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In Chile haben gerade die Bauarbeiten für das weltgrößte optische Teleskop, das European Extremely Large Telescope (E-ELT), begonnen. In Europa beschäftigt man sich inzwischen mit den Instrumenten für das Riesenteleskop. Für MICADO, die erste Kamera des E-ELT, begann jetzt die Designphase. Bau und Entwicklung werden fast zehn Jahre in Anspruch nehmen.
Für die MICADO-Kamera, das Instrument mit dem das European Extremely Large Telescope (E-ELT) seine ersten Bilder machen wird, beginnt eine neue Phase: In einer gemeinsamen Absichtserklärung auf der "Kick-off"-Konferenz in Wien bestätigten die Partner in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Italien ihre Teilnahme am Projekt. Zwei Wochen zuvor, am 18. September, hatten das Konsortium und die Europäische Südsternwarte (ESO), die das Teleskop baut, den entsprechenden Kooperationsvertrag unterzeichnet. Nach diesen Meilensteinen tritt das Projekt nun in die Designphase ein. Als erste, dedizierte Kamera für das E-ELT wird MICADO beugungsbegrenzte Abbildungen bei Nah-Infrarot-Wellenlängen (Wärmestrahlung) mit dem Riesenteleskop erlauben. MICADO, die "Multi-AO Imaging Camera for Deep Observations", wurde für das European Extremely Large Telescope (E-ELT), ein Teleskop mit 39 Metern Spiegeldurchmesser, konzipiert. Dieses revolutionäre Teleskop wird das größte optische bzw. Nah-Infrarot-Teleskop der Welt sein und etwa 15 Mal mehr Licht sammeln als die heute existierenden größten optischen Teleskope. Die MICADO-Kamera wird beugungsbegrenzte Abbildungen bei Nah-Infrarot-Wellenlängen ermöglichen und eine neue Ära astronomischer Präzisionsmessungen einläuten. Um die Verzerrungen durch die turbulente Atmosphäre der Erde zu korrigieren, wird MICADO für die Nutzung von adaptiver Optik (AO) optimiert: einem einfachen AO-Modus (SCAO), um einzelne Zielobjekte korrigieren zu können, und einem leistungsfähigeren Modus, um auch bei Beobachtungen über ein großes Sichtfeld scharfe Bilder zu erhalten. Dies wird durch das Instrument MAORY ermöglicht werden. Das Leistungsvermögen von MICADO wird genau auf die einzigartigen Eigenschaften des neuen Teleskops abgestimmt, um Entdeckungen und Untersuchungen neuer oder unbekannter astrophysikalischer Phänomene zu erlauben. So wird es die hohe Empfindlichkeit beispielsweise ermöglichen, schwächste Sterne und die am weitesten entfernten Galaxien nachzuweisen.
Die beispiellose räumliche Auflösung wird Strukturen und Details in Nebeln und Galaxien aufzeigen, die weit über das hinausgehen, was derzeit möglich ist. So kann zum Beispiel durch die Auflösung einzelner Sterne in entfernten Galaxien deren Sternentstehungsgeschichte und -entwicklung untersucht werden. Und mit der hervorragenden astrometrischen Präzision von MICADO werden viele astronomische Objekte nicht mehr wie bisher statisch erscheinen, sondern ihre wahre Dynamik preisgeben. Die Messungen der winzigen Bewegungen von Sternen in Sternhaufen werden Schwarze Löcher verraten, die sich in diesen Haufen verbergen; verfolgt man die Bewegungen der Sternhaufen, so erhält man neue Erkenntnisse darüber, wie sich unsere Milchstraße gebildet hat. Darüber hinaus wird MICADO auch einen speziellen Beobachtungsmodus enthalten, mit dem extrasolare Planeten direkt nachgewiesen und untersucht werden können, sowie einen anderen Modus um Spektren von kompakten Objekten aufzuzeichnen. "Wir sehen einer wirklich aufregenden Zukunft entgegen: die großartigen Messungen, die wir mit unserer Kamera an diesem Riesenteleskop machen können, werden uns spannende neue Erkenntnisse liefern", sagt Ric Davies, Wissenschaftler am MPE und MICADO-Projektleiter. "Aber das Projekt stellt auch extreme Herausforderungen an alle Beteiligten, und ich bin froh, ein solch kompetentes und enthusiastisches Team zu haben." Das MICADO-Instrument wird von einem Konsortium aus europäischen Instituten in Zusammenarbeit mit der ESO entwickelt und gebaut. Alle Partner können auf eine lange Tradition zurückblicken, in der sie gemeinsam optische und Infrarot-Instrumentierung der Weltklasse entworfen und gebaut haben. Das Projekt wird voraussichtlich fast zehn Jahre in Anspruch nehmen - vom Beginn der aktuellen Designphase bis zur endgültigen Inbetriebnahme. Die erste Beobachtung (das "First Light") für E-ELT und MICADO ist für 2024 geplant. Als federführendes Institut ist das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE)für das gesamte Projektmanagement und die Systementwicklung verantwortlich und repräsentiert das Konsortium gegenüber der ESO. Darüber hinaus übernimmt das Team am MPE die Führung bei der Entwicklung und dem Bau des MICADO-Kryostaten und der "kalten" Optik. Als Instrument für Infrarot-Wellenlängen muss die gesamte MICADO-Kamera mit flüssigem Stickstoff auf eine Temperatur von etwa -196 Grad Celsius gekühlt werden - sonst würde es nur sich selbst "sehen". Dies bedeutet, dass auch die Optik im Inneren des Kryostaten, also die Spiegel und Linsen, die das Licht vom Teleskop zu den eigentlichen Detektoren leiten, in dieser kalten Umgebung arbeiten muss, was ganz besondere Herausforderungen an Material und Positionierung stellt. Die ESO unterstützt die Entwicklung der MICADO-Kamera als assoziiertes Mitglied des Konsortiums und ist verantwortlich für zwei wichtige Bereiche: die Entwicklung und Beschaffung der wissenschaftlichen Detektorsysteme und das Design des Kamerasystems für die adaptive Optik mit dem dazugehörigen Computersystem, das in Echtzeit arbeiten muss. Beide Aufgaben werden von ESO für alle E-ELT-Instrumente übernommen. Daneben ist die ESO auch für die Schnittstelle zwischen der MICADO-Kamera und dem adaptiven Optik-Instrument MAORY verantwortlich.
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