Raumfahrttechnologie hilft auf der Erde
Redaktion
/ Pressemitteilung des DFKI astronews.com
30. Januar 2018
Innovative Technologien, die für die Erkundung von Planeten
und Monden entwickelt wurden, eignen sich auch für den Einsatz auf der Erde -
etwa für Arbeiten in der Tiefsee, Katastropheneinsätze und die medizinische
Rehabilitation. Das ist das Ergebnis des nun abgeschlossenen Vorhabens TransTerrA
am Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche
Intelligenz.
Die am Weltraumszenario beteiligten mobilen
Systeme SherpaTT (links), Coyote III (hinten im
Krater) sowie ein BaseCamp mit Nutzlastmodul
(rechts).
Foto: DFKI GmbH / Florian Cordes [Großansicht] |
Im Rahmen des Projekts TransTerrA gelang einem interdisziplinären
Forscherteam des DFKI Robotics Innovation Center die Entwicklung technologischer
Systeme, welche es Robotern im Rahmen von Weltraummissionen ermöglichen, autonom
und kooperativ komplexe Aufgaben zu bewältigen. Darüber hinaus konnten die
Wissenschaftler in drei Beispielanwendungen zeigen, dass sich die robusten
Systeme auch für den Erdeinsatz eignen: in der Tiefsee für die Wartung von
Anlagen zur Öl- und Gasförderung, im Rahmen von Katastropheneinsätzen für das
Aufspüren giftiger Gase an schwer zugänglichen Orten sowie für die medizinische
Rehabilitation mithilfe von Exoskeletten.
"Das hohe Transferpotenzial robotischer Raumfahrtsysteme liegt in ihrer
Robustheit und Automation. Mit dem Projekt TransTerrA ist es uns gelungen,
Technologien zu entwickeln, die dem Menschen in vielfältigen Anwendungsszenarien
einen direkten Nutzen erweisen: vom Weltraum bis zur Erdoberfläche und in die
Tiefe der Ozeane“, so Professor Frank Kirchner, Leiter des DFKI Robotics
Innovation Center.
Im Weltraummissionsszenario demonstrierten die Wissenschaftler, wie ein aus
mehreren mobilen und immobilen Systemen bestehendes robotisches Team eine
logistische Kette bildet, um autonom einen fremden Planeten zu erkunden. Teil
dieses Teams sind die beiden Rover SherpaTT und Coyote III
sowie stationäre Messstationen und Versorgungsdepots in Form sogenannter
BaseCamps, die u.a. dem Datenaustausch und der Energieversorgung dienen. Alle
Systeme sind mit einer oder mehreren standardisierten elektromechanischen
Schnittstellen ausgerüstet, die je nach Aufgabe das Andocken zusätzlicher
Funktionsmodule sowie den Transport der immobilen Einheiten durch die Rover
ermöglichen.
Der Mensch kann in die Mission über eine innovative
Mensch-Maschine-Schnittstelle von der Erde aus eingreifen. Dafür setzen die
Forscher eine sogenannte CAVE, also eine immersive, interaktive 3D-Testumgebung,
und ein tragbares Oberkörper-Exoskelett zum Aufbau eines Leitstandes ein, mit
dem sich die Roboter intuitiv steuern lassen. Sowohl die mechanische als auch
die elektronische Entwicklung aller für die Umsetzung dieses Szenarios
notwendigen Systeme erfolgte am Robotics Innovation Center – u.a. die
Konstruktion des hybriden Schreit- und Fahrrovers SherpaTT, der sich
dank seines aktiven Fahrwerks besonders gut für unwegsames Gelände eignet.
Mit seinem etwa zwei Meter langen Roboterarm kann er beispielsweise
Bodenproben nehmen und sie an den kleineren Rover Coyote III übergeben.
Der Mikro-Rover dient SherpaTT als Supportsystem und transportiert
Nutzlasten, die er mit einem zusätzlich angebrachten, modularen Roboterarm
aufnehmen kann. Seine Sternradkonstruktion ermöglicht es Coyote III,
schwieriges Gelände und sogar Steilhänge zu überwinden.
Für den autonomen Betrieb der Roboter entwickelten die Wissenschaftler in
TransTerrA das Softwareframework Rock weiter. Das Missionsszenario und die
Fähigkeiten der Systeme testeten die Wissenschaftler nicht nur in der
Weltraumexplorationshalle des DFKI in Bremen, sondern auch im Rahmen des
Vorhabens Field Trials Utah (kurz FT-Utah) in der Halbwüste des US-Bundestaates
Utahs. Dorthin begaben sie sich von Ende Oktober bis Ende November 2016
gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Bremen, um die Roboter in dem
marsähnlichen Testareal intensiven Versuchen zu unterziehen und die komplette
Missionssequenz zu simulieren (astronews.com berichtete).
Für die Kontrolle der Mission nutzten die Forscher den Leitstand am Robotics
Innovation Center in Bremen, mit dem sie per Satellitenlink eine
Kommunikationsverbindung zu den Robotern in Utah aufbauten. Auf diese Weise
ließen sich die Systeme via CAVE und Exoskelett aus über 8300 Kilometern
Entfernung steuern.
Ziel des TransTerrA-Projekts war darüber hinaus der Transfer der Systeme in
terrestrische Anwendungen. Dazu entwickelten die Wissenschaftler unter anderem
SherpaTT für ein Tiefsee-Szenario weiter, bei dem das System als
autonomer Unterwasserrover zur nachhaltigen Ressourcengewinnung oder zur
Überwachung und Inspektion von Tiefsee-Anlagen einsetzbar ist. Zudem statteten
sie Coyote III mit einem Gassensor aus, so dass dieser in einem
Katastrophenszenario selbstständig und ohne Gefährdung von Menschenleben ein
schwer zugängliches Gebäude erkunden und austretendendes Gas aufspüren kann.
Eine weitere Transferanwendung, welche die Forscher im Rahmen des Projekts
betrachteten, ist die medizinische Rehabilitation, die im Zuge einer alternden
Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt. Hier konnten die Wissenschaftler
zeigen, wie sich das Exoskelett für Maßnahmen des "Serious Gaming" in einer
virtuellen Umgebung einsetzen lässt. Basierend auf physiologisch erhobenen Daten
wie Elektroenzephalografie- und Elektromyografie-Signalen sowie Eye-Tracking
können die Intentionen eines Patienten erkannt und Bewegungsabläufe des
Oberkörpers intuitiv unterstützt werden.
Die Projekte TransTerrA und FT-Utah wurden von der Raumfahrt-Agentur des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) mit Mitteln des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.
|