Tausende neue Sterne, aber kein Planet X
von Stefan Deiters astronews.com
10. März 2014
Bei der Auswertung des umfangreichen Datenmaterials, das der Wide-field Infrared Survey
Explorer der NASA von mehreren Hundert Millionen Objekten im Infraroten
gesammelt hat, stießen Astronomen zwar auf Tausende bislang unbekannte Sterne,
fanden allerdings keinen Hinweis darauf, dass sich in unserem Sonnensystem noch
ein weiterer Planet verbirgt.

Entdeckt mit
WISE: Der nahegelegene Stern WISEA
J204027.30+695924.1 (in rot).
Bild: DSS/NASA/JPL-Caltech |
Über die Existenz eines weiteren Planeten jenseits der Bahn des - inzwischen zum
Zwergplaneten degradierten - Pluto wird seit Jahren spekuliert. Das
hypothetische Objekt ist als "Planet X" oder auch als Nemesis oder Tyche bekannt
und erfreut sich insbesondere in Kreisen von Untergangspropheten und
Verschwörungstheoretikern großer Beliebtheit.
Das hindert Astronomen allerdings nicht daran, die mögliche Existenz eines
solchen Objekts in den Außenbereichen des Sonnensystems zumindest in Betracht zu
ziehen und nach entsprechenden Hinweisen zu suchen.
Eine ergiebige Quelle für solche Recherchen stellen die Daten dar, die der Wide-field Infrared Survey
Explorer (WISE) im Rahmen einer Erfassung des gesamten Himmels im
Infraroten von 2010 bis Anfang 2011 gesammelt hat. Das Teleskop hat insgesamt
fast 750 Millionen Objekte erfasst - vom kleinen Asteroiden bis zu großen
entfernten Galaxien.
Die Beobachtungen im Infraroten eignen sich auch hervorragend, um nach
potentiell unentdeckten und sehr leuchtschwachen Planeten des Sonnensystems zu
suchen. Die WISE-Daten haben dabei eine Empfindlichkeit, die die Existenz eines
Planeten von mindestens Saturngröße bis in eine Entfernung von 10.000
Astronomischen Einheiten von der Sonne ausschließt. Die Existenz eines Planeten
der Größe Jupiters kann sogar bis in eine Entfernung von 26.000 Astronomischen
Einheiten ausgeschlossen werden. Eine Astronomische Einheit entspricht der
mittleren Entfernung der Erde von der Sonne, also rund 150 Millionen Kilometer.
"Im äußeren Sonnensystem gibt es vermutlich keinen größeren Gasplaneten und auch
keinen kleinen stellaren Begleiter der Sonne", so Kevin Luhman vom Center
for Exoplanets and Habitable Worlds an der Penn State University.
Allerdings haben die Auswertungen zahlreiche bislang unbekannte Objekte in unserer
relativen Nachbarschaft zu Tage gefördert: massearme Sterne und sogenannte
Braune Zwerge. "Benachbarte Sternsysteme fallen in den WISE-Daten sofort ins
Auge", so Ned Wright von der University of California in Los Angeles,
der verantwortliche Wissenschaftler der Mission.
Jenseits unseres Sonnensystems haben die Astronomen in den WISE-Daten 3.525
bislang unbekannte Sterne und Braune Zwerge entdeckt, die sich im Umkreis von
500 Lichtjahren um die Sonne befinden. Braune Zwerge sind stellare Objekte, die
vermutlich wie Sterne entstehen, jedoch nicht über ausreichend Masse verfügen,
um die nuklearen Fusionsprozesse in ihrem Inneren zu zünden. Sie gleichen daher
mehr einem gewaltigen Gasplaneten.
"Wir haben Objekte entdeckt, die man zuvor komplett übersehen hatte", so Davy
Kirkpatrick vom Infrared and Processing Analysis Center der NASA am
California Institute of Technology. Sterne und Braune Zwerge, die uns
vergleichsweise nahe sind, verraten sich durch eine stärkere
Positionsveränderung am Himmel in Bezug auf entferntere Objekte bei
zeitversetzten Beobachtungen.
So war es mit WISE beispielsweise gelungen, ein Paar aus Braunen Zwergen in
einer Entfernung von nur 6,5 Lichtjahren aufzuspüren (astronews.com
berichtete). "Wir glauben, dass es in den WISE-Daten noch mehr Sterne gibt,
die wir noch nicht gefunden haben", so Wright. "Wir kennen den Hinterhof unserer
Sonne nicht so gut, wie man vielleicht denken mag."
Der Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) war im Dezember 2009 gestartet
worden, um im Verlauf des Jahres 2010 eine umfangreiche Durchmusterung des
Himmels im Infraroten durchzuführen (astronews.com
berichtete wiederholt). Als das für Beobachtungen in bestimmten Infrarotwellenlängen benötigte
Kühlmittel erschöpft war, nutzte das Team das Teleskop zunächst noch für einige
Monate weiter, um nach bislang unbekannten erdnahen Asteroiden
zu suchen. Zahlreiche neue Asteroiden wurden so aufgespürt. Im Februar 2011 wurde WISE dann
deaktiviert. Inzwischen arbeitet das Teleskop jedoch wieder, um hauptsächlich
bei der Suche nach erdnahen Asteroiden zu helfen.
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