Fliegende Sternwarte in Hamburg
von Stefan Deiters astronews.com
30. Juni 2014
Die fliegende Sternwarte SOFIA befindet sich seit dem
Wochenende in Deutschland: Die modifizierte Boeing 747SP mit einem 17 Tonnen
schweren Infrarotteleskop an Bord landete am Sonnabend in Hamburg, wo in den
kommenden viereinhalb Monaten umfangreiche Wartungsarbeiten durchgeführt werden
sollen. Für die Zukunft des deutsch-amerikanischen Projekts sieht es inzwischen
wieder deutlich besser aus.

SOFIA ist seit Sonnabend in Hamburg, wo die
fliegende Sternwarte gründlich gewartet wird.
Foto: astronews.com / Stefan Deiters
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Am Sonnabendmorgen um 8.44 Uhr MESZ war es endlich soweit: Die fliegende
Sternwarte SOFIA, die normalerweise am Armstrong Flight Research Center
der NASA in Kalifornien stationiert ist, landete auf dem Hamburger Flughafen
Fuhlsbüttel. Hier soll die modifizierte Boeing 747SP bis November in einer Halle
von Lufthansa Technik überprüft und für kommende Beobachtungsflüge fit gemacht
werden. Wie jedes Flugzeug, muss auch SOFIA regelmäßig eine gründliche
Generalüberholung durchlaufen.
SOFIA, was für "Stratosphären Observatorium für Infrarot Astronomie" steht,
ist ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA und des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das DLR trägt 20 Prozent der
Kosten für die fliegende Sternwarte, dafür erhalten deutsche Astronomen auch
einen entsprechenden Anteil an der zur Verfügung stehenden Beobachtungszeit mit
dem Teleskop. Die umfangreiche Wartung von SOFIA in Hamburg stellt einen Teil
des DLR-Beitrags zur Finanzierung des Projekts dar.
Die Freude bei DLR und NASA, dass SOFIA nun in Hamburg ihre schon seit langem
geplante Generalüberholung antreten kann, dürfte in diesen Tagen noch größer
gewesen sein, als die Beteiligten vielleicht noch vor einigen Monaten gedacht
hatten: Im Frühjahr hatte es nämlich - trotz bereits vieler erfolgreich
durchgeführter Beobachtungsflüge - für die Zukunft des Flugzeugteleskops eher
düster ausgesehen (astronews.com berichtete): Im vom
US-Präsidenten vorgelegten Haushaltsplan fehlten die Mittel zum Betrieb von
SOFIA.
Die mögliche Folge: Das einmalige Teleskop, dessen Entwicklungsphase
offiziell erst Ende Mai 2014 endete, hätte ab 2015 eingemottet werden müssen.
Inzwischen jedoch haben sich die Aussichten für SOFIA deutlich gebessert. Beide
Häuser des amerikanischen Kongresses unterstützen Änderungen beim NASA-Haushalt,
die auch einen Weiterbetrieb von SOFIA im geplanten Umfang erlauben würden. Dass
diese Änderungen im Spätsommer oder Herbst Gesetz werden, gilt nur noch als
Formsache.
Ohne die Zuversicht, dass es mit dem Projekt noch mindestens einige Jahre
weitergeht, so war bei einem Pressetermin am Sonnabend einmütig von Vertretern
von NASA und DLR zu hören, hätte man die jetzt begonnene Generalüberholung gar
nicht begonnen. Die Arbeiten werden zwischen acht und elf Millionen Euro kosten.
Insgesamt ist SOFIA auf eine Nutzungsdauer von 20 Jahren ausgelegt.
Bei SOFIA handelt es sich um eine Boeing 747SP, wobei "SP" für "Special
Performance" steht. Sie hat einen wesentlich kürzeren Rumpf, aber die gleiche
Leistung wie normale Jumbojets und kann daher eine deutlich größere Flughöhe
erreichen.
SOFIA macht ihre Beobachtungen in einer Höhe von zwölf bis 14 Kilometern und
fliegt damit einige Kilometer höher als normale Verkehrsflugzeuge und oberhalb
des Wasserdampfs in der Atmosphäre. Auf diese Weise kann mit dem Teleskop an
Bord die Infrarotstrahlung nahezu verlustfrei beobachtet werden. Zudem gibt es
in dieser Höhe weniger Luftunruhen.
Für Lufthansa Technik in Hamburg ist die Wartung von SOFIA keine alltägliche
Aufgabe. Zwar hat man hier regelmäßig mit riesigen Privatmaschinen und den
ausgefallenen Wünschen von Superreichen und Regierungen zu tun, doch ist ein
Jumbojet mit einem 17 Tonnen schweren und über zwei Meter durchmessenden
Teleskop an Bord doch schon etwas Besonderes. Im Rumpf befindet sich dafür zudem
eine vier mal sechs Meter große Luke, die sich für die Beobachtungen während des
Flugs öffnet.
Insgesamt hätte man in den kommenden viereinhalb Monaten 2.100 verschiedene
"Events" geplant und wolle zudem 30 Modifikationen durchführen, erläutert
Andreas Britz von Lufthansa Technik. Eine Herausforderung seien dabei vor allem
die vielen Kabel zur Steuerung von Teleskop und Instrumenten, die SOFIA von
anderen normalen Flugzeugen unterscheiden würden. Man werde sich aber bemühen,
so Britz, aus diesem "Oldtimer" wieder ein fast neues Flugzeug zu machen. Mit
viereinhalb Monaten seien dabei etwa eineinhalb Monate mehr eingeplant als bei
anderen Flugzeugen dieses Typs.
SOFIA wurde 1977 von der amerikanischen Fluglinie PanAm als "Clipper
Lindbergh" in Dienst gestellt. Die Boeing 747SP wurde von 1975 bis 1986
produziert. Der Typ wird von Boeing selbst nicht mehr gewartet. Lufthansa
Technik in Hamburg verfügt über umfassende Erfahrung mit der Instandsetzung und
Wartung dieses Flugzeugtyps, so dass SOFIA bei den Hanseaten in den besten
Händen sein dürfte.
Auch Eddie Zavala, der SOFIA-Projektleiter bei der NASA, war am Sonnabend
froh, dass das Flugzeugteleskop nun in Hamburg ist und für die kommenden
Forschungsflüge fit gemacht wird. Rund 90 solcher Flüge gab es bereits, auf
denen unter anderem entstehende Sterne und Planetensysteme untersucht wurden. Ab
November 2014 soll es dann weitergehen - mit rund 100 Beobachtungsflügen pro
Jahr.
Der große Vorteil von SOFIA ist, so erläutert DLR-Projektleiter Alois Himmes,
dass im Unterschied zu Weltraumteleskopen "bei SOFIA ständig verbesserte oder
sogar neu entwickelte Instrumente mit aktueller Technologie eingesetzt werden.
SOFIA ähnelt einem Weltraumobservatorium, das allerdings nach jedem Flug wieder
zur Erde zurückkehrt." Das DLR war bei der Entwicklung von SOFIA unter anderem
für den Bau des Teleskops verantwortlich. Ohne diese Zusammenarbeit, so Zavala
am Sonnabend, wäre der Erfolg nicht möglich gewesen.
An die Tage im Frühjahr, in denen er und seine Mitarbeiter von den geplanten
Budgetkürzungen überrascht wurden, erinnert sich Zavala noch ganz genau. Er
hätte seinem Team gesagt, dass man sich weiter auf die Arbeit konzentrieren
solle, um jedem zu beweisen, was für ein wissenschaftlich wertvolles Projekt
SOFIA ist. Er blickt auf das große weiße Flugzeug vor der riesigen Halle und
sagt: "Es ist doch mein Baby. Ich weiß, dass sie gut ist."
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