Fliegende Sternwarte erkundet Südhimmel
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
19. Juli 2013
SOFIA, das von DLR und NASA gemeinsam betriebene
Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie, fliegt erstmals in der
südlichen Hemisphäre: Drei Wochen lang sollen mit der fliegenden Sternwarte
Objekte anvisiert werden, sie sich nur von Flugrouten südlich des Äquators aus
beobachten lassen. Ein erster Flug wurde bereits erfolgreich absolviert.

SOFIA im Bereich
des "United States Antarctic Program" (USAP) auf
dem Christchurch International Airport.
Foto: SOFIA (NASA/Carla Thomas) |
Beim ersten der insgesamt neun von Neuseeland aus geplanten
Wissenschaftsflüge nahmen die deutschen und amerikanischen Forscher während des
zehnstündigen Fluges in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2013 zwei
Nachbargalaxien der Milchstraße, die Magellanschen Wolken, sowie die um das
Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxis rotierende Gasscheibe ins Visier. Eine
Crew von 60 Wissenschaftlern, Technikern und Ingenieuren aus den Vereinigten
Staaten und Deutschland sowie zwei Pilotenteams der NASA sind an dem
Neuseeland-Einsatz von SOFIA beteiligt.
Die modifizierte Boeing 747SP war am 13. Juli 2013 auf dem Flughafen im
neuseeländischen Christchurch gelandet. Dort hat die amerikanische National
Science Foundation einen Stützpunkt für ihr Antarktis-Programm. Am 2.
August soll die fliegende Sternwarte wieder zurück zu ihrem Heimatflughafen nach
Palmdale in Kalifornien aufbrechen.
Als Beobachtungsinstrument wird bei den Flügen das von Wissenschaftlern des
Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn und der Universität zu Köln
gemeinsam entwickelte Spektrometer GREAT (German Receiver for Astronomy at
Terahertz Frequencies) eingesetzt. GREAT bleibt für die gesamte Dauer der
Kampagne für Messungen im fernen Infrarot - hier geht es um Wellenlängen von
zehntausendstel Millimetern - an SOFIAs "Markenzeichen" installiert: einem
Teleskop mit einem Spiegeldurchmesser von 2,5 Metern.
SOFIA ist damit das weltweit größte fliegende Observatorium. Die Flughöhe
beträgt bis zu 13.700 Meter und ermöglicht so den Zugang zu den astronomischen
Signalen im fernen Infrarotbereich, die sonst durch den atmosphärischen
Wasserdampf absorbiert würden und vom Boden aus nicht messbar sind.
"In mehr als 30 Veröffentlichungen über die wissenschaftlichen Ergebnisse aus
den Messkampagnen in der nördlichen Hemisphäre im Jahr 2011 wurde bereits das
außerordentliche wissenschaftliche Potenzial dieses Observatoriums deutlich",
schildert SOFIA-Projektleiter Alois Himmes vom DLR. "Mit den aktuellen Einsätzen
in Neuseeland erweitert sich dieses Potenzial erheblich durch den Zugriff auf
die für die Forscher so interessanten Quellen am Südhimmel", fügt er hinzu.
Forschungsziele, die von der Südhalbkugel beobachtet werden können, sind
beispielsweise die Große und Kleine Magellansche Wolke sowie einige Objekte im
Zentrum der Milchstraße. Die beiden Magellanschen Wolken sind so genannte
Zwerggalaxien in der unmittelbaren Nachbarschaft unserer eigenen Galaxis. Sie
sind am südlichen Himmel mit bloßem Auge gut sichtbar. Benannt wurden sie nach
dem Entdecker Ferdinand Magellan, einem der ersten Europäer, der über sie
berichtete.
Ihre "relative" Nähe von 160.000 Lichtjahren macht es möglich, dort die
Lebenszyklen von Sternen, vom Protostern bis zu den Resten einer Supernova,
genauer zu erforschen. SOFIA untersucht von Neuseeland aus eine Reihe von
bekannten Sternentstehungsgebieten: "Diese Regionen kennen wir von optischen
Beobachtungen, sie sind aber im Infrarotbereich bisher kaum erforscht", erklärt
Himmes. Für einige der Beobachtungen wird das SOFIA-Teleskop deshalb auch auf
das Zentrum der Milchstraße gerichtet, das von der südlichen Hemisphäre aus
wesentlich besser und länger zugänglich ist als vom Nordhimmel aus.
Dank seiner hohen spektralen Auflösung kann das GREAT-Instrument die
Zusammensetzung, Temperatur und Strömungen des interstellaren Gases sehr genau
messen und so den gesamten Zyklus der Sternentstehung untersuchen. Das
Instrument ermöglicht die Beobachtung embryonaler Protosterne, die noch in ihre
Geburtswolke aus Gas und Staub eingebettet sind, bis zur Endphase voll
entwickelter Sterne, die ihre äußere Hülle wieder in den Weltraum abstoßen.
"Das GREAT-Instrument auf SOFIA erlaubt es, die neuesten technologischen
Entwicklungen für die Astronomie einzusetzen. Damit steht der Astronomie nach
dem Ende der ESA-Mission Herschel mit SOFIA eine Beobachtungsplattform
in diesem einzigartigen und wichtigen Ferninfrarot-Spektralbereich zur
Verfügung, die es erlaubt, viele der wichtigen und offenen Fragen der
Sternentstehung zu untersuchen", unterstreicht Prof. Jürgen Stutzki, Leiter der
Astrophysikgruppe an der Universität zu Köln.
"Die bisherigen SOFIA-Wissenschaftsflüge am Nordhimmel haben bereits die
Leistungsfähigkeit unseres GREAT-Empfängers gezeigt. Jetzt warten am Südhimmel
neue Herausforderungen wie die Magellanschen Wolken, mit einem wesentlich
geringeren Anteil an schweren Elementen im Vergleich zu unserer Milchstraße.
Dazu gehört mit dem Tarantelnebel (30 Doradus) das aktivste bekannte
Sternentstehungsgebiet in unserer engeren kosmischen Umgebung, der Lokalen
Gruppe von Galaxien", ergänzt Rolf Güsten vom Max-Planck-Institut für
Radioastronomie, der Leiter der deutschen Forschergruppe, die das
GREAT-Instrument entwickelt hat.
Den deutschen Beitrag zum Betrieb und zur wissenschaftlichen Auswertung der
SOFIA-Mission leitet federführend das an der Universität Stuttgart eingerichtete
Deutsche SOFIA Institut (DSI). Ein auf den Betrieb des Infrarot-Teleskops
spezialisiertes Team von DSI-Mitarbeitern betreut deshalb den ersten Einsatz von
SOFIA auf der Südhalbkugel mit. "SOFIAs Einsatz in der südlichen Hemisphäre
zeigt die beeindruckende Vielseitigkeit dieses Observatoriums, das ein Produkt
vieler Jahre fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen U.S.-amerikanischen und
deutschen Raumfahrtbehörden ist", sagte der Direktor der NASA-Abteilung für
Astrophysik, Paul Hertz, und fügte hinzu: "Dies ist nur die erste einer ganzen
Serie von Messkampagnen mit SOFIA von der Südhemisphäre, die für die
Projektlaufzeit von voraussichtlich 20 Jahren vorgesehen sind."
Die ersten Beobachtungen von SOFIA haben dann auch alle Erwartungen erfüllt:
"Wir hatten heute Nacht einen sehr erfolgreichen Flug, mit exzellenten
Resultaten für alle Beobachtungsobjekte", so Güsten unmittelbar nach der Landung
des ersten Wissenschaftsflugs auf dem Christchurch International Airport.
"Ich habe noch nie einen dermaßen durchsichtigen Himmel in
Ferninfrarot-Wellenlängen gesehen wie heute Nacht - nur ein paar Mikrometer
Wasserdampf in der Atmosphäre. Das ist fast wie im Weltraum!"
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