Entstanden Sterne direkt nach dem Urknall?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
1. November 2019
Astronominnen und Astronomen haben eine Gaswolke entdeckt,
die nur 850 Millionen Jahre nach dem Urknall existiert hat. Sie wurde zufällig
bei der Beobachtung eines entfernten Quasars aufgespürt. Eine genauere Analyse
der chemischen Zusammensetzung der Wolke lieferte dann Hinweise darauf, dass
sich die ersten Sterne nur kurze Zeit nach dem Urknall gebildet haben müssen.

Astronomen haben eine urtümliche Gaswolke in der
Nähe eines der entferntesten bekannten Quasare
gefunden. Die Wolke absorbiert Licht des
Hintergrundquasars, und dies in einer Weise, die
Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung
der Wolke zulässt. Bild:
MPIA-Grafikabteilung [Großansicht] |
Wenn Astronominnen und Astronomen ferne Himmelsobjekte beobachten, dann
blicken sie zwangsläufig in die Vergangenheit zurück. Ein Team unter der Leitung
von Eduardo Bañados vom Max-Planck-Institut für Astronomie hat nun eine
Gaswolke entdeckt, die so weit entfernt ist, dass ihr Licht fast 13 Milliarden
Jahre gebraucht hat, um uns zu erreichen. Dementsprechend zeigt uns das Licht,
das uns jetzt erreicht, wie die Gaswolke vor fast 13 Milliarden Jahren aussah -
und damit nicht mehr als etwa 850 Millionen Jahre nach dem Urknall.
Für die Forschung ist jene Zeit besonders interessant, da sich innerhalb der
ersten mehreren hundert Millionen Jahre nach dem Urknall die ersten Sterne und
Galaxien bildeten. Die Details dieser frühen Entwicklung sind noch weitgehend
unbekannt. Die Entdeckung der außergewöhnlichen Gaswolke verdankt das Team einem
Zufall. Bañados, damals an der Carnegie Institution for Science, und
seine Kolleginnen und Kollegen waren dabei, eine Gruppe von Quasaren genauer zu
untersuchen. Jene Gruppe von 15 fernen Quasare hatte Ko-Autorin Chiara
Mazzucchelli für ihre Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie
zusammengestellt und dazu die entferntesten bekannten Vertreter der Gattung
versammelt.
Zuerst stellten die Forscher nur fest, dass der Quasar mit der
Katalogbezeichnung P183+05 ein eher ungewöhnliches Spektrum aufwies. Aber als
Bañados dann eine detailreichere Aufnahme eines Spektrums analysierte, die er
mit einem der Magellan-Teleskope am Las-Campanas-Observatorium in Chile
angefertigt hatte, erkannte er, worum es sich eigentlich handelte: Das
Ungewöhnliche in dem Spektrum waren die Spuren einer Gaswolke, die sehr nahe an
dem entfernten Quasar lag – eine der entferntesten Gaswolken, die Astronomen
bisher haben identifizieren können.
Quasare sind die extrem hellen aktiven Kerne entfernter Galaxien.
Verantwortlich für ihre große Leuchtkraft ist das zentrale supermassereiche
Schwarze Loch der Galaxie. Materie, die um dieses Schwarze Loch kreist (bevor
sie dann hineinfällt), erwärmt sich dabei auf Temperaturen von Hunderttausenden
von Grad und sendet deswegen enorme Mengen an Strahlung aus.
Die große Helligkeit ermöglicht es, Quasare als Hintergrund-Lichtquellen zu
nutzen, um Wasserstoff und andere chemische Elemente "in Absorption" zu
beobachten: Befindet sich eine Gaswolke direkt zwischen dem Beobachter und einem
entfernten Quasar, absorbiert sie einen Teil des Quasar-Lichts und lässt sich
auf diese Weise nachweisen. Man untersucht zu diesem Zweck das Spektrum des
Quasars, also die regenbogenartige Zerlegung des Lichts in die verschiedenen
Wellenlängenbereiche. Die Stärke der Absorption bei unterschiedlichen
Wellenlängen liefert Informationen über die chemische Zusammensetzung,
Temperatur, Dichte und sogar über die Entfernung der Gaswolke von uns (sowie
ihre Entfernung vom Quasar).
Verantwortlich dafür ist der Umstand, dass jedes chemische Element einen
"Fingerabdruck" von Spektrallinien hat – jede Linie ein enger
Wellenlängenbereich, in dem die Atome dieses Elements Licht besonders gut
emittieren oder absorbieren können. Das Vorhandensein eines charakteristischen
Fingerabdrucks zeigt das Vorhandensein eines bestimmten chemischen Elements an
und lässt sogar Rückschlüsse darauf zu, eine wie große Menge des Elements in der
Wolke vorhanden ist.
Aus dem Spektrum der neu entdeckten Gaswolke konnten die Forscher sofort
erkennen, wie weit die Wolke von uns entfernt ist – und das sie in diesem Falle
in die erste Milliarde Jahre kosmischer Geschichte zurückblickten. Sie fanden
auch Spuren von mehreren chemischen Elementen wie Kohlenstoff, Sauerstoff, Eisen
und Magnesium. Die Menge dieser Elemente war jedoch winzig und entsprach nur
rund einem Achthundertstel der Häufigkeit jener Elemente in der Atmosphäre
unserer Sonne.
In der Astronomie werden alle Elemente schwerer als Helium unter den
Sammelbegriff "Metalle" zusammengefasst; die Messung macht die Gaswolke zu einem
der metallärmsten (und entferntesten) Himmelsobjekte, das wir kennen. "Nachdem
wir überzeugt waren, dass wir nur 850 Millionen Jahre nach dem Urknall auf
urtümliches Gas gestoßen waren, haben wir uns gefragt, ob dieses System
vielleicht sogar die chemischen Fingerabdrücke der allerersten Generation von
Sternen enthält," erinnert sich Michael Rauch von der Carnegie Institution of
Science, Mitautor der neuen Studie.
Die Suche nach diesen Sternen der ersten Generation, die zur
sogenannten "Population III" gehören, ist eine der wichtigsten Aufgaben die es
zu lösen gilt um herauszufinden, was im frühen Universum geschah. Im späteren
Universum spielen chemische Elemente, die schwerer als Wasserstoff sind, eine
wichtige Rolle, wenn es darum geht, Gaswolken zu Sternen kollabieren zu lassen.
Aber diese chemischen Elemente, insbesondere Kohlenstoff, werden ihrerseits erst
in Sternen produziert und in Supernova-Explosionen ins All geschleudert. Für die
ersten Sterne stand noch kein Kohlenstoff als Kollaps-Beschleuniger zur
Verfügung, denn direkt nach der Urknallphase gab es nur Wasserstoff- und
Heliumatome. Das macht die ersten Sterne grundlegend anders als alle späteren
Sterne.
Die Analyse des Spektrums der Wolke zeigte, dass deren chemische
Zusammensetzung alles andere als urtümlich war, sondern erstaunlich genau den
relativen Häufigkeiten der Elemente entsprach, wie man sie in den heutigen
intergalaktischen Gaswolken findet. Das stellt für die Modelle der Entstehung
der ersten Sterne eine beachtliche Herausforderung dar. Insbesondere muss die
Entstehung der ersten Sterne diesen Ergebnissen nach bereits deutlich früher
begonnen haben als zu jener Zeit, zu der wir die Gaswolke beobachten. Es musste
nämlich seit Beginn der ersten Sternentstehung genügend Zeit vergangen sein,
dass sich das heutige Gleichgewicht einstellen konnte – und die Spuren der
frühen Sternchemie von den nachfolgenden Sternexplosionen mindestens einer
weiteren Generation von Sternen überlagert werden konnten.
Besonders wichtig ist dabei die Rolle der sogenannten Supernovae vom Typ Ia.
Solche Supernovae finden rund eine Milliarde Jahre nach der Entstehung der
beteiligten Sterne statt. Das schiebt die Entstehung jener Sterne weit in die
Vergangenheit, in die Zeit direkt nach dem Urknall. Nachdem das Team diese eine
sehr frühe Wolke gefunden haben, suchen sie systematisch nach weiteren
Exemplaren. "Es ist spannend, dass wir die Metallizität und die
Elementhäufigkeiten so früh in der Geschichte des Universums messen können. Aber
wenn wir die Spuren der allerersten Sterne identifizieren wollen, müssen wir
noch weiter in die Vergangenheit vordringen. Ich bin optimistisch, dass wir noch
weiter entfernte Gaswolken finden werden, die uns helfen können zu verstehen,
wie die ersten Sterne geboren wurden," so einer der beteiligten Astronomen.
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astrophysical Journal erschienen ist.
|