Sterne vom Ende des dunklen Zeitalters
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Heidelberg astronews.com
12. Juni 2015
Astronomen haben drei rund 13 Milliarden Jahre alte Sterne
aufgespürt, die vermutlich zu den frühesten Sterngenerationen nach Ende des
dunklen Zeitalters des Universums zählen dürften. Von ihrer Untersuchung versprechen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse
über die Entstehung der ersten Sterne überhaupt. Diese waren offenbar oft
masseärmer als gedacht.
Beobachtungen für die aktuelle Studie wurden
am Very Large Telescope der ESO gemacht. Hier
eine Nachtaufnahme mit einem der großen Teleskope
im Vordergrund. Am Himmel sind unter anderem der
Mond, Jupiter und Venus zu sehen.
Bild: ESO / Y. Beletsky [Großansicht] |
Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung von Wissenschaftlern des
Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) hat ungewöhnliche
"kosmische Greise" aus der Frühzeit des Universums entdeckt. Es handelt sich
dabei um drei rund 13 Milliarden Jahre alte Sterne, die die Experten den
frühesten Sterngenerationen nach dem Ende des "dunklen Zeitalters" zurechnen.
Die chemischen Eigenschaften dieser äußerst seltenen Objekte erlauben neue
Einblicke in die Vorgänge, die zur ihrer Entstehung geführt haben müssen.
Die ersten Sterne sollten - so die bisherige Vorstellung - sehr massereich sein
und besonders hell leuchten. Die neuen Beobachtungen deuten jedoch auf bisher
unbekannte Vorgänge im jungen Universum hin, bei denen auch sehr viel
masseärmere Sterne entstehen können. Diesen Schluss legen Analysen nahe, die zum
Teil an der Landessternwarte Königstuhl und am Institut für Theoretische
Astrophysik – sie sind Teil des ZAH – durchgeführt wurden.
Das Universum entstand vor etwa 13,8 Milliarden Jahren mit dem Urknall. Das
anfänglich extrem heiße Gas dehnte sich aus und wurde immer kälter. Da es damals
keinen einzigen Stern in den kosmischen Weiten gab, spricht die Wissenschaft
auch vom "dunklen Zeitalter" des Universums. Nach etwa 400 Millionen Jahren
bildeten sich aus den Gasen des Urknalls die ersten Sterne. Es hat sich gezeigt,
dass sie aufgrund der chemischen Zusammensetzung der Urgase - hauptsächlich
Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium - 10 bis 100-mal massereicher als die
Sonne sein mussten und damit auch entsprechend leuchtkräftig.
Da sie ihren nuklearen Brennstoff sehr schnell verbraucht haben, leuchteten die
ersten Sterne nur wenige Millionen Jahre. Sie endeten in gigantischen
Explosionen, bei denen die in ihrem Inneren entstandenen schwereren chemischen
Elemente freigesetzt wurden. Diese konnten dann von den nachfolgenden
Sterngenerationen verwertet werden. Durch die genaue chemische Untersuchung
dieser zweiten Sterngeneration können Rückschlüsse auf die Eigenschaften der
allerersten Sterne gezogen werden.
Die drei stellaren Greise wurden durch Beobachtungen an der Sternwarte Paris von
einem Astronomen-Team unter der Leitung von Dr. Piercarlo Bonifacio entdeckt.
Sie enthalten neben Wasserstoff und Helium nur extrem geringe Mengen anderer
chemischer Elemente, darunter auffällig viel Kohlenstoff. Der Astronom Dr. Paolo
Molaro von der Sternwarte Trieste vermutet daher, dass die drei kosmischen
Greise zu einer ganz besonderen und neuen Klasse von ersten Sternen gehören.
Das an Teleskopen der europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile durchgeführte
Beobachtungsprogramm zur Suche nach derartigen Objekten wurde von Dr. Elisabetta
Caffau während ihrer Zeit als Gliese-Fellow der Universität Heidelberg an der
Landessternwarte Königstuhl initiiert. Um die extrem geringen
Elementhäufigkeiten exakt bestimmen zu können, kommen Computermodelle von
Sternatmosphären zum Einsatz. Entwickelt werden sie von Dr. Hans-Günter Ludwig,
der an der Landessternwarte Königstuhl forscht.
Die Vorgänge, die bei der Bildung der ersten Sterne im Universum eine Rolle
gespielt haben, werden am Institut für Theoretische Astrophysik von der
Arbeitsgruppe Sternentstehung unter der Leitung von Prof. Dr. Ralf Klessen
untersucht. Kohlenstoff, so Klessen, würde dabei im jungen Universum eine
wichtige Rolle als "Kühlmittel" spielen, mit dessen Hilfe sich interstellares
Gas zu einem Stern zusammenziehen kann. Je besser die Kühlung, desto kleinere
Sterne können sich bilden.
Doch selbst mit Kohlenstoff sollten die ersten Sterne noch immer mindestens
zehnmal massereicher sein als die nun entdeckten Kandidaten. "Wahrscheinlich war
interstellarer Staub das Kühlmittel, mit dessen Hilfe sich die neu entdeckten
massearmen Sterne bilden konnten. Das werden wir jetzt im Detail untersuchen",
so Klessen.
Die aktuellen Entdeckungen erlauben einen faszinierenden und neuen Einblick in
die Vorgänge um die Entstehung der ersten Sterne. Demnach müssen diese Sterne
nicht isoliert, sondern in Gruppen entstanden sein, ist Klessen überzeugt. Die
massereichen Sterne sind bereits nach wenigen Millionen Jahren explodiert,
allerdings wohl weit weniger heftig als vermutet. "Denn nur dann werden
lediglich die leichteren Elemente wie Kohlenstoff oder Sauerstoff weit genug ins
All geschleudert, um von den neuen massearmen, dafür aber langlebigen Sternen
verwertet werden zu können", so der Wissenschaftler.
Völlig unverstanden ist jedoch die Tatsache, dass bei den drei neu entdeckten
Sternen keine Spuren von Lithium gefunden wurden, obwohl dieses chemische
Element auch im Urgas enthalten sein sollte. Für Dr. Marco Limongi von der
Sternwarte Rom, der ebenfalls dem internationalen Forscherteam angehört, ist
dies ein weiteres Rätsel, das es zu lösen gilt.
Über ihre Ergebnisse berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheinen wird.
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