Zwei mittlere Schwarze Löcher in M82?
von Stefan Deiters astronews.com
30. April 2010
In der nahegelegenen Galaxie M82 könnten Astronomen auf
zwei mittelgroße Schwarze Löcher gestoßen sein. Die beiden
Schwerkraftfallen befinden sich in der Nähe des Zentrums von M82. Es könnte sich
dabei um übrig gebliebene Grundbausteine für die supermassereichen Schwarze Löcher handeln, die sich
in den Zentren der meisten Galaxien befinden.
M82 und die beiden entdeckten Schwarzen
Löcher (die hellsten Punkte im kleinen Bild oben rechts).
Im Bild unten sind die Schwarzen Löcher noch
einmal markiert. Das Zentrum der Galaxie ist mit
einem Kreuz gekennzeichnet.
Bild: NASA / CXC / Tsinghua Univ. /
H. Feng et al. (kleines Bild); NASA / CXC /
JHU / D. Strickland (Röntgen, Gesamtansicht);
NASA / ESA / STScI / AURA / The Hubble Heritage
Team (optisch); NASA / JPL-Caltech / Univ.
of AZ / C. Engelbracht (Infrarot) [Großansicht]
|
Seit Jahrzehnten unterscheiden Astronomen zwei Klassen von
Schwarzen Löchern: Stellare Schwarze Löcher, die eine Masse von vielleicht der
zehnfachen Masse unserer Sonne haben und durch den Kollaps eines massereichen
Sterns entstehen, und supermassereiche Schwarze Löcher, die sich in den Zentren
der meisten Galaxien befinden. Sie haben die millionen- bis milliardenfache
Masse unserer Sonne.
Eine Frage aber beschäftigt die Wissenschaftler seit langem: Gibt es auch
Schwarze Löcher, deren Masse zwischen der der supermassereichen und der
stellaren Schwarzen Löcher liegt? Hinweise darauf hat man immer wieder gefunden,
genauso wie Indizien, dass es sie doch nicht gibt (astronews.com berichtete
wiederholt). Vor allem war es nie gelungen, Spuren von mehr als einem Schwarzen
Loch dieser Mittelklasse in einer Galaxie zu finden.
Jetzt ist Astronomen mit Hilfe der Röntgenteleskope Chandra und
XMM-Newton aber genau dies geglückt: Sie fanden in der zwölf Millionen
Lichtjahre entfernten Galaxie M82 Hinweis auf zwei solche Schwarze Löcher
mittlerer Masse. "Das ist das erste Mal, dass wir gute Beweise für zwei Schwarze
Löcher mittlerer Masse in einer Galaxien gefunden haben", erläutert Hua Feng von
der Tsinghua University. "Ihre Position in der Nähe des Zentrums der Galaxie
könnte einen Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der größten Schwarzen Löcher
im Universum liefern, nämlich von supermassereichen Schwarzen Löchern, wie sie
sich in den Zentren der meisten Galaxien finden."
Ein mögliches Szenario für die Entstehung der supermassereichen Schwarzen
Löcher setzt eine Kettenreaktion von Sternenkollisionen in kompakten Sternhaufen
voraus, durch die ein extrem massereicher Stern entsteht, der dann zu einem
Schwarzen Loch mittlerer Masse kollabiert. Diese Sternhaufen wandern dann
langsam zum Zentrum der Galaxie, wo die mittleren Schwarzen Löcher schließlich
verschmelzen und sich ein supermassereiches Schwarzes Loch bildet. Sternhaufen,
die nicht massereich genug sind oder sich zu weit vom Zentrum entfernt befinden,
würden in diesem Bild überleben - und damit auch die mittleren Schwarzen Löcher in ihnen.
"Wir können natürlich nicht sagen, ob es sich tatsächlich so in M82
abgespielt hat, aber wir wissen, dass beide entdeckten Schwarzen Löcher sich in
oder in der Nähe eines Sternhaufens befinden", erläutert Phil Kaaret von der
University of Iowa. "Außerdem ist M82 der der Erde am nächsten gelegene Ort, der mit
dem jungen Universum vergleichbar ist, weil dort gerade sehr viele Sterne
entstehen." M82 ist eine sogenannte Starburst-Galaxie. In ihr entstehen mit
einer deutlich höheren Rate
Sterne als etwa in unserer Milchstraße.
Den beiden "überlebenden" Schwarzen Löchern sind die Astronomen durch Analyse
der Röntgenstrahlung der Objekte auf die Spur gekommen. Die Daten von Chandra
und XMM-Newton für eines der Objekte zeigt, dass dessen Röntgenemission sich auf
charakteristische Weise verändert, wie man dies auch von stellaren Schwarzen
Löchern in der Milchstraße kennt. Mit diesen Informationen und theoretischen
Modellen folgerten die Astronomen, dass die Masse des Schwarzen Lochs zwischen
12.000 und 43.000 Sonnenmassen betragen muss.
Das Schwarze Loch befindet sich in einer projizierten Entfernung von 290 Lichtjahren
vom Zentrum von M82. Wäre es hier zusammen mit der Galaxie entstanden und hätte
es eine Masse von mehr als rund 30.000 Sonnenmassen, müsste es nach Ansicht der
Astronomen längst vom supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum verschluckt
worden sein. Daher könnte es sich sehr wohl um ein "überlebendes" Schwarzes Loch
handeln.
Das zweite Schwarze Loch hat eine projizierte Entfernung von rund 600
Lichtjahren von Zentrum. Auch dieses Schwarze Loch konnten die Astronomen mit
beiden Weltraum-Röntgenteleskopen beobachten. Aus der Analyse der
Röntgenstrahlung des Schwarzen Lochs schätzen sie dessen Masse auf 200 bis 800
Sonnenmassen. Dieser Wert würde gut in die theoretischen Modelle für Schwarze
Löcher passen, die infolge wiederholter Kollisionen von Sternen in einem
Sternhaufen entstehen.
"Dieses Ergebnis gehört mit zu den bislang besten Beweisen für die Existenz
von mittleren Schwarzen Löchern", so Feng. "Es sieht genau so aus wie
die gut untersuchten stellaren Schwarzen Löcher, ist aber über 20-mal
massereicher." Über ihre Ergebnisse berichten die Astronomen in zwei Fachartikeln,
die in der Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen sind.
|