Auf der Spur gefährlicher Weltraumtrümmer
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
3. September 2013
Von der Sternwarte auf der Stuttgarter Uhlandshöhe aus
beobachten Forscher des DLR regelmäßig die Internationale Raumstation ISS,
aktive Satelliten und vor allem Weltraumschrott. Sie wollen so ein neues
Verfahren entwickeln, mit dem die Flugbahn der Objekte genauer errechnet werden
kann. Dazu planen sie, Schrottteile auch mit einem Laser anzustrahlen.
Bisher nutzen
die Stuttgarter DLR-Forscher noch das Sonnenlicht
der Dämmerungsphase, um Weltraumobjekte
auszumachen. In naher Zukunft wollen die
Wissenschaftler die Objekte mit einem Laser
anstrahlen, um noch exaktere Messungen vornehmen
zu können.
Foto: DLR / Frank Eppler |
Wenn bei gutem Wetter über dem Stuttgarter Talkessel die Dämmerung
hereinbricht, macht sich ein kleines Team von Forschern des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf den Weg zur Sternwarte auf der Uhlandshöhe.
Mit einem optischen Teleskop beobachten sie von dort aus Weltraumobjekte und
vermessen deren Flugbahn. Dazu gehören Schrottteile, aber auch aktive Satelliten
oder die internationale Raumstation ISS, die alle im niedrigen Orbit von bis zu
eintausend Kilometern Höhe um die Erde kreisen.
Mithilfe dieser Messungen entwickeln und erproben die Wissenschaftler des
DLR-Instituts für Technische Physik eine neue Methode, um die Flugbahn von
Schrottteilen genauer zu erfassen und so langfristig beispielsweise
Zusammenstöße mit Satelliten zu verhindern.
Die Forscher nutzen für ihre Messungen die Phase nach der Abend- und vor der
Morgendämmerung, wenn das Sonnenlicht die Objekte vor einem dunklen Hintergrund
beleuchtet. Im Gegensatz zu den Astronomen der Sternwarte, die nach Fixsternen
Ausschau halten, müssen sich die DLR-Wissenschaftler dabei sputen: Denn die von
ihnen beobachteten Gegenstände haben eine Geschwindigkeit von rund acht
Kilometern pro Sekunde und sind über dem Stuttgarter Talkessel nur wenige
Minuten sichtbar.
Um dieses Zeitfenster optimal zu nutzen, fährt das speziell für diesen Zweck
aufgebaute Spiegelteleskop in eine vorbestimmte Position und wartet auf das
Objekt. Die dazu notwendigen Koordinaten liefert ein bestehendes Verzeichnis von
Weltraumobjekten, das grob angibt, wann welcher Gegenstand am Himmel über
Stuttgart zu sehen ist. Sobald beispielsweise der erwartete Satellit durch das
Sichtfeld des Teleskops fliegt, macht die angeschlossene Kamera eine Aufnahme.
Dann fährt das Teleskop in die nächste Position, wartet auf den Satelliten und
macht ein weiteres Bild. Pro Überflug entstehen auf diese Weise zehn bis zwanzig
Aufnahmen.
Mit ihrer Hilfe können die Forscher nun sehr präzise die Flugbahn des
verfolgten Objekts bestimmen. Dazu vergleicht ein spezielles Computerprogramm
automatisch die Position des auf den Aufnahmen festgehaltenen Gegenstands
relativ zu den ebenfalls abgebildeten Sternen, deren Koordinaten bekannt sind.
"Bereits jetzt können wir die auf der Uhlandshöhe gewonnen Daten nutzen, um
bestehende Bahndaten von Weltraumobjekten in ihrer Genauigkeit zu verbessern",
erläutert Wolfgang Riede, der das DLR-Projekt auf der Sternwarte leitet.
"Hauptsächlich geht es uns aber darum, einen neuen technologischen Ansatz zu
demonstrieren und weiter zu entwickeln, um immer kleinere Objekte, vor allem
Weltraumschrott, zu erfassen und deren Flugbahn möglichst exakt zu bestimmen.
Die Arbeiten auf der Uhlandshöhe sind dazu der erste Schritt", so Riede weiter.
Seit dem Start der Arbeiten im Frühjahr 2013 hat das Stuttgarter
Wissenschaftlerteam um Riede bereits rund Hundert Weltraumobjekte beobachtet und
vermessen. Die Bedingungen auf der Uhlandshöhe waren dabei besser als erhofft.
Zwar beeinträchtigt die nachts hell erleuchtete Innenstadt die Messungen,
allerdings sind die Turbulenzbedingungen wesentlich besser. Das heißt, die
Temperaturunterschiede über dem Talkessel lenken die Lichtstrahlen nicht so
stark ab wie erwartet.
Zusätzlich erhalten die DLR-Forscher fachliche Unterstützung von den
Mitgliedern des Vereins der Schwäbischen Sternwarte, die das Observatorium auf
der Uhlandshöhe ehrenamtlich betreiben und der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Die Sternwarte liegt außerdem nahe am Stuttgarter DLR-Standort im Stadtteil
Vaihingen. So können die Wissenschaftler schnell und flexibel auf die
Wetterbedingungen reagieren und das System in Betrieb nehmen.
In rund zwei Jahren wollen Wolfgang Riede und sein Team dann zum nächsten
Schritt übergehen: "Bisher nutzen wir das Sonnenlicht in der Dämmerungsphase, um
die Weltraumobjekte auszumachen, was wir im Fachjargon passiv-optische Detektion
nennen. Um noch exaktere Messungen vornehmen zu können, wollen wir unsere
Zielobjekte mit Hilfe eines Lasers anstrahlen - natürlich nur im augensicheren
und von den Behörden genehmigten Betrieb", erklärt Riede die weiteren Planungen.
Das Thema Weltraummüll ist für alle Raumfahrtagenturen von immer größerer
Bedeutung: Vom Schrott im All geht nämlich eine steigende Gefahr aus, da selbst
kleinste Schrotteile bei einem Zusammenstoß mit einem Satelliten verheerende
Schäden anrichten können und die Zahl kleiner Müllobjekte jährlich zunimmt.
Technologien, um diese Objekte genau zu verfolgen, tragen so dazu bei, die
Sicherheit der bemannten und unbemannten Raumfahrt zu erhöhen.
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