Tahiti statt Neuseeland für Südhimmelflüge
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
22. Juli 2021
Um auch den Sternhimmel der Südhalbkugel ins Visier nehmen
zu können, kommt das Flugzeugobservatorium SOFIA regelmäßig nach Neuseeland.
Wegen der aktuellen Reiseeinschränkungen wurde in diesem Jahr aber Tahiti als
Ausweichbasis gewählt. Während der Flüge sollen nicht nur Objekte im Weltall
untersucht, sondern auch Informationen zum Klimawandel gesammelt werden.
Der internationale Flughafen Faa'a in
Französisch-Polynesien wird für die kommenden
acht Wochen die Ausgangsbasis für die
wissenschaftlichen Flüge der fliegenden
Sternwarte SOFIA von NASA und DLR.
Foto: NASA / J. Spooner [Großansicht] |
Eigentlich hätte die fliegende Sternwarte SOFIA den Nachthimmel der
Südhalbkugel wie gewohnt von Neuseeland aus beobachten sollen. "Aufgrund der
durch den Covid-19 verursachten Reiseeinschränkungen werden wir das
Observatorium nicht wie gewohnt in Christchurch einsetzen. Wir haben uns daher
entschieden, nach Tahiti auszuweichen", sagt Heinz Hammes, SOFIA-Projektleiter
bei der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. "Die Beobachtungen von der südlichen
Hemisphäre aus haben für uns eine große wissenschaftliche Bedeutung. Deswegen
sind wir der Regierung von Französisch-Polynesien sehr dankbar, dass sie uns
aufgenommen und der wissenschaftlichen Gemeinschaft einen großen Dienst erwiesen
haben. Alle unsere Mitarbeiter an Bord sind geimpft. Daher erwarten wir einen
reibungslosen Ablauf der Kampagne und freuen uns auf tolle Ergebnisse".
SOFIA ist am 19. Juli 2021 13:42 Uhr Ortszeit (20. Juli 2021, 1:42 Uhr MESZ)
auf dem internationalen Flughafen Faa'a in Französisch-Polynesien gelandet. Nach
dieser Kampagne wird SOFIA nach Kalifornien zurückkehren, wo sie ihren
jährlichen Routine-Check absolvieren wird, bevor das fliegende Observatorium
wieder zu neuen spannenden Beobachtungen aufbrechen wird. Von
Französisch-Polynesien aus wird SOFIA etwa acht Wochen lang wissenschaftliche
Flüge zur Beobachtung von astronomischen Quellen bestreiten, die von der
nördlichen Hemisphäre aus nicht sichtbar sind.
Während dieses Aufenthalts werden die Astronomen zwei der wissenschaftlichen
Instrumente des fliegenden Observatoriums verwenden: das deutsche Instrument für
hochauflösende Spektroskopie, GREAT (German Receiver for Astronomy at Terahertz
Frequencies) und das amerikanische Instrument zur Messung von Magnetfeldern,
HAWC+ (High-resolution Airborne Wideband Camera).
"Zu den geplanten Projekten mit dem GREAT-Instrument gehören neue Messungen
des atomaren Sauerstoffs in der oberen Atmosphäre der Erde. Sie werden uns dabei
helfen, den Klimawandel besser zu verstehen", berichtet Dr. Alessandra Roy,
SOFIA-Projektwissenschaftlerin bei der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.
Klimamodelle sagen voraus, dass zunehmende Treibhausgaskonzentrationen die
Temperaturen in der unteren Atmosphäre erhöhen, während die Temperaturen in der
höheren Atmosphäre (Mesosphäre) sinken. "Diese SOFIA-Messungen des atomaren
Sauerstoffs spielen eine wichtige Rolle bei der Abschätzung der Temperaturen im
oberen Teil der Atmosphäre und können die Theorien bestätigen, die beschreiben,
wie die Sonnenenergie zwischen der Erdoberfläche und dem Weltraum ausgetauscht
wird", betont Roy.
GREAT wird aber auch südliche Ziele für zwei große Projekte – die sogenannten
"Legacy Projects" – ins Visier nehmen, die schon während des SOFIA-Aufenthaltes
am Flughafen Köln/Bonn mitbeobachtet wurden: HyGAL und FEEDBACK. HyGAL
untersucht, wie die chemischen Reaktionen im sogenannten interstellaren Medium
von den durch die Galaxie strömenden, hochenergetischen Teilchen – auch bekannt
als kosmische Strahlung – beeinflusst werden. FEEDBACK wird Regionen mit einer
Vielzahl von massiven Sternengeburten untersuchen. Die Forscher wollen dabei
herausfinden, welchen Einfluss Sternentstehungsaktivitäten auf die Entstehung
anderer Sterne in diesem Gebiet haben, also ob sie den Prozess der
Sternenbildung eher unterstützen oder behindern.
"Diese Beobachtungen von SOFIA werden den Astronomen neue Erkenntnisse
bringen, warum der Sternentstehungsprozess so ineffizient ist. Wir sehen viel
weniger Sterne, als eigentlich da sein sollten. Das wirft die Frage auf, ob wir
den Mechanismus der Sternentstehung vollständig verstanden haben2, sagt Roy.
Nach den 20 geplanten Flügen mit GREAT werden die Ingenieure und Techniker
der Sternwarte den Empfänger austauschen und HAWC+ nutzen, um unter anderem das
Legacy-Projekt SIMPLIFI (Study of Interstellar Magnetic Polarization: a Legacy
Investigation of Filaments) zu beginnen. Dabei werden sie das SOFIA-Teleskop auf
ganz spezielle kosmische Strukturen richten. Die sogenannten Filamente sind
lange und dünne Gasformationen, in denen die meisten Sterne entstehen.
Dank des Legacy-Programms werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
neue Erkenntnisse über die Rolle von Magnetfeldern in Sternentstehungsgebieten
gewonnen haben. Während dieser zwölf Flüge mit HAWC+ wird das Observatorium auch
das galaktische Zentrum beobachten, um die Rolle der Magnetfelder in den
Regionen zu verstehen, die dem zentralen supermassiven Schwarzen Loch am
nächsten sind.
SOFIA ist ein weltweit einzigartiges, fliegendes Observatorium, das den
Weltraum im Infrarotbereich untersucht. So erforscht die Sternwarte etwa, wie
sich Milchstraßensysteme entwickeln oder wie Sterne und Planetensysteme aus
interstellaren Molekül- und Staubwolken entstanden sind. Möglich wird dies durch
ein 17 Tonnen schweres, in Deutschland entwickeltes und gefertigtes Teleskop mit
einem Spiegeldurchmesser von 2,7 Metern.
SOFIA verfügt über sechs verschiedene wissenschaftliche Instrumente, von
denen drei aus Deutschland stammen – zwei Instrumente für das Fern-Infrarot und
ein optisches Instrument. Das "Stratosphären-Observatorium für
Infrarot-Astronomie" ist ein Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Raumfahrtagentur
im DLR und der National Aeronautics and Space Administration (NASA).
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