Bester Beweis für Mittelklasse-Schwarze-Löcher
von
Stefan Deiters astronews.com
2. April 2020
Die Astronomie kennt vergleichsweise massearme stellare
Schwarze Löcher und gewaltige supermassereiche Schwarze Löcher, die sich in den
Zentren der meisten Galaxien verbergen. Doch gibt es auch eine Mittelklasse?
Daten des Weltraumteleskops Hubble liefern nun neue Hinweise darauf.
Hubble bestätigte ein solches Objekt in einem Sternhaufen.
So könnte ein Schwarzes Loch der Mittelklasse aussehen, das
gerade einen Stern zerreißt.
Bild: ESA / Hubble, M. Kornmesser [Großansicht] |
Stellare Schwarze Löcher sind, so die Theorie, das Ergebnis der
Sternentwicklung eines massereichen Sterns. Sie entstehen nach der
Supernova eines stellaren Giganten und haben in der Regel eine Masse, die zwar
einem Vielfachen der Masse unserer Sonne entspricht, aber noch vergleichsweise
gering ist. Auf der anderen Seiten gibt es nämlich die supermassereichen Schwarzen Löcher,
die sich in den Zentren der meisten Galaxien verbergen. Sie haben die
millionenfache Masse der Sonne oder sind sogar noch massereicher.
Doch gibt es auch Schwarze Löcher der Mittelklasse, die zwischen diesen
beiden Extremen liegen? Die Astronomie sucht danach schon seit einiger Zeit und
konnte bereits einige Kandidaten dafür ausmachen. Das jetzt bestätigte Schwarze
Loch hat eine Masse, die etwa der 50.000-fachen Masse der Sonne entspricht und
befindet sich in einem Sternhaufen.
Die Schwarzen Löcher der Mittelklasse sind nicht leicht zu finden: "Das sind
schwer fassbare Objekte und wir müssen daher für jeden Kandidaten sehr
sorgfältig alle anderen Möglichkeiten ausschließen", so Dacheng Lin von der
University of New Hampshire. "Und genau dies hat uns Hubble für diesen
Kandidaten ermöglicht."
Lin und sein Team haben mit Hubble ein Objekt ins Visier genommen, das zuvor
bereits mit dem Röntgenteleskopen Chandra und XMM-Newton von NASA und ESA
beobachtet worden war. Diese hatten nämlich eigentümliche Röntgenblitze
registriert, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf einen Stern
zurückführten, der einem Schwarzen Loch zu nahe gekommen war und deswegen gerade
zerrissen wird.
Überraschenderweise befand sich das Objekt 3XMM J215022.4−055108 aber
offenbar nicht im Zentrum der Galaxie, wo sich supermassereiche Schwarze Löcher
normalerweise befinden. So kam der Verdacht auf, dass es sich um ein Schwarzes
Loch der Mittelklasse handeln könnte. Um sich dessen sicher zu sein, musste
man allerdings erst ausschließen, dass es sich um einen Neutronenstern in unser
eigenen Milchstraße handelt.
Mit Hubble wurde daher der genaue Bereich am Himmel anvisiert, aus dem die
Röntgenstrahlung beobachtet wurde. Es stellte sich so heraus, dass die Strahlung
nicht von einem isolierten Objekt in unserer Milchstraße kommen konnte, sondern
aus einem entfernten Sternhaufen in den Außenbereichen einer anderen Galaxie
stammt - und damit von einem Ort, an dem man Schwarze Löcher der Mittelklasse
vermuten würde.
Das Team ist der Ansicht, dass es sich bei dem entfernten Sternhaufen um die Reste
einer Zwerggalaxie handeln könnte, die einst mit der größeren Galaxie verschmolzen ist.
Da man schon zuvor festgestellt hatte, dass die Größe der Galaxie in direktem
Zusammenhang mit der Masse ihrer Schwarzen Löcher steht, würde dieses Szenario
zu einem Schwarzen Loch der Mittelklasse passen.
Schwarze Löcher der Mittelklasse sind weniger aktiv als supermassereiche
Schwarze Löcher und deshalb nur zu entdecken, wenn sie zufällig gerade einen
Stern verschlucken. Lin und sein Team haben daher im Datenarchiv von XMM-Newton
nach entsprechenden Signalen gefahndet. Die Röntgenstrahlung des vom Schwarzen
Loch zerrissenen Sterns verrät den Forschenden dann auch etwas über die Masse
des Schwarzen Lochs.
Die Entdeckung von Schwarzen Löchern der Mittelklasse könnte der Astronomie
weitere interessante Hinweise auf so manche unbeantwortete Frage liefern:
Entstehen supermassereiche Schwarze Löcher aus Schwarzen Löchern der
Mittelklasse? Wie entstehen diese Mittelklasse-Schwarze-Löcher selbst und finden
sie sich tatsächlich hauptsächlich in dichten Sternhaufen? Für die Astronominnen
und Astronomen gibt in Sachen Schwarzer Löcher noch jede Menge Arbeit.
Über ihre aktuelle Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der
in den Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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