Trockeneis auf der Oberfläche
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
18. November 2016
Die Mission der Kometensonde Rosetta ist seit
mehreren Wochen beendet, die Auswertung der Daten wird hingegen noch Jahre
andauern. So gibt es auch immer wieder überraschende Ergebnisse über den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko.
Jetzt entdeckten Wissenschaftler etwa, dass auf der Oberfläche von 67P
kurzzeitig Trockeneis existieren kann.
Mit dem Spektrometer VIRTIS, einem von elf
Experimenten an Bord des Rosetta-Orbiters, konnte
im Gebiet Anhur die Existenz von Kohlendioxid-Eis
auf der Kometenoberfläche nachgewiesen werden.
Die Stellen mit Trockeneis waren auf einer Fläche
von etwa 80 mal 60 Metern Ausdehnung
verteilt. Rechts der Bildmitte ist die markante
Ebene Imhotep mit ihrer auffallend glatten
Oberfläche zu sehen.
Bild: ESA / Rosetta / Navcam [Großansicht] |
Ende September dieses Jahres kam die Rosetta-Mission mit dem
spektakulären Aufsetzen ihres Orbiters auf der Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gersimenko
zum Ende ihrer Beobachtungsphase. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie nach 4595
Tagen im All 7,9 Milliarden Kilometer zurückgelegt, sechs Vorbeiflüge an der
Erde, am Mars und zwei Asteroiden absolviert und in einer mehr als zweijährigen
Kampagne den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko auf seiner Reise durchs
Sonnensystem begleitet und mit elf wissenschaftlichen Experimenten sowie mit
einem 2014 bereits gelandeten Roboter Philae untersucht.
Jetzt wurde ein neues, durchaus überraschendes Ergebnis veröffentlicht, das auf
Daten des Spektrometers VIRTIS (Visible and Infrared Imaging Spectrometer)
basiert: Das Instrument registrierte kurzzeitig erscheinendes Trockeneis, also
Kohlendioxid-Eis, in bestimmten Oberflächenbereichen des Kometen und die
anschließende Entstehung zweier ungewöhnlich großer Wassereisaufschlüsse.
"Erstmals konnte Kohlendioxid-Eis anhand von eindeutigen spektralen
Eigenschaften innerhalb eines größeren Fleckens von etwa 80 mal 60 Metern im
Gebiet Anhur auf der Oberfläche eines Kometen nachgewiesen werden", berichtet
DLR-Planetenforscherin Gabriele Arnold, die die Arbeiten von VIRTIS in
Deutschland koordiniert. Diese Beobachtung erfolgte an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Ende März 2015, als der Komet nahe an der Sonne und sehr aktiv
war.
Zu dieser Zeit wurde die südliche Hemisphäre des Kometen beleuchtet, die in der
Anfangsphase der Beobachtungskampagne wegen der kometaren Jahreszeit im Dunklen
lag. Die Messungen zeigen, dass der beobachtete Fleck aus einer Mischung weniger
Prozente an Trockeneis mit dem allgegenwärtigen dunklen organischen
Krustenmaterial nicht flüchtiger Materialkomponenten besteht.
"Obwohl dieses Trockeneis eine häufige Komponente des Kometeninneren ist, wurde
es bisher nicht auf einer Kometenoberfläche gefunden", erläutert Arnold.
"Verantwortlich hierfür ist seine geringe Verdampfungstemperatur, die deutlich
unter der des Wassereises liegt und dazu führt, dass es nach seinem Aufschluss
unmittelbar sublimiert, also verdampft".
Eine Untersuchung des gleichen Gebietes nach drei Wochen ergab deshalb auch das
vollständige Verschwinden des Trockeneises. Modellrechnungen zeigen, dass der
entdeckte Bereich mit der Trockeneis-Schicht bei einer Dicke von etwa neun
Zentimetern 57 Kilogramm Kohlendioxid enthalten haben musste. Nach dem
Verschwinden des Trockeneises beobachtete die OSIRIS-Kamera an Bord von
Rosetta anhand stärkerer Blau-Anteile des rückgestreuten Lichts im April
2015 dort zwei große Flecken mit Wassereis, wo zuvor das Kohlendioxid verdampft
war. Dieses Wassereis stammte wahrscheinlich aus Schichten, die unterhalb des
Trockeneises gelagert waren.
"Es ist möglich, dass dieses Vorkommen aus dem letzten Periheldurchgang des
Kometen im Jahre 2009 stammt", vermutet Arnold. "Es wäre dann eine Ablagerung
des verdampften Trockeneises, das damals auf der Oberfläche kondensierte und
dort in der anbrechenden dunklen Jahreszeit der südlichen Hemisphäre und mit
wachsender Entfernung des Kometen zur Sonne eingefroren wurde." Damit erschließt
sich ein saisonaler Zyklus für das Kohlendioxid, der der Umlaufperiode des
Kometen von 6,5 Jahren entspricht, während der oberflächige Wassereis-Zyklus
eher tageszeitlichen Schwankungen unterliegt.
Insgesamt wurden während der Rosetta-Mission etwa 220 GB
wissenschaftliche Daten zur Erde gefunkt, deren komplexe Analyse weiterhin in
vollem Gange ist und die künftig das Verständnis zur Herkunft, Natur,
Beschaffenheit und der Rolle von Kometen im frühen Sonnensystem entscheidend
verbessen werden. Prozesse der kometaren Aktivität und der Dynamik geben dabei
wichtige Informationen über das Kometeninnere und damit über die Entwicklung und
Herkunft dieser kleinen Körper, die zu den ältesten Objekten aus dem frühen
Sonnensystem zählen, preis.
"Die variablen und dynamischen Eismerkmale auf der Oberfläche des Kometen zum
Beispiel sind Ausdruck der komplexen kometaren Aktivität. Sie werden weitere
Untersuchungen zur Herkunft und Geschichte des Kometen 67P erschließen", so
Arnold abschließend.
Über ihre Untersuchungen berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Science erschienen ist.
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