Blick in die Gehirne der Mars500-Teilnehmer
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
28. November 2011
Nach anderthalb Jahren virtuellem Flug zum Mars ist die Crew der
Mars500-Mission zum ersten Mal in Deutschland. Der Aufenthalt dient
medizinischen Untersuchungen: Mit Magnetresonanztomographien wollen
Wissenschaftler der LMU in München erstmals herausfinden, ob der Stress
durch die Isolation und die ungewohnten Lebensbedingungen auch
Veränderungen im Hirn auslöst.
Die Wissenschaftler der
Ludwig-Maximilians-Universität München wollen
herausfinden, ob Stress sich auch auf die
Gehirnstrukturen der Mars500-Teilnehmer
auswirken. Dazu untersuchten sie die Probanden im
Magnetresonanz-Tomographen.
Foto: LMU / DLR |
Farbig und in 3D erscheinen die Hirnstrukturen der
Mars500-Probanden auf der MRT-Aufnahme. Bereits vor ihrem Einstieg ins
Raumschiff und ihrem simulierten Flug zum Roten Planeten hatten die
Astronauten Dr. Alexander Choukèr von der Ludwig-Maximilians-Universität
(LMU) in München einen Blick in die Regionen ihrer Gehirne gestattet,
die für die Verarbeitung von Stress und der Regulation des Immunsystems
zuständig sind. Am 27. November 2011 - nach der "Rückkehr" auf die Erde
- geschah dies nun zum zweiten Mal. "Wir wissen, dass beispielsweise bei
Patienten mit chronischen Schmerzen Veränderungen der Hirnstruktur
feststellbar sind", erläutert der Mediziner. "Es wäre nicht
überraschend, wenn sich auch chronischer Stress mit neurophysiologischen
Veränderungen auf den menschlichen Körper auswirken würde."
Schließlich waren die Bedingungen, unter denen die europäischen
Astronauten Romain Charles und Diego Urbina sowie ihre russischen und
chinesischen Crew-Kollegen seit dem 3. Juni 2010 lebten, extrem
ungewöhnlich: 520 Tage verbrachten die Probanden in einem Container im
russischen Institut für Biomedizinische Probleme und simulierten einen
Flug zum Mars sowie einen Ausstieg auf die Marsoberfläche (astronews.com
berichtete). Ein strikter Tagesablauf mit Experimenten, ein vorgegebener
Speiseplan und vorgetäuschte Notfälle setzte die Mars-Crew dabei mal
mehr, mal weniger unter Stress.
"Diese Art von Stress schließt alle in unserer Lebenswelt erfahrenen
Veränderungen ein", erklärt Choukèr. "Dazu gehören Temperatur,
Luftfeuchtigkeit, Ernährung, Arbeit, Tag-Nacht-Rhythmen, den Kontakt mit
Keimen, aber auch die soziale Miteinander." Der Arzt ist gespannt, ob
die Auswertung der bildlich dargestellten Hirnvernetzungen eine
Veränderung ergeben. Dabei werden sowohl die Aufnahmen der Mars500-Crew
miteinander verglichen, aber auch die Aufnahmen zweier Kandidaten, die
es bis in die Endauswahl für die Mars500-Mission schafften,
berücksichtigt.
Wie letztendlich der Körper auf Stress reagiert, wird erst nach
Auswertung aller Daten feststehen. Dafür nahmen die Probanden während
ihres Mars-Flugs in der Isolation Blut-, Urin-, Speichel- und
Atemluftproben zu verschiedenen Tageszeiten, die in den kommenden
Monaten von den Forschern analysiert werden. Untersucht wird dabei unter
anderem, ob Stresshormone wie das Adrenalin über längere Zeit erhöht
waren, obwohl kein für den Körper sinnvoller Grund dafür vorliegt. "Wenn
wir mit der Magnetresonanztomographie Veränderungen in den
entsprechenden Hirnregionen feststellen, ist die Frage: Zeigt sich das
auch in anderen Parametern, zum Beispiel den Hormonen?"
Bei der Suche nach dem Geheimnis des Stress' stehen die Wissenschaftler
dabei bei einigen Methoden noch ganz am Anfang. "Die neuesten
Entwicklungen in der MRT-Technik ermöglichen uns jetzt erst, solche
Untersuchung durchzuführen, bei der Analyse der Atemluft gilt: Es ist
schnell gemessen, aber nur schwer verstanden", sagt Choukèr. "Wir müssen
viele Faktoren berücksichtigen, wenn wir lernen wollen, wie Isolation,
Stress und Immunsystem miteinander zusammenhängen."
Die Isolation im Mars500-Containter hilft dabei, einige der Faktoren
genau zu kennen: Alle Mitglieder der Crew hatten gleiche
Lebensbedingungen, die Ernährung war ein Jahr lang extrem
standardisiert, der Tagesablauf genau vorgegeben. Erste
Untersuchungsergebnisse haben bereits gezeigt, dass sich die
Immunfunktionen der Marsonauten in der Stress-Situation veränderten und
die Zellen teilweise in der Immunabwehr gehemmt waren.
Dadurch werden auch die Ergebnisse anderer deutscher Experimente - das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat außer diesem noch
zehn weitere finanziert - wichtig: So analysieren Wissenschaftler des
DLR die Entwicklung von Mikroorganismen während der Isolationszeit im
Mars500-Raumschiff – im Zusammenhang mit dem Immunsystem des Menschen
ein wichtiger Faktor. Erst wenn alle Daten ausgewertet und miteinander
in Verbindung gesetzt werden, entsteht so ein Gesamtbild, wie Psyche und
Immunsystem zusammenspielen.
Die Ergebnisse des Experiments, das das Deutsche Zentrum für Luft- und
Raumfahrt finanziert, kommen aber nicht nur zukünftigen Mars-Astronauten
zu gute: Auch Patienten in Krankenhäusern befinden sich in einer
ungewohnten Lebenslage und sind dadurch Stress ausgesetzt, der wiederum
das Immunsystem beeinflussen könnte.
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