Faszinierender Fund in NGC 2276
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
16. März 2015
Astronomen haben in einem Spiralarm der Galaxie NGC 2276 ein
Schwarzes Loch entdeckt, dessen Masse zwischen der stellarer Schwarzer Löcher
und der der supermassereichen Objekte in den Zentren von Galaxien liegt. Diese
seltenen Schwarzen Löcher mit mittlerer Masse könnten in der
Entwicklungsgeschichte dieser Objekte eine wichtige Rolle spielen.

Optisches Bild
der Galaxie NGC 2276, aufgenommen mit dem
Hubble-Weltraumteleskop (links) und rechts die
Radiostruktur der in einem Spiralarm der Galaxie
neu gefundenen Quelle NGC 2276-3c. Das aus
Beobachtungen mit den Teleskopen des europäischen
VLBI-Netzwerks (EVN) bei hoher Auflösung erzeugte
Radiobild zeigt Details auf einer Größenskala von
nur wenigen Lichtjahren.
Bild: MPIfR / Mezcua et al. 2015, MNRAS
448, 1893 [Großansicht] |
Der Nachweis eines Schwarzen Lochs inmitten eines Spiralarms der Galaxie NGC
2276 könnte einen wichtigen Hinweis zum Auffüllen einer Lücke in der
Entwicklungsgeschichte von Schwarzen Löchern geliefert haben. Die Entdeckung
gelang einem Forscherteam unter der Leitung von Mar Mezcua vom
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Boston, zu dem auch Andrei
Lobanov vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie gehört.
Durch nahezu gleichzeitige Beobachtungen von Radiostrahlung mit dem
Europäischen VLBI-Netzwerk EVN und von Röntgenstrahlung mit dem Chandra-Weltraumobservatorium
der NASA wurde das Objekt mit dem Namen NGC 2276-3c identifiziert. Die
Kombination von Radio- und Röntgenmessungen ermöglichte den Wissenschaftlern die
Bestimmung der Masse des Schwarzen Lochs: Es ist offenbar etwa 50.000-mal
massereicher als die Sonne.
Mit dieser Masse füllt es eine Lücke zwischen stellaren Schwarzen Löchern in
unserer Milchstraße und den supermassereichen Schwarzen Löchern in den Zentren
der meisten großen Galaxien. Derartige Schwarze Löcher von mittlerer Masse
bilden vermutlich die Saatkörner für die Entstehung von supermassereichen
Schwarzen Löchern.
Die neu gefundene Quelle liegt in einem Spiralarm der Galaxie NGC 2276 in
einer Entfernung von rund 100 Millionen Lichtjahren. Diese Galaxie befindet sich
in Richtung des Sternbilds Kepheus, nicht weit vom Himmelsnordpol entfernt. Die
Entdeckung könnte Antworten liefern auf einige seit langem bestehende Fragen zur
Entwicklung von Schwarzen Löchern und ihrem Einfluss auf die jeweilige Umgebung.
"In der Paläontologie hilft die Entdeckung bestimmter Fossilien dabei, Lücken
im Stammbaum der Dinosaurier zu füllen", erläutert Mezcua. "Wir tun dasselbe in
der Astronomie, aber mit dem Unterschied, dass unsere Ausgrabungen in vielen
Billionen Kilometern Entfernung erfolgen."
Seit vielen Jahren gibt es überzeugende Hinweise auf die Existenz von
Schwarzen Löchern mit Massen von nur einigen Sonnenmassen, die sogenannten
stellaren Schwarzen Löcher. Darüber hinaus gibt es eine Menge von Informationen
über sogenannte supermassereiche Schwarze Löcher in den Zentren von vielen
Galaxien, deren Masse die der Sonne um das Millionen- oder sogar Milliardenfache
übersteigt.
Die Schwarzen Löcher von mittlerer Masse bilden eine Gruppe von
Schwarzen Löchern, die von ihrer Masse her zwischen den beiden anderen gängigen
Gruppen von Schwarzen Löchern liegen. Für sie gibt es bislang weitaus weniger
Hinweise und ihre Bedeutung liegt darin, dass sie mögliche "Saatkörner" für die
Entstehung von supermassereichen Schwarzen Löchern im frühen Universum
darstellen.
Das jetzt entdeckte Objekt in der Galaxie NGC 2276 wäre erst das zweite
Schwarze Loch dieser Art, das außerhalb des Zentrums einer Galaxie nachgewiesen
werden konnte. "Die Astronomen haben sehr intensiv nach diesen Schwarzen Löchern
mittlerer Masse geforscht", erklärt Timothy Roberts von der Universität Durham
in Großbritannien. "Es gab schon vorher Hinweise darauf, aber diese Objekte
verhalten sich wie ein lange verschollener Verwandter, der kein Interesse daran
zeigt, entdeckt zu werden."
Um mehr über dieses Objekt zu erfahren, haben die Forscher NGC 2276 nahezu
gleichzeitig sowohl in Radiowellenlängen mit den europäischen EVN-Teleskopen,
darunter das 100-Meter-Radioteleskops Effelsberg, als auch in Röntgenwellenlängen mit
Chandra beobachtet. Beide Teleskopsysteme haben dabei entscheidende
sowie einander ergänzende Informationen beigetragen. Darüber hinaus konnte erst
über die Verbindung beider Datensätze eine genaue Bestimmung der Masse des
Schwarzen Lochs erfolgen.
"Diese Quelle weist Wesenszüge sowohl von stellaren als auch von
supermassereichen Schwarzen Löchern auf", erklärt Lobanov. "Mit anderen Worten
gesagt, hilft es dabei, die gesamte Familie von Schwarzen Löchern miteinander zu
verbinden." Zusätzlich zu der Masse und der Lage innerhalb der Galaxie gibt es
noch weitere interessante Eigenschaften der neu gefundenen Quelle in der Galaxie
NGC 2276. Das Schwarze Loch weist einen energiereichen Jet auf, der sich bis in
eine Entfernung von 2.000 Lichtjahren erstreckt. Eine Region mit fast 1000
Lichtjahren Ausdehnung in der Nachbarschaft des Jets scheint nahezu frei von
jungen Sternen. Das deutet darauf hin, dass der Jet einen Hohlraum im Gas
erzeugt hat, in dem die Entstehung von neuen Sternen unterdrückt wurde.
Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, wie solche Schwarzen Löcher ihre
Umgebung beeinflussen. Die Entdeckung des Jets zeigt vielleicht auch, dass die
Vorgänger von Schwarzen Löchern im frühen Universum einen starken Einfluss auf
ihre Umgebung ausübten. "Es bleibt eine interessante offene Frage", so Mezcua
abschließend. "Wir wollen herausfinden, ob dieses Schwarze Loch mittlerer Masse
in NGC 2276 innerhalb der Galaxie entstanden ist, oder ob es durch die
Verschmelzung mit einer Zwerggalaxie in der Vergangenheit erzeugt wurde."
Über ihre Beobachtungen berichteten die Astronomen unlängst in einem Fachartikel,
der in der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erschienen ist.
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