Auf der Spur der Neutrino-Oszillationen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
27. Dezember 2010
Wissenschaftler und Techniker der Double-Chooz-Kollaboration haben kürzlich
ihren Neutrino-Detektor fertig gestellt, der Antineutrinos aus dem Kernkraftwerk
Chooz in den französischen Ardennen beobachten wird. Das Experiment kann jetzt
mit der Messung fundamentaler Neutrino-Eigenschaften beginnen - mit eventuell
wichtigen Konsequenzen für die Teilchen- und Astroteichenphysik.
Überblick über
das Double-Chooz-Experiment mit den beiden
Detektoren am Kernkraftwerk.
Bild: Double-Chooz-Kollaboration
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Neutrinos sind elektrisch neutrale Elementarteilchen, von denen es
drei Sorten plus deren Antiteilchen gibt. Sie wurden 1930 vorhergesagt,
aber erst 1956 nachgewiesen, weil sie kaum mit anderen Teilchen in
Wechselwirkung treten und Materie fast ungehindert durchdringen. Zu
ihrem Nachweis sind daher große und empfindliche Detektoren
erforderlich.
Neutrinos haben die merkwürdige Eigenschaft, sich im Flug ineinander
umwandeln zu können. Dieser "Neutrino-Oszillation" genannte Effekt
bedeutet, dass Neutrinos im Widerspruch zum Standardmodell der
Teilchenphysik eine - wenn auch geringe - Masse haben. Diese bedeutende
Entdeckung der späten 1990er Jahre wurde unter anderem mit den
Physiknobelpreis 2002 gewürdigt.
Die Oszillationen werden mit drei Mischungsparametern beschrieben, von
denen zwei groß sind und bereits gemessen werden konnten. Für den dritten
wesentlich kleineren Parameter, "theta13" genannt, hat das
Vorgängerexperiment in Chooz eine obere Grenze gefunden. Der neue Double-Chooz-Detektor
ist das erste einer neuen Generation von Reaktorneutrino-Experimenten, die
das Ziel haben, diesen fundamentalen Parameter der Neutrinophysik zu
messen.
Die Messungen sollen grundlegende Eigenschaften der Neutrinos erkunden und
sind ein Schlüsselexperiment der teilchenphysikalischen Forschung. Double
Chooz besteht aus zwei identischen Detektoren. Der erste, der etwa einen
Kilometer von den Kernreaktoren entfernt ist, wurde nun mit
Messflüssigkeit gefüllt und beginnt mit den Messungen. Die Wissenschaftler
vergleichen die ermittelte Zahl von Neutrinos mit dem erwarteten
Neutrinofluss von den Reaktoren, was den Wert von theta13 schon 2011
deutlich verbessern wird.
2012 soll auch der zweite Detektor, der nur 400 Meter von den Reaktoren
entfernt ist, in Betrieb gehen. Bis dorthin haben die Neutrinos noch kaum
Gelegenheit, sich in eine andere Sorte umzuwandeln. Ein direkter Vergleich
der Daten beider Detektoren ermöglicht dann eine wesentlich genauere
Bestimmung von theta13.
Beide Detektoren benutzen speziell für das Experiment entwickelte
organische Flüssigkeiten ("Szintillatoren") als Nachweismedium. Der
Szintillator im zehn Kubikmeter großen Zentrum des Detektors enthält
Gadolinium um die in der Wechselwirkung der Antineutrinos aus den
Reaktoren mit Protonen (Wasserstoffkernen) gebildeten Neutronen
einzufangen. Dabei entstehen Lichtblitze, die etwas später auftreten als
die Lichtblitze vom Zerstrahlen eines in derselben Reaktion entstandenen
Positrons mit einem Elektron.
Zur Abschirmung ist die Nachweisflüssigkeit von drei Schichten anderer
Flüssigkeiten in Nylongefäßen umgeben. Die Lichtblitze werden von 390
empfindlichen Photovervielfachern in elektronische Signale umgewandelt.
Das Datenaufnahmesystem wird die nächsten fünf Jahre Signale registrieren
und zur Auswertung aufbereiten.
Die Forscher am Max-Planck-Institut für Kernphysik haben mit der
Entwicklung der gadoliniumhaltigen Szintillatorflüssigkeit entscheidend zu
dem Experiment beigetragen. Sie mussten eine Gadoliniumverbindung finden,
testen, herstellen und reinigen, die in der organischen Flüssigkeit
löslich und mehrere Jahre stabil ist. In Zusammenarbeit mit japanischen
Kollegen haben die MPIK-Forscher außerdem die Photovervielfacher in einem
speziell dafür gebauten Teststand geprüft. Diese zentralen Beiträge werden
auch für das Verständnis und die Auswertung der Daten eine ganz
wesentliche Rolle spielen.
Die Double-Chooz-Kollaboration besteht aus Universitäten und
Forschungseinrichtungen in Brasilien, Deutschland, England, Frankreich,
Japan, Russland, Spanien und den USA. In Deutschland sind das
Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg und die Universitäten
Tübingen, TU München, RWTH Aachen und Hamburg beteiligt.
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