denen sich automatisch geeignete
Hardware- und Softwarekonfigurationen generieren und einzelne Module an das
Gesamtsystem anpassen lassen.
Die Vorteile der durch die Baukastensystematik angestrebten Modularisierung
liegen auf der Hand: Zum einen wird es möglich sein, robotischen Systemen eine
am Beginn ihrer Entwicklung nicht vorgesehene Funktionalität nachträglich
hinzuzufügen. So sind sie in der Lage sich flexibel an die Anforderungen
unterschiedlicher Missionen anzupassen. Durch die Wiederverwendbarkeit der
einzelnen Module und Komponenten lassen sich zudem Entwicklungs- und
Qualifizierungszyklen auf der Erde deutlich verkürzen und kostengünstiger
gestalten. Dank standardisierter Schnittstellen oder spezieller Adapter können
auch ursprünglich nicht kompatible, kommerziell erhältliche Komponenten und
Schnittstellen zum Baukasten hinzufügt werden, um dessen Portfolio und die
Bandbreite möglicher Anwendungen zu erweitern.
Ein weiterer Vorteil modularer Systeme ist ihre größere Robustheit gegenüber
Ausfällen: So können fehlerhafte Module schnell und unkompliziert ausgetauscht
und somit ein voll funktionsfähiger Roboter wieder hergestellt werden. Im
Hinblick auf Anwendungen im Weltraumbereich ist diese Möglichkeit überaus
vorteilhaft, ist es doch extrem schwierig, einen weit entfernten Roboter zu
reparieren.
Die Leistungsfähigkeit der in ModKom entwickelten Systematik wollen die
Projektpartner anhand eines komplexen mobilen Manipulationssystems
demonstrieren, das ausschließlich unter Verwendung des robotischen Baukastens
realisiert werden soll. Dafür kombinieren sie einen modular aufgebauten
Manipulator mit einer existierenden mobilen Kaufplattform. Durch den Einsatz
kommerzieller Komponenten wollen die Forschenden nicht nur zeigen, wie
bestehende externe Systeme in den Baukasten integriert, sondern auch, wie
flexibel einzelne Elemente miteinander verbunden werden können.
Ziel der Leistungsdemonstration ist es, mit dem entwickelten
Manipulationssystems Module zur Rekonfiguration auszutauschen, und so die
Funktionsfähigkeit des Baukastensystems unter Beweis zu stellen. Nicht zuletzt
soll der Aspekt der Qualifizierbarkeit direkt in die Baukastenentwicklung
einfließen: Als ein für robotische Anwendungen zentrales Modul plant das Team
das Gelenk DFKI-X für den Weltraumeinsatz zu qualifizieren. Dazu wird es als
Bestandteil des Baukastens derart ausgewählt und weiterentwickelt, dass ein
möglichst breites Anwendungsspektrum abgedeckt und so eine optimale
Wertschöpfung erreicht wird. Der erarbeitete Entwicklungs- und
Qualifizierungsprozess soll auch dazu dienen, den Kosten- und Zeitaufwand für
die Qualifizierung weiterer Module des Baukastens und damit dessen praktische
Umsetzbarkeit für zukünftige Weltraummissionen abzuschätzen.
Das Projekt ModKom wird von der DLR-Raumfahrtagentur mit Mitteln des BMWi vom
1. Juli 2021 bis zum 30. Juni 2024 gefördert. Die Fördersumme beträgt rund 3,2
Millionen Euro.
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