Waren die ersten Sterne dunkel?
von Stefan Deiters astronews.com
3. Dezember 2007
Die ersten Sonnen, die vor fast 13 Milliarden Jahren im
Universum entstanden sind, könnten gewaltige dunkle Sterne gewesen sein, die
nicht leuchteten, sondern durch die Auslöschung von Dunkelmaterie-Partikeln am
Leben gehalten wurden. Astronomen der University of Utah haben diese
These jetzt in einem Artikel aufgestellt, der in der renommierten
Fachzeitschrift Physical Review Letters erscheinen soll.
So könnte ein Dunkler Stern im Infraroten
aussehen.
Bild: The University of Utah |
Die Ergebnisse, so ist sich Astrophysiker Paolo Gondolo von der University
of Utah sicher, "werden das theoretische
Gebäude über die Entstehung der ersten Sterne dramatisch verändern". Es sei
sogar möglich, dass solche riesigen dunklen Sterne heute noch existieren. Und
obwohl sie nicht leuchten, könnte man sie eventuell aufspüren: Sie sollten wie
eine kalte Wolke aus molekularem Wasserstoff aussehen, doch im Gegensatz zu
einer "normalen" Wolke, Gammastrahlen, Neutrinos und Antimaterie aussenden.
"Ohne detaillierte Simulationen können wir kaum etwas über solche dunkle Sterne
sagen. Sie könnten nur Monate existieren oder 600 Millionen Jahre oder
vielleicht viele Milliarden Jahre und noch immer vorhanden sein. Wir müssen sie
einfach suchen", so Gondolo, der die Ergebnisse der Arbeit zusammen mit
Kollegen in einer kommenden Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift
Physical Review Letters vorstellen wird.
Ursprünglich, so erzählt Gondolo, wollte er den neuen theoretischen und
unsichtbaren Sternentyp "Brauner Riese" nennen, da die Objekte ein wenig an die
"Braunen Zwerge" erinnern. Braune Zwerge sind Jupiter-ähnliche Objekte, die zu wenig Masse haben,
um ihr nukleares Feuer zu zünden, aber trotzdem wie ein Stern entstanden sind.
Seine Kollegen hätten aber darauf bestanden, die neuen Objekte "Dunkle Sterne",
englisch Dark Stars, zu nennen, nach dem Lied "Dark Star" der Rockgruppe "The Greatful Dead". "Das hört sich einfach besser an", so Gondolo.
Astronomen wissen schon seit einiger Zeit, dass man allein mit der sichtbaren
Materie die beobachtete Entwicklung des Universums nicht erklären kann. Sie
dürfte nach den jüngsten Messungen nur wenige Prozent der Gesamtmasse des
Universums ausmachen. Für fast ein Viertel der Masse ist danach Dunkle Materie,
für den Rest die Dunkle Energie verantwortlich. Letztere sorgt dafür, dass sich
das Universum beschleunigt ausdehnt.
Über die Rolle der Dunkelmaterie in der frühen Entwicklung des Universums gab es
schon einige Untersuchungen. Allerdings, so Gondolo, hätte bislang keiner
überlegt, welchen Einfluss Dunkle Materie eigentlich auf die Entstehung von
Sternen hat. Der Astrophysiker hat daher mit seinen Kollegen untersucht, wie Dunkelmaterie Druck und Temperatur des Gases beeinflusst, das gerade dabei ist,
sich zu einem Stern zusammenzuklumpen.
Bis heute weiß man nicht, was genau Dunkle Materie ist, doch gibt es einige
Hauptverdächtige: Dazu zählen so genannte WIMPS, was für weakly interacting
massive particles steht, also schwach wechselwirkende massereiche Teilchen.
Eines davon sind die Neutralinos, denen bei der Entstehung der ersten Sterne
eine entscheidende Rolle zukommen würde: Sie wechselwirken miteinander und
löschen sich gegenseitig aus, wodurch Wärme entsteht. Dies verhindert, dass sich
die protostellare Gaswolke aus Helium und Wasserstoff weiter zusammenzieht und die
Fusionsprozesse in Gang kommen.
"Diese Aufheizung wirkt der Abkühlung der Wolke entgegen, wodurch sich der der
Stern nicht weiter zusammenzieht. Es entsteht ein dunkler Stern, ein Dark Star,
etwa 80 bis 100 Millionen Jahre nach dem Urknall", so Gondolo. Auch Dunkle
Sterne bestünden hauptsächlich aus normaler Materie wie Wasserstoff und Helium,
sind aber viel aufgeblähter als etwa unsere Sonne oder andere Sterne. Sie
dürften im Infraroten geleuchtet, also Wärme abgestrahlt haben. "Sie sind viel
größer als unsere Sonne, mit Durchmessern die von vier Astronomischen Einheiten
bis zu 2.000 Astronomischen Einheiten reichen, genug also um 15.000 Mal unser
Sonnensystem zu verschlucken." Eine Astronomische Einheit ist die mittlere
Entfernung von der Erde zur Sonne.
Durch die Auslöschungsreaktionen im Inneren des Dunklen Sterns würden, so
Gondolo, energetische Gammastrahlen, Neutrinos sowie Positronen und Antiprotonen
entstehen. "Man kann solche Dunklen Sternen nicht mit bloßem Auge sehen, aber
ihre Strahlung würde einen braten."
Die Theorie der Wissenschaftler könnte wichtige Folgen für die Suche nach der
Dunklen Materie aber auch für die Theorie der Elemententstehung haben. Zudem
würde sie helfen zu erklären, wie sich schon so schnell nach dem Urknall
Schwarze Löcher bilden konnten. Bei diesen, glauben Gondolo und seine Kollegen,
könnte es sich um kollabierte Dunkle Sterne handeln.
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