Die fehlenden Krater von Ceres
von Stefan Deiters astronews.com
29. Juli 2016
Die Oberfläche des Zwergplaneten Ceres ist von unzähligen
Kratern übersät, allerdings sind diese verhältnismäßig klein: Kein Krater hat
einen Durchmesser von mehr als 280 Kilometern. Eigentlich hätte es aber auf Ceres in
den letzten 4,5 Milliarden Jahren mehrere deutlich größere Einschläge geben
müssen. Wieso sind also die dabei entstandenen Krater verschwunden?
Auf Ceres finden sich keine Krater, die
größer sind als 280 Kilometer.
Bild: NASA / JPL-Caltech/SwRI [Großansicht] |
Die NASA-Sonde Dawn umrundet seit mehr als einem Jahr den Zwergplaneten
Ceres, das größte Objekt im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Die mit
Kratern übersäte Oberfläche wurde von der Kamera der Sonde detailliert erfasst.
Doch wenn man sich die Krater einmal genauer anschaut, fällt eines auf: Es gibt
auf Ceres praktisch keine richtig großen Einschlagbecken, wie man es eigentlich
erwarten würde.
In einer neuen Studie haben sich Wissenschaftler mit der Frage befasst, wo
die Krater der größten Einschläge auf dem Zwergplaneten geblieben sind. "Wir
vermuten, dass ein signifikanter Teil der größten Krater auf Ceres im Laufe der
geologischen Entwicklung so unkenntlich geworden ist, dass man sie nicht mehr
sehen kann", erklärt Simone Marchi vom Southwest Research Institute in Boulder
im US-Bundesstaat Colorado. "Das könnte mit der Zusammensetzung oder mit der
inneren Entwicklung von Ceres zu tun haben."
Die Forscher hatten für ihre Untersuchung zunächst durch Modellrechnungen
ermittelt, wie viele Kollisionen mit anderen Objekten Ceres seit seiner
Entstehung wohl hat überstehen müssen. Daraus ergab sich, dass die Anzahl der
großen Krater auf der Oberfläche deutlich größer sein müsste, als sie offenbar
ist: Die Wissenschaftler kamen auf eine Zahl von zehn bis 15 Krater mit einem
Durchmesser von mehr als 400 Kilometern und mindestens 40 Krater, die mehr als
100 Kilometer groß sind.
Die Realität auf Ceres sieht aber anders aus: Auf den Aufnahmen der
NASA-Sonde Dawn sind gerade einmal 16 Krater zu erkennen, die größer als 100
Kilometer sind. Kein Krater auf Ceres durchmisst zudem mehr als 280 Kilometer.
Nun könnte man vermuten, dass Ceres vielleicht nicht an seinem heutigen Ort
entstanden, sondern erst später etwa aus der Umgebung von Neptun in die Region
zwischen Mars und Jupiter gewandert ist. Doch selbst dann, so die Forscher,
müssten sich auf seiner Oberfläche mehr größere Krater finden, als man
beobachtet. "Was auch immer der Prozess oder die Prozesse waren, das Auslöschen
der großen Krater muss sich über mehrere hundert Millionen Jahre abgespielt
haben", ist Marchi überzeugt.
Auf den Bildern von Dawn sind mindestens drei große Tiefebenen zu erkennen,
die einen Durchmesser von bis zu 800 Kilometern haben. In ihnen finden sich
zahlreiche Krater, die in jüngerer Zeit entstanden sind. Die Ebenen selbst aber
könnten die Reste von großen Einschlagkratern sein.
Dass man heute kaum größere Krater findet, hat eventuell mit dem inneren
Aufbau von Ceres zu tun: Die oberen Schichten des Zwergplaneten scheinen Eis zu
enthalten, was eine geringere Dichte hat als Gestein. So könnten Strukturen auf
der Oberfläche im Laufe der Zeit praktisch "zerflossen" sein. Auch hydrothermale
Aktivität, wie etwa Eisvulkane, könnten dazu beigetragen haben, die Spuren
großer Einschläge zu verwischen. "Irgendwie hat Ceres seine größten
Einschlagswunden geheilt und die alte, verkraterte Oberfläche erneuert", so
Marchi.
Ceres unterscheidet sich deutlich von Vesta, einem nur halb so großen
Asteroiden, der zuvor von Dawn untersucht wurde. Auf Vesta findet sich ein
gewaltiger 500 Kilometer durchmessender Krater und die Oberfläche des Asteroiden
deutet nicht darauf hin, dass hier ähnliche Prozesse abgelaufen sind, wie auf
Ceres. "Die Möglichkeit diese zwei sehr unterschiedlichen Welten im
Asteroidengürtel - Vesta und Ceres - miteinander zu vergleichen, ist eine der großen Stärken
der Dawn-Mission", urteilt Marchi.
Über ihre Untersuchungen berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Nature Communications erschienen ist.
|