Das Alter von NGC
6791
von Stefan Deiters astronews.com
14. Juli 2008
NGC 6791 ist einer der ältesten und größten offenen
Sternhaufen. Jüngste Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble
führten jetzt allerdings zu einigem Rätselraten über sein wirkliches Alter. Die
Astronomen erhielten drei ganz unterschiedliche Altersangaben - je nachdem
welche natürliche Uhr des Haufens sie befragten.

Der offene Sternhaufen NGC 6791. Links der
Gesamteindruck aus dem Digitized Sky Survey
(DSS), rechts oben und unten die
Hubble-Aufnahmen. Unten sind Weiße Zwerge mit
einem vermeintlichen Alter von vier Milliarden
Jahren blau markiert, die mit einem Alter von
sechs Milliarden Jahren rot.
Bild: NASA, ESA, Digitized Sky
Survey, and L. Bedin (STScI) [Großansicht] |
Eigentlich wollten die Astronomen mit dem Weltraumteleskop Hubble
lediglich die leuchtschwächsten Sterne des offenen Sternhaufens NGC 6791
studieren. Der Haufen gehört mit zu den größten und ältesten Haufen seiner Art
in der Milchstraße. Mit etwa 10.000 Sternen enthält er im Vergleich zu anderen
Sternhaufen seiner Art etwa die zehnfache Menge an Sternen. Der Haufen ist etwa
13.000 Lichtjahre von der Erde entfernt und liegt im Sternbild Leier.
Die Ergebnisse der Hubble-Beobachtungen lieferten ein unerwartetes Ergebnis:
Die Astronomen entdeckten nämlich Sterne in drei verschiedenen Altersgruppen.
Während die normalen Sterne des Haufens ein Alter von ungefähr acht Milliarden
Jahren haben, spürte Hubble Weiße Zwergsterne auf, die entweder sechs oder vier
Milliarden Jahre alt waren. Weiße Zwerge sind ausgebrannte Überreste von Sternen
wie unsere Sonne. Sie kühlen immer weiter ab und werden im Laufe der Zeit immer
dunkler. Die ältesten Weißen Zwerge kann man daher nur mit den besten Teleskopen
aufspüren.
"Der Altersunterschied ist ein ganz schönes Problem, denn eigentlich sollten
alle Sterne des Haufens das gleiche Alter haben, weil sie alle zur selben Zeit
in einer Wolke aus Gas und Staub entstanden sind. Die Entdeckung hat uns
deswegen ganz schön Kopfzerbrechen bereitet", so Luigi Bedin vom Space Telescope
Science Institute. Und Ivan King von der University of Washington und Leiter der
Studie ergänzt: "Der Fund bedeutet, dass es etwas bei der Entwicklung von Weißen
Zwergen gibt, was wir nicht verstehen."
Nach einer gründlichen Analyse ihrer Beobachtungsdaten konnte das Team
zumindest ein Rätsel lösen: Vermutlich besteht die jünger erscheinende Gruppe
der Weißen Zwerge nicht aus einem sondern aus jeweils zwei Sternen. Es handelt
sich also um Doppelsternsysteme, die von Hubble wegen der großen Entfernung des
Haufens nicht aufgelöst werden können. Doch die größere Helligkeit von zwei
Sternen ließ die Astronomen zunächst annehmen, es mit jüngeren Weißen Zwergen zu
tun zu haben, die noch nicht so weit abgekühlt waren.
"Wir konnten zeigen, dass Doppelsterne die beobachtete Anomalie sehr elegant
erklären können, was ansonsten sehr schwierig gewesen wäre", meint auch
Giampaolo Piotto von der Universität im italienischen Padua. Astronomen wissen
schon seit längerem, dass Doppelsterne in beträchtlicher Zahl in Sternhaufen
vorkommen können.
Nun müssen die Wissenschaftler also nur noch zwei unterschiedliche Alter
unter einen Hut bringen: Die acht Milliarden Jahre der normalen Sterne und die
sechs Milliarden Jahre der Weißen Zwerge. Dazu, so die Astronomen, sei irgendein
Mechanismus nötig, der die Entwicklung der Weißen Zwerge abbremst. Bislang waren
diese ausgebrannten Sterne immer als sehr verlässliche Uhr angesehen worden, da
man glaubte, ihre Abkühlung und die damit einhergehende Verringerung ihrer
Leuchtkraft genau vorhersagen zu können. Dies scheint sich nun gerade zu ändern.
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