Nachgebildeter Komet im Labor
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
16. März 2020
Stickstoff gilt als einer der Grundbausteine des
Lebens. Nun ist es einem internationalen Team gelungen, stickstoffhaltiges
Ammoniumsalz auf der Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
nachzuweisen. Dazu wurde im Labor eine Kometenoberfläche nachgebildet, um so die
Daten zu reproduzieren, die die ESA-Sonde Rosetta bei 67P gemessen hatte.
Gas und Staub steigen von der Oberfläche von
67P/Churyumov-Gerasimenko auf, während sich der
Komet dem sonnennächsten Punkt auf seiner
Umlaufbahn nähert.
Bild: ESA / Rosetta / NAVCAM [Großansicht] |
Kometen und Asteroiden sind Objekte in unserem Sonnensystem, die sich seit
der Entstehung der Planeten nur wenig entwickelt haben. So sind sie in gewisser
Weise die Archive des Sonnensystems, und die Bestimmung ihrer Zusammensetzung
könnte auch zu einem besseren Verständnis der Entstehung der Planeten beitragen.
Eine Möglichkeit, die Zusammensetzung von Asteroiden und Kometen zu
bestimmen, ist, das von ihnen reflektierte Sonnenlicht zu untersuchen, da die
Materialien auf ihrer Oberfläche das Sonnenlicht mit bestimmten Wellenlängen
absorbieren. Man spricht vom Spektrum eines Kometen, das bestimmte
Absorptionsmerkmale aufweist.
Von August 2014 bis Mai 2015 hatte der Spektrometer VIRTIS (Visible, InfraRed
and Thermal Imaging Spectrometer) an Bord der Raumsonde Rosetta der
europäischen Weltraumagentur ESA die Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
kartiert. Die von VIRTIS gesammelten Daten zeigten, dass die Kometenoberfläche
in Bezug auf die Zusammensetzung fast überall einheitlich ist: Die Oberfläche
ist sehr dunkel und rötlich gefärbt, bedingt durch komplexe, kohlenstoffhaltige
Verbindungen und undurchsichtige Mineralien. Jedoch war die genaue Art der
Verbindungen, die für die gemessenen Absorptionsmerkmale von 67P verantwortlich
sind, bis anhin nur schwer zu bestimmen.
Um festzustellen, welche Verbindungen für die Absorptionsmerkmale
verantwortlich sind, haben die Forschenden um Olivier Poch vom Institut für
Planetologie und Astrophysik der Université Grenoble Alpes Laborexperimente
durchgeführt, in denen sie Kometen nachbildeten und Bedingungen wie im Weltraum
simulierten. Poch hatte die Methode gemeinsam mit Berner Forschenden entwickelt,
als er noch am Physikalischen Institut der Universität Bern tätig war.
Die Forschenden testeten verschiedene infrage kommende Verbindungen auf den
nachgebildeten Kometen und maßen deren Spektren, genauso wie das Instrument
VIRTIS es an Bord von Rosetta mit der Oberfläche von 67P getan hatte.
Die Experimente zeigten, dass für das bestimmte Spektrum von 67P Ammoniumsalze
verantwortlich sind. "Während Olivier Poch an der Universität Bern arbeitete,
haben wir gemeinsam Methoden und Vorgehen entwickelt, um Nachbildungen von
Oberflächen von Kometenkernen herzustellen", erläutert Antoine Pommerol vom
Physikalischen Institut der Universität Bern.
Unter simulierten Weltraumbedingungen seien die nachgebildeten
Kometenoberflächen verändert worden, indem das Eis auf diesen Oberflächen
sublimiert worden sei. "Diese realistischen Laborsimulationen ermöglichen es
uns, Laborergebnisse und Daten zu vergleichen, die von den Instrumenten auf
Rosetta oder anderen Kometenmissionen aufgezeichnet wurden. Die neue Studie
baut genau auf diesen Methoden auf, um das stärkste spektrale Merkmal zu
erklären, welches das VIRTIS Spektrometer bei 67P beobachtet hat", so Pommerol
weiter.
"Unser Labor in Bern bietet ideale Möglichkeiten, um mit Experimenten Ideen
und Theorien zu testen, die aufgrund von Daten formuliert worden sind, die
Instrumente auf Weltraummissionen gesammelt haben", ergänzt Nicolas Thomas,
Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Bern. "So kann
sichergestellt werden, dass die Interpretationen der Daten wirklich plausibel
sind."
Die Ergebnisse decken sich mit denjenigen des Berner Massenspektrometers
ROSINA, das ebenfalls an Bord von Rosetta Daten zu 67P gesammelt hatte.
Eine zu Jahresbeginn publizierte Studie unter der Leitung der Berner
Astrophysikerin Kathrin Altwegg hatte erstmals Stickstoff, einen der
Grundbausteine des Lebens, bei einem Kometen nachgewiesen (astronews.com
berichtete). Dieser hatte sich in der nebulösen Hülle von Chury in Form von
Ammoniumsalzen "versteckt", deren Vorkommen man bisher nicht messen konnte.
Obwohl die genaue Salzmenge anhand der vorhandenen Daten nach wie vor schwer
abzuschätzen ist, ist es wahrscheinlich, dass diese Ammoniumsalze den größten
Teil des im Kometen 67P vorhandenen Stickstoffs enthalten. Die Ergebnisse tragen
gemäß den Forschenden auch dazu bei, die Entwicklung von Stickstoff im
interstellaren Raum und seiner Rolle in der präbiotischen Chemie besser zu
verstehen.
Über ihre berichtete das Team in einem Fachartikel in der
Zeitschrift Science.
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