Jagd nach verwandelten Neutrinos
Redaktion / idw / Universität Bern
astronews.com
13. September 2006
Ein internationales Physiker-Team will erstmals die Umwandlung von Neutrinos
direkt nachweisen. In Rom fiel in dieser Woche der Startschuss zu einem
Experiment, bei dem ein Neutrinostrahl über 700 Kilometer durch die Erde
geschickt wird. Die Forscher hoffen, dass es auf dem Weg von Genf nach Rom zu sogenannten Neutrino-Oszillationen kommt.

Natürliche Neutrinoquelle: unsere Sonne. Foto:
NASA / NSSDC |
Eines der wichtigen Ziele der Elementarteilchenphysik ist es, die Eigenschaften
von Neutrinos besser zu verstehen. Wegen der hohen Dichte von Neutrinos im
Weltraum sind Erkenntnisse über diese schwer fassbaren Teilchen wesentlich für
das Verständnis des Universums. Neutrinos kommen in drei verschiedenen Typen
vor: Elektron-, Müon- und Tau-Neutrinos. Sie können sich auf einer langen
Flugstrecke von einem Typ in einen anderen verwandeln. In der
Elementarteilchenphysik wird diese Umwandlung "Neutrino-Oszillation" genannt.
Bei Neutrinos, die von der Sonne kommen, ist dieser Effekt schon lange bekannt.
Auf der Erde werden nämlich nur rund halb so viele Elektron-Neutrinos von der
Sonne gemessen, wie eigentlich vorhanden sein sollten, weil sie sich unterwegs
in einen anderen Typ verwandeln. Bevor man die Oszillationen entdeckte, hatte
dieses so genannte solare Neutrino-Problem die Wissenschaftler lange verwirrt. Noch nie konnte
man aber die Neutrino-Oszillation
direkt messen. Dies soll nun durch ein internationales Experiment
ermöglicht werden, bei dem die Universität Bern seit Anfang an eine maßgebliche
Rolle spielt. Die Resultate des Experiments werden international mit Spannung
erwartet.
Das OPERA-Projekt will in Beinahe-Echtzeit die Umwandlung von Neutrinos in einem
Neutrino-Strahl nachweisen, der am CERN bei Genf erzeugt wird. Nach einer Reise
von 731 Kilometer durch die Erde erreicht er das Untergrund-Labor in den Bergen bei
Rom. Wenn der Neutrino-Strahl das CERN verlässt, besteht er vor allem aus
Müon-Neutrinos.
Im römischen Labor wird dann gezielt nach Tau-Neutrinos gesucht, um
die Verwandlung von Müon- zu Tau-Neutrinos nachzuweisen. Dies wäre dann der
endgültige Beweis, dass Neutrinos nicht "verschwinden", sondern dass sie sich
effektiv von einem Typ in den anderen umwandeln. "Es ist ähnlich wie bei der
Aufklärung eines Verbrechens", erklärt Urs Moser vom Institut für
Hochenergiephysik. "Am Tatort liegt alles vor, aber wir müssen noch den
Tathergang bestimmen."
In dieser Woche wurde im römischen Untergrundlabor im Beisein des italienischen
Forschungsministers und Vertretern der Universität Bern sowie der anderen
beteiligten Institute der Start des Projektes gefeiert.
Neutrinos sind Teilchen, die nur eine sehr kleine Masse haben. Sie sind im
Gegensatz zu Protonen oder Elektronen elektrisch neutral. Daher können sie zum
Beispiel ohne großen Verlust oder Reaktionen die ganze Erde durchfliegen. Um
trotzdem eine genügende Anzahl von Reaktionen beobachten zu können, zeichnen
sich alle Neutrino-Detektoren durch eine imposante Größe aus. Der
OPERA-Detektor besitzt eine Masse von 1.800 Tonnen und eine Größe von ca.
7 mal 7 mal 25 Metern. Ein solches Projekt lässt sich nur in Zusammenarbeit von mehreren
Ländern und Universitäten realisieren. OPERA hat zurzeit etwa 180 Mitarbeiter
aus 13 Ländern. Das OPERA-Projekt wurde 1998 begründet und ist in den letzten
Jahren am Untergrund-Labor bei Rom aufgebaut worden.
Für das OPERA-Experiment wurde am CERN ein spezieller Neutrino-Strahl aufgebaut,
der auf das römische Untergrund-Labor gerichtet ist. Am 18. August 2006 wurde
dieser Strahl das erste Mal in Richtung des Untergrund-Labors geschossen. Schon
am nächsten Tag waren die ersten Resultate ausgewertet und damit der Beweis für
die gute Qualität des Strahls erbracht. Die Laufzeit des Experiments wird etwa
fünf Jahre betragen. Die seltenen Tauneutrino-Reaktionen werden auf Filmplatten
aufgezeichnet und mit computergesteuerten Mikroskopen an der Universität Bern
analysiert.
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