STERNE
Forscherstreit um ältesten Stern
von Rainer Kayser
24. April 2003
Im Oktober letzten Jahres gelang Astronomen ein spektakulärer Fund:
Die Forscher spürten einen Stern auf, der kaum schwere Elemente besitzt
und damit aus einer Zeit stammen dürfte, in der sich unsere Galaxie gerade
bildete. Schon damals befürchtete man, dass die Existenz des Sternenoldies
mit gängigen Theorien schwer erklärbar sein dürfte - jetzt präsentieren
gleich drei Forscherteams unterschiedliche Lösungen.

Der Stern HE 0107-5240.
Foto: ESO /STScI Digitized Sky Survey, AURA Inc. |
Vor einem halben Jahr haben Astronomen einen Stern entdeckt, der fast
ausschließlich aus Wasserstoff und Helium besteht und demnach schon kurz
nach dem Urknall entstanden sein muss (astronews.com berichtete). Nun ist unter den
Himmelsforschern ein heftiger Streit darüber entbrannt, wie dieses
Sternenrelikt aus der Frühzeit des Universums entstanden sein könnte. In
der aktuellen Ausgabe des Fachblatts Nature präsentieren gleich drei
Forscherteams ihre unterschiedlichen Theorien dazu. Allen
Erklärungsansätzen gemeinsam ist, dass der Stern aus den Überresten
einer oder mehrerer Sternexplosionen hervorgegangen sein muss. Im Vergleich zu dem Stern mit der Katalogbezeichnung HE 0107-5240
enthält unsere Sonne einen 200.000 Mal größeren Anteil an Elementen
schwerer als Helium. Unsere Galaxis ist kurz nach dem Urknall aus einer
gigantischen Ansammlung von Gas entstanden. Dieses Gas, das sich
ursprünglich nur aus Wasserstoff und Helium zusammensetzte, wurde im
Verlauf der Geschichte der Milchstraße durch explodierende Sterne immer
weiter mit schwereren Elementen angereichert. Deshalb enthalten die
ältesten Sterne nur sehr wenig dieser schweren Elemente. HE 0107-5240
enthält den niedrigsten Anteil an schweren Elementen und wird deshalb
von den Astronomen als der älteste Stern angesehen, der bislang
aufgespürt wurde.
Doch da auch er noch - wenn auch extrem wenig - schwere Elemente
enthält, kann er nicht zur allerersten Sternengeneration des Universums
gehören. Vielmehr muss HE 0107-5240 bereits aus den Überresten dieser
ersten Sternengeneration entstanden sein. Hideyuki Umeda und Ken'ichi
Nomoto von der Universität Tokio glauben, dass die schweren Elemente des
Sterns bei der Explosion eines Sterns mit der 20- bis 130-fachen Masse
der Sonne entstanden sind. Raffaella Schneider vom Osservatorio
Astrofisico di Arcetri in Italien und ihre Teamkollegen dagegen sind
überzeugt davon, dass die Sterne der ersten Sternengeneration mindesten
doppelt so massiv gewesen sein müssen. Piercarlo Bonifacio vom
Osservatorio Astronomico di Trieste, ebenfalls Italien, und seine
Mitarbeiter schließlich argumentieren, die schweren Elemente in HE
0107-5240 ließen sich nicht durch eine, sondern nur durch zwei
unterschiedliche Sternexplosionen erklären.
Trotz dieser unterschiedlichen Erklärungsansätze zeige sich doch, dass
Sterne wie HE 0107-5240 interessante Rückschlüsse erlauben, meint
Timothy Beers von der Michigan State University in einem begleitenden
Kommentar in Nature: "Wir haben zwar eine frustrierende Vielfalt an
Möglichkeiten, doch HE 0107-5240 sollte uns die Beantwortung vieler
Fragen über die Entstehung und Entwicklung der ersten Sterne im
Universum ermöglichen."
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