Lebensbausteine in Rosetta-Komet
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
3. Juni 2016
Mithilfe des Massenspektrometers ROSINA an Bord der
europäischen Kometensonde Rosetta konnten Wissenschaftler erstmals Glyzin in der
Gas- und Staubwolke um den Kometen nachweisen. Glyzin ist die einfachste aller
Aminosäuren. Die Entdeckung unterstützt die
These, dass Kometen bei der Entstehung des Lebens auf der Erde eine wichtige
Rolle gespielt haben könnten.
Der Komet 67P/Churyumov–Gerasimenko am 25.
März 2016 aus einer Entfernung von 86,6 Kilometer
vom Kometenzentrum.
Bild: ESA / Rosetta / NavCam [Großansicht] |
Seit langem wird die Möglichkeit diskutiert, dass Wasser und organische
Moleküle durch Kometen auf die frühe Erde gebracht wurden. Mittlerweile ist dank
des Massenspektrometers ROSINA an Bord der ESA-Raumsonde Rosetta bekannt, dass
Kometen beim Entstehen des irdischen Wassers eine weniger große Rolle spielten
als angenommen. Ob sie hingegen organische Moleküle auf die Erde brachten und
damit zur Entstehung des Lebens beitrugen, konnte bisher nicht geklärt werden.
Unter den über 140 verschiedenen Molekülen, die im interstellaren Medium –
der Materie im Raum zwischen den Sternen – bereits identifiziert werden konnten,
befanden sich keine Aminosäuren. Einzig in Staubproben des Kometen Wild-2,
welche die Stardust-Mission der NASA zurückbrachte, fanden sich Spuren
von Glyzin, der einfachsten aller Aminosäuren. Wegen verunreinigter Proben
konnte allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um irdische
Aminosäure handelte.
Nun konnte ROSINA erstmals Glyzin direkt in der Gas- und Staubwolke des
Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko nachweisen. Entdeckt wurde das Glyzin bereits
im Oktober 2014. Am häufigsten gemessen wurde es kurz vor dem Perihel, dem
sonnennächsten Punkt der Umlaufbahn des Kometen – zu der Zeit, als seine
Ausgasung am stärksten war. "Dies ist der erste direkte Nachweis von Aminosäuren
in der dünnen Atmosphäre eines Kometen", freut sich Prof. Kathrin Altwegg vom
Center for Space and Habitability der Universität Bern, Projektleiterin
des Massenspektrometers ROSINA.
Glyzin ist schwierig zu entdecken, da es nicht flüchtig ist. Es verdampft
erst bei 150 Grad Celsius, was bedeutet, dass nur wenig davon als Gas direkt von
der eisig kalten Kometenoberfläche verdampfen kann. Die gemessenen Spuren von
Glyzin korrelieren stark mit Staubspuren, woraus die Wissenschaftler schließen,
dass es hauptsächlich in der Gas- und Staubwolke um den Kometen herum
freigesetzt wird.
"Es scheint, als ob das Glyzin vom Eismantel von Staubkörnern verdampft, die
im Sonnenlicht relativ heiß werden können", vermutet Altwegg. Zusammen mit
Glyzin wurden auch die organischen Moleküle Methylamin und Ethylamin gefunden.
Dies sind Vorläufer-Substanzen, die es braucht, um die Aminosäure im Eis zu
bilden. Glyzin ist die einzige Aminosäure, die sich ohne flüssiges Wasser bilden
kann. "Das gleichzeitige Vorhandensein von Methylamin und Ethylamin sowie die
Korrelation zwischen Glyzin und Staub stützen die Vermutung, dass das Glyzin im
Eismantel um Staubkörner konserviert war", so Altwegg.
ROSINA hat neben Aminosäure auch Phosphor entdeckt – zum ersten Mal in einem
Kometen. Dieses Element ist das "Rückgrat" der Nukleinsäuren DNA und RNA und ein
Schlüsselelement in allen lebenden Organismen. "Die Entdeckung von Aminosäure
und Phosphor, sowie weitere organische Moleküle, die bereits vorher von ROSINA
gemessen wurden, bestätigen die These, dass Kometen am Ursprung des irdischen
Lebens beteiligt waren", sagt Matt Taylor, Rosetta-Projektwissenschaftler der
europäischen Weltraumagentur ESA. "Wir freuen uns über diese Resultate. Der
Nachweis, dass Kometen ein Reservoir von ursprünglichem Material im Sonnensystem
und ein Transportmittel von lebenswichtigen Bestandteilen auf die Erde sind, ist
eines der Hauptziele der Rosetta-Mission."
Über ihre Untersuchungen berichteten die Wissenschaftler Ende Mai in der
Zeitschrift Science Advances.
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