Andocken mit Gecko-Effekt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Technischen Universität Braunschweig astronews.com
1. März 2021
Die Überreste der Raumfahrt im erdnahen Weltraum werden zu
einem immer größeren Problem. Eine Lösung könnten kleine Sonden sein, die den
Weltraummüll gezielt einsammeln oder zum Absturz bringen. An Bord der
Internationalen Raumstation ISS wurde dafür nun ein Andockmechanismus getestet.
Er basiert auf dem Gecko-Effekt.
Auf der ISS: US-Astronaut Victor Glover mit
zwei Astrobees am 28. Dezember 2020. Astrobee Nr.
1 ist ausgestattet mit einem Gecko-basierten
Docking-Mechanismus, Nr. 2 ist ausgestattet mit
Multilayer-Insulation-Material.
Foto: IRAS/TU Braunschweig[Großansicht] |
Die Internationale Raumstation ISS hat Astrobees – kleine fliegende
Roboter – an Bord. Für Experimente wurden diese Astrobees mit einem
Docking-Mechanismus ausgestattet. Dieser Mechanismus basiert auf Materialien mit
Gecko-Effekt und soll helfen, Objekte im All zu greifen und so beispielsweise
Weltraumschrott zu beseitigen. Im Dezember 2020 konnte der Docking-Mechanismus,
entwickelt an der Technischen Universität Braunschweig in Kooperation mit dem
Leibniz-Institut für Neue Materialien, erfolgreich im All getestet werden.
Auf der ISS wurde der Docking-Mechanismus erstmals am 28. Dezember 2020 von
US-Astronaut Victor Glover und noch ein zweites Mal am 18. Januar 2021 von
seiner Kollegin Shannon Walker unter Weltraumbedingungen ausprobiert. Beide
demonstrierten, wie zwei Astrobee-Roboter, einer davon ausgestattet mit
gecko-inspirierten Materialien, automatisch aneinander andocken. Die gecko-inspirierten
Haftmaterialien wurden vom Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken
zur Verfügung gestellt. Die Astrobees sind eine Entwicklung der NASA.
Das Experiment verantwortete das Institut für Raumfahrtsysteme der TU
Braunschweig im Rahmen des Projekts REGGAE (REduced Gravity Gecko Adhesion
docking Experiments).
Die Gecko-Technologie, inspiriert von der Fähigkeit des Echsenfußes zum
kontrolliertem Haften und Ablösen, wird für das automatisierte Handling,
beispielsweise beim Sortieren und Verpacken in der Lebensmittelindustrie
eingesetzt. Deren Einsatz für Raumfahrtanwendungen ist jedoch noch weitgehend
unerforscht. Eine Herausforderung liegt darin zu zeigen, dass man mit
Gecko-Haftmaterialien auch freischwebende, fliegende Objekte "greifen" kann. Im
All kommt erschwerend hinzu, dass sich Zielobjekte nicht kooperativ verhalten
und meistens taumeln, keine Signale senden oder Lage und Position nicht regeln
können.
Der neue Ansatz der TU Braunschweig unterscheidet sich von vorherigen
Experimenten darin, dass das Docking nicht manuell, sondern automatisiert
realisiert wurde. Die nötigen Kräfte zum Aktivieren der Adhäsionskräfte
entstehen durch die Geschwindigkeitsregelung des aktiven Satelliten. Ein
passiver Ausrichtmechanismus korrigiert kleine Winkelfehler und dämpft den Stoß
beim Kontakt mit dem frei schwebenden Objekt ab.
In den Experimenten konnten zudem verschiedene Gecko-Haftmaterialien an
verschiedenen Oberflächen getestet werden, die typischerweise beim Bau von
Satelliten Verwendung finden: Acrylglas bei Solarpanelen, Multilayer Insulation
als Wärmedämmmaterial und Aluminium für die Außenhaut. Durch den passiven und
zugleich kompakten Aufbau lässt sich der Dockingmechanismus auch auf kleinen
Plattformen wie CubeSats implementieren. Der Einsatz auf CubeSats bedeutet
erhebliche Kostenersparnisse. Eine typische Anwendung wäre das Einfangen von
Weltraummüll.
Tausende Tonnen Weltraumschrott umkreisen derzeit die Erde. Sie stellen ein
immer größer werdendes Problem in der Raumfahrt dar, da von ihnen große Gefahr
ausgeht. Bereits zentimetergroße Teile können bei einer Kollision erheblichen
Schaden an Satelliten und Raumstationen verursachen. Um Ordnung und Sicherheit
zu gewährleisten, muss der Weltraumschrott beseitigt werden. Kleine Satelliten
mit Gecko-Technologie an Bord könnten hier einen wichtigen Beitrag leisten.
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