Die Wanderung der Weißen Zwerge
von Stefan Deiters astronews.com
15. Mai 2015
Astronomen ist es mithilfe des Weltraumteleskops Hubble
erstmals gelungen, Informationen über die Wanderung von Weißen Zwergen aus dem Zentralbereich eines
Kugelsternhaufens in dessen Randbereiche zu gewinnen. Dabei stellte sich
heraus, dass die Beobachtungen nicht ganz zu den bisherigen Theorien über den
Zeitpunkt des Masseverlusts der alternden Sterne passen.
Der Kugelsternhaufen 47 Tucanae.
Bild: NASA,
ESA, Hubble Heritage (STScI/AURA)-ESA/Hubble
Collaboration / J. Mack (STScI) und G. Piotto
(Universität Padua, Italien) [Großansicht]
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Weiße Zwerge sind die Überreste von Sternen, deren Anfangsmasse nicht
ausreichend groß ist, damit sie schließlich als Supernova explodieren.
Stattdessen stoßen die Sterne zum Ende ihres nuklearen Lebens einen beträchtlichen Teil ihrer Masse ins All ab,
so dass nur noch ein deutlich masseärmerer glühender Kern zurückbleibt, der dann
langsam auskühlt. Dieses Ende erwartet beispielsweise auch unsere Sonne.
Durch den Masseverlust sollte es zu einem besonderen Phänomen kommen: In
Kugelsternhaufen ordnen sich die Sterne grob ihrer Masse entsprechend an: Im
Zentrum kreisen auf engen Bahnen die massereichsten Objekte des Haufens, die
stellaren "Leichtgewichte" befinden sich eher in den Außenregionen.
Astronomen sprechen von der sogenannten Massensegregation.
Ändert sich die Masse eines Sterns, müsste sich somit auch seine Position in
dem Haufen ändern und einstmals massereiche Sterne in die Außenregionen wandern.
Astronomen haben nun versucht, diesen Prozess praktisch "in Aktion" zu
beobachten, indem sie mithilfe des Weltraumteleskops Hubble rund 3.000 Weiße
Zwerge im massereichen Kugelsternhaufen 47 Tucanae untersuchten.
"Das Endergebnis haben wir schon früher gesehen: Weiße Zwerge, die in die
Außenbereiche gewandert sind und sich nun - abhängig von ihrer Masse - auf
Bahnen außerhalb des Zentralbereichs befinden", so Jeremy Heyl von der
kanadischen University of British Columbia. "In dieser Studie aber, die etwa ein
Viertel aller jungen Weißen Zwerge des Haufens umfasst, sehen wir die Sterne,
wie sie gerade dabei sind, nach außen zu wandern und sich entsprechend ihrer
Masse zu verteilen."
Eine entscheidende Rolle bei der Untersuchung spielte dabei das Alter der
Weißen Zwerge: So hatte eine Gruppe von Zwergsternen mit einem Alter von gerade
einmal sechs Millionen Jahren ihre Wanderung aus dem dichten Haufenzentrum
offenbar gerade erst begonnen, während eine andere Gruppe aus rund 100 Millionen
Jahre alten Sternen bereits in ihrer neuen Heimat angekommen war - etwa 1,5
Lichtjahre vom Ausgangspunkt entfernt.
"Bevor sie zu Weißen Zwergen wurden, gehörten diese Sterne zu den
massereichsten Sternen in dem Haufen und hatten in etwa die Masse unserer
Sonne", erläutert Elisa Antolini von der Università degli Studi di Perugia
in Italien. "Uns war bekannt, dass sie, sobald sie Masse verlieren, in die
Außenbereiche wandern würden. Was uns aber überrascht hat war die Tatsache,
dass die jüngsten Weißen Zwerge gerade erst mit ihrer Wanderung begonnen hatten.
Dies könnte darauf hindeuten, dass die Sterne ihre Masse in einer späteren Phase
ihres Lebens verlieren, als wir bislang angenommen haben. Das ist ein wichtiges
Ergebnis."
Bislang waren die Astronomen davon ausgegangen, dass Sterne, die zu Weißen
Zwergen werden, den größten Teil
ihrer Masse in einer Phase verlieren, in der sie sich zu einem Roten Riesen
aufblähen. Diese Phase beginnt etwa 100 Millionen Jahre vor dem
Weiße-Zwerg-Stadium. Würde diese Vermutung stimmen, hätten die mit Hubble
beobachteten Sterne den Zentralbereich des Haufens längst verlassen und
die Wanderung schon in der Rote-Riesen-Phase eingesetzt haben müssen.
"Wir haben mit Hubble Weiße Zwerge entdeckt, die ihre Wanderung in die
äußeren Bereiche gerade begonnen haben", unterstreicht Harvey Richer von der
University of British Columbia. "Das bedeutet, dass die Wanderung von Sternen aus dem
Zentrum - und der verursachende Masseverlust - später in der Entwicklung eines
Sterns einsetzt, als man bislang gedacht hat. Diese Weißen Zwerge haben einen
großen Teil ihrer Masse unmittelbar bevor sie zu Weißen Zwergen wurden
verloren und nicht schon in der frühen Rote-Riesen-Phase."
Offenbar, so die Analyse der Beobachtungen, verlieren die Sterne 40 bis 50
Prozent ihrer Masse nur zehn Millionen Jahre bevor sie als Weißer Zwerg enden.
Die Untersuchung dieser Wanderung der Weißen
Zwerge soll nun fortgesetzt werden. 47 Tucanae ist dafür ein ideales Ziel, da der
Sternhaufen uns vergleichsweise nahe ist und daher sehr viele seiner Sterne von
Hubble aufgelöst werden können. 47 Tucanae liegt etwa 15.000 Lichtjahre entfernt
im Sternbild Tukan.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen jetzt in einem Fachartikel,
der in der Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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