ESA beauftragt Müllbeseitigung aus Erdorbit
Redaktion
/ Pressemitteilung der ESA astronews.com
2. Dezember 2020
Doppelte Premiere für die europäische Weltraumagentur ESA:
Sie beauftragte ein Schweizer Startup-Unternehmen mit der Beseitigung eines
Stücks Weltraummüll, das bei einem Start 2013 in einer speziellen Umlaufbahn
zurückgelassen wurde. Die Mission ClearSpace-1 soll 2025 starten und
den Weltraummüll gezielt zum Absturz bringen.
So soll es aussehen, wenn die Sonde
ClearSpace-1 das Bauteil Vespa im Erdorbit
einfängt. Bild:
ClearSpace SA [Großansicht] |
Die ESA hat mit einem Industriekonsortium unter Leitung des Schweizer
Startups ClearSpace SA einen Vertrag über 86 Millionen Euro für eine besondere
Dienstleistung unterzeichnet: die erste Entfernung eines Stücks Weltraummüll aus
der Erdumlaufbahn. ClearSpace wird im Jahr 2025 die erste aktive Mission zur
Entfernung von Weltraummüll, ClearSpace-1, starten, um den oberen Teil
eines Vespa (Vega Secondary Payload Adapter), der mit dem europäischen
Vega-Launcher verwendet wurde, einzusammeln und zum Wiedereintritt zu
bringen. Dieses Objekt wurde nach dem zweiten Flug von Vega im Jahr
2013 - den Vorschriften entsprechend - in einer für Müll vorgesehenen
Erdumlaufbahn von ca. 801 km bis 664 km Höhe zurückgelassen.
Für eine derartige Dienstleistung zu zahlen anstelle der direkten Beschaffung
und Durchführung der gesamten Mission ist für die europäische Weltraumagentur
Neuland: Die Beauftragung soll für die ESA ein erster Schritt zur Etablierung
eines neuen kommerziellen Sektors im Weltraum sein. Neben dem teilweisen Erwerb
dieser ersten Mission - ClearSpace selbst wird den Rest der Missionskosten über
kommerzielle Anleger finanzieren - stellt die ESA auch essentielle Technologien
für den Flug zur Verfügung, die als Teil des Projekts ADRIOS (Active Debris
Removal / In-Orbit Servicing) im Rahmen der Clean Space-Initiative der Agentur
entwickelt wurden. Dazu gehören fortschrittliche Leit-, Navigations- und
Steuerungssysteme sowie visionsbasierte AI, also künstliche Intelligenz, die es
dem Chaser-Satelliten ermöglicht, autonom und sicher an das Ziel anzudocken,
sowie Roboterarme zum Einsammeln.
"Denken Sie an alle Objekte, die bislang in der Erdumlaufbahn eingesammelt
wurden; alle diese Zielobjekte haben kooperiert und wurden vollständig
kontrolliert", erklärt ESA-Generaldirektor Jan Wörner. "Bei Weltraummüll ist per
Definition keine solche Kontrolle möglich: Stattdessen treiben die Objekte und
taumeln oft willkürlich. Dieses erste Einsammeln und Entsorgen eines nicht
kooperativen Weltraumobjekts ist daher eine sehr anspruchsvolle Leistung. Da die
Gesamtzahl der Satelliten in den kommenden zehn Jahren schnell zunehmen wird,
sind regelmäßige Beseitigungen erforderlich, um die Trümmerzahlen unter
Kontrolle zu halten und eine Kaskade von Kollisionen zu verhindern, die das
Trümmerproblem noch verschlimmern könnte."
Luc Piguet, Gründer und CEO von ClearSpace ergänzt: "Bei orbitalen
Geschwindigkeiten kann sogar eine Schraube mit einer explosiven Kraft
einschlagen, gegen die Missionsplaner keinen Schutz bieten können. Stattdessen
muss die Bedrohung durch aktive Entfernung von Weltraummüll abgewendet werden.
Unser 'Abschleppwagen'-Design wird zur Verfügung stehen, um aus wichtigen
Umlaufbahnen Trümmer zu entfernen, die sie für zukünftige Missionen unbrauchbar
machen könnten. So werden die steigenden Risiken und Haftbarkeiten für ihre
Eigentümer beseitigt und die Raumfahrtindustrie im Ganzen profitiert. Unser Ziel
ist, kostengünstige und nachhaltige Dienstleistungen im Orbit aufzubauen."
"Der Plan ist, dass diese erste Entfernung ein regelmäßiges Geschäft
begründet, nicht nur für die Beseitigung von Trümmern durch
verantwortungsbewusste Weltraumakteure auf der ganzen Welt, sondern auch für die
Wartung im Orbit", so Luisa Innocenti, Leiterin der ESA Clean Space Office.
"Dieselben Technologien werden auch das Auftanken und die Wartung von Satelliten
im Orbit zur Verlängerung ihrer Betriebszeit ermöglichen. Schließlich stellen
wir uns vor, dass dieser Trend auf die Montage, Herstellung und das Recycling im
Orbit hinausläuft."
Martin Vetterli, Präsident der Eidgenössischen Technischen Hochschule in
Lausanne (EPFL) untestreicht: "Verschmutzung ist nicht nur auf der Erde, sondern
auch im Weltraum eine große Herausforderung. Die EPFL arbeitet seit fast zehn
Jahren an der Entfernung von Trümmern aus dem Orbit. Wir sind sehr stolz, dass
unser Spinoff ClearSpace von der ESA für ihre erste Aufräumaktion beauftragt
wurde".
ClearSpace - ein Spinoff-Unternehmen, das von einem erfahrenen Team von
Weltraummüllforschern der EPFL gegründet wurde - leitet ein Industriekonsortium
von Unternehmen aus mehreren europäischen Ländern. Beiträge werden von
Unternehmen aus der Schweiz, der Tschechischen Republik, Deutschland, Schweden,
Polen, dem Vereinigte Königreich, Portugal und Rumänien kommen. Mit einer Masse
von 112 Kilogramm ist das Vespa-Zielobjekt von ClearSpace-1 in
etwa so groß wie ein Kleinsatellit und aufgrund seiner relativ einfachen Form
und seiner robuster Konstruktion ein geeignetes erstes Ziel, bevor
Folgemissionen größere, kompliziertere Beseitigungen vornehmen und schließlich
auch mehrerer Objekte auf einmal beseitigt werden.
Die ClearSpace-1-Mission wird unter Aufsicht der ESA zunächst für
die Inbetriebnahme und kritische Tests in eine niedrigere Umlaufbahn von 500 km
gebracht, bevor sie zum Einsammeln mit einem Quartett von Roboterarmen in die
Zielumlaufbahn gebracht wird. Die Kombination aus "Weltraumroboter" und Vespa-Ziel
wird dann aus dem Orbit zurückgeholt, um in der Atmosphäre zu verbrennen.
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