GREAT entdeckt zwei neue Moleküle im All
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
10. Mai 2012
Das Flugzeugteleskop SOFIA hat die erste Serie von Wissenschaftsflügen
mit dem deutschen Instrument GREAT beendet. Die Ergebnisse der
Beobachtungen wurden heute in einer speziellen Ausgabe der europäischen
Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht. Ein
Highlight ist dabei die Erstentdeckung von zwei neuen Molekülen im
Weltraum.
Das Sternentstehungsgebiet um den Stern Rho
Ophiuchi. In Richtung des im Optischen nicht
sichtbaren massearmen Protosterns IRAS16293-2422
(roter Kreis) konnte das Molekül OD, also
deuteriertes Hydroxyl, erstmalig im Weltraum
nachgewiesen werden.
Bild: MPIfR / B. Parise (Spektrum) / ESO
/ S. Guisard (Hintergrund) [Großansicht] |
Die erste Serie wissenschaftlicher Beobachtungsflüge mit dem
German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies (GREAT) an
Bord des Stratosphären-Observatoriums für Infrarotastronomie (SOFIA)
wurde im November 2011 erfolgreich abgeschlossen. Knapp ein halbes Jahr
später wurden heute die Ergebnisse in einer speziellen Ausgabe der
europäischen Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics
veröffentlicht. Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern
berichtet in insgesamt 22 Einzelbeiträgen über die bemerkenswerten
Resultate sowie über die dem Experiment zugrunde liegenden Technologien
von GREAT.
SOFIA, ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA und
des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), betreibt ein Teleskop von
2,70 Metern Durchmesser in einer umgebauten Boeing 747SP (astronews.com
berichtete wiederholt). SOFIA fliegt in Höhen bis zu 13.700 Metern und
ermöglicht damit den Zugang zu astronomischen Signalen bei ferninfraroten
Wellenlängen, die ansonsten vom Wasserdampf in der Erdatmosphäre absorbiert
würden.
SOFIA ist weltweit das einzige Flugzeug-Observatorium im Einsatz und erlaubt
mit dem GREAT-Empfänger auch hochauflösende Spektroskopie im fern-infraroten
Spektralbereich . "Die hohe Auflösung des GREAT-Spektrometers ist speziell dafür
ausgelegt, die Physik und Chemie des interstellaren Gases und den Lebenszyklus
der Sterne zu erforschen, von ihrer frühen embryonalen Phase noch innerhalb der
Geburtswolke bis zum Tod des entwickelten Sterns, bei dem die Hülle wieder
zurück in den umgebenden Raum geschleudert wird", erläutert Rolf Güsten vom
Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie, der leitende Wissenschaftler des
GREAT-Projekts. "Diese phantastischen Ergebnisse bereits aus den ersten
Wissenschaftsflügen sind der Lohn für unsere langjährige Entwicklungsarbeit und
unterstreichen das wissenschaftliche Potential der Ferninfrarot-Spektroskopie
mit einem Flugzeug-Observatorium."
Viele der jetzt erschienenen Fachartikel beschäftigen sich mit dem
Sternentstehungsprozess in seinen allerfrühesten Phasen, in denen der embryonale
Stern noch in heftiger Wechselwirkung mit den umgebenden Molekülwolken steht -
er zerstört seine Geburtswolke, heizt das umgebende Material auf und ionisiert
es. Die hohe spektrale Auflösung von GREAT ermöglicht es, durch die Untersuchung
der Emission des ionisierten Kohlenstoffs in einer Reihe von
Sternentstehungsgebieten das Geschwindigkeitsfeld des Gases in der umgebenden
Molekülwolke aufzulösen.
In den Hüllen von drei Protosternen gelang GREAT der direkte Nachweis des
Kollaps der protostellaren Hüllen, was unmittelbar Rückschlüsse auf die
dynamischen Prozesse bei der Entstehung eines Sterns erlaubt. GREAT ermöglichte
auch den erstmaligen Nachweis zweier Moleküle im Weltraum: OD, eine isotopische
Variante von Hydroxyl (OH), bei der das Wasserstoffatom durch sein schwereres
Isotop Deuterium ersetzt wurde, sowie das Sulfanyl-Radikal SH. OD markiert einen
wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg zur Bildung von Wasser im Universum, und
könnte als chemische Zeitmarke in den Frühphasen der Sternentstehung dienen.
Eine technologische Meisterleistung stellten zudem erste spektroskopische
Beobachtungen bei einer Frequenz von 2,5 Terahertz (entsprechend einer
Wellenlänge von 0,120 Millimeter) dar, mit denen ein neues astrophysikalisches
Territorium erkundet werden kann. Weiterhin wurde die Hülle eines Sterns in der
Spätphase seiner Entwicklung untersucht, die durch den heißen Stern im Inneren
aufgeheizt und ionisiert wird, sowie die heftige Wechselwirkung der Stoßwelle
eines Supernova-Überrests mit dem umgebenden interstellaren Medium. Auch die
physikalische Natur der Gasscheibe rund um das Zentrum der Milchstraße wurde
erforscht. Diese versorgt das massereiche Schwarze Loch im Herzen unserer
Heimatgalaxie mit neuem Material. Andere Astronomen studierten schließlich die
Sternentstehung im Zentralbereich der nahen Galaxie IC342.
"Die reiche Ernte von wissenschaftlichen Resultaten bereits aus der
allerersten Beobachtungskampagne mit SOFIA und unserem GREAT-Empfänger gibt
einen guten Eindruck des gewaltigen wissenschaftlichen Potentials, das in diesem
Flugzeug-Observatorium steckt", freut sich Jürgen Stutzki von der Universität
Köln, der stellvertretende Projektleiter von GREAT. "SOFIA wird den rasanten
technologischen Fortschritt insbesondere im Bereich der Terahertz-Technologie
unmittelbar nutzen. Instrumente wie GREAT können, fortlaufend an die neuesten
Entwicklungen angepasst, stets im Grenzbereich des technologisch Möglichen
eingesetzt werden und versprechen so aufregende astronomische Entdeckungen für
die kommenden Jahre."
Die nächste Flugserie mit GREAT ist für den Spätherbst dieses Jahres geplant.
Dann wird das Instrument bereits über Detektoren verfügen, die bis zu 4,7
Terahertz arbeiten.
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