EU unterstützt Einstein-Teleskop
Redaktion
/ Pressemitteilung der Leibniz Universität Hannover astronews.com
21. Oktober 2008
Die europäische Kommission hat jetzt drei Millionen Euro für
eine Entwicklungsstudie für ein neues pan-europäisches
Gravitationswellen-Observatorium bereitgestellt. Mit dem Einstein-Teleskop, mit
dessen Bau Ende des kommenden Jahrzehnts begonnen werden könnte, dürfte ein
Blick in Regionen des Universums möglich werden, der bisherigen Instrumenten
verschlossen ist.

Gravitationswellen
sind winzige Verzerrungen in der Raumzeit. Bisher
wurden sie noch nicht direkt beobachtet.
Bild: NASA / JPL |
Die Europäische Kommission hat jetzt drei Millionen Euro für eine
Entwicklungsstudie zum Einstein-Teleskop, einem pan-europäischem
Gravitationswellen-Observatorium, bereitgestellt. Für die beteiligten
Forschergruppen ist diese Unterstützung eine wichtiger Schritt auf dem Weg zur
Beobachtung des Universums mit Gravitationswellen. "Mit dieser Entscheidung
erkennt die Europäische Kommission die Erfolge der
Gravitationswellenobservatorien GEO600 und Virgo an und ebnet
den Weg zum ersten pan-europäischen Gravitationswellendetektor", so Jacques
Colas, Direktor des Europäischen Gravitationswellenobservatoriums (EGO) und
Projektkoordinator der Entwicklungsstudie für das Einstein-Teleskop.
Das Einstein-Teleskop gehört zu den Projekten, die vom ASPERA-Netzwerk für
die zukünftige Entwicklung der Astroteilchenphysik in Europa empfohlen werden.
Gravitationswellen sind winzige Verzerrungen der Raumzeit, die schon von Albert
Einstein vorhergesagt wurden. Sie direkt zu messen, ist eine der wichtigsten und
grundlegendsten Herausforderungen der modernen Physik. Die direkte Beobachtung
von Gravitationswellen wird völlig neue Einblicke in unser Universum
ermöglichen, bis hin zu seiner Entstehung. Keine andere Technologie eröffnet
diese Möglichkeiten.
Das Projekt Einstein-Teleskop ist ein gemeinsames Projekt von acht
europäischen Forschungsinstituten. Die Federführung hat EGO, ein
italienisch-französisches Konsortium mit Sitz in der Nähe von Pisa (Italien)
übernommen. Neben EGO sind das Instituto Nazionale di Fisica Nucleare
(INFN) aus Italien, das französische Centre National de la Recherche
Scientifique (CNRS), das deutsche Albert-Einstein-Institut (AEI) an der
Leibniz Universität Hannover, die Universitäten von Birmingham, Cardiff und
Glasgow aus Großbritannien sowie die Niederländische Vrije Universiteit
Amsterdam beteiligt. Die jetzt von der Europäischen Kommission
bereitgestellten Mittel werden im Laufe der nächsten drei Jahre für eine
Entwicklungsstudie für das Einstein-Teleskop verwendet, die einen wichtigen
Schritt zum Bau einer dritten Generation von Gravitationswellenobservatorien
darstellt.
Ziel der Studie ist es, die Anforderungen an den Standort für das Teleskop,
die benötigte Infrastruktur und nicht zuletzt das Gesamtbudget zu definieren.
Michele Punturo, Wissenschaftskoordinator der Studie sagt dazu: "Während die
ersten beiden Detektorgenerationen das Feld für die Gravitationswellenastronomie
bereits eröffnen werden, erwarten wir von der dritten Generation ein
Observatorium, das hundert Mal empfindlicher ist als die gegenwärtigen
Detektoren. Auf diese Weise vergrößert sich das beobachtbare Volumen des
Universums um den Faktor eine Million."
Zudem wird man das gesamte auf der Erde messbare Frequenzspektrum von 1 Hz
bis 10 kHz erfassen können. "Dadurch wird das Einstein-Teleskop eine neue Tür in
der Gravitationswellenforschung aufstoßen", so Punturo weiter. Dieses
anspruchsvolle Ziel wird durch die Kombination aller gegenwärtig bekannten
Technologien in einem einzigen Observatorium erreicht. Harald Lück vom
Albert-Einstein-Institut an der Leibniz Universität Hannover, stellvertretender
wissenschaftlicher Koordinator der Studie und Leiter der derzeitigen
technologischen Upgrades des deutsch-britischen Detektors GEO600
ergänzt: "Das Einstein-Teleskop ist ein gemeinsamer Plan aller europäischen
Gravitationswellenforscher. Er ist mit den Projekten unserer amerikanischen
Partner gut synchronisiert, von den gegenwärtigen Detektoren über die
Observatorien der zweiten Generation - die in den nächsten Jahren Daten erheben
werden - bis hin zum Einstein-Teleskop."
"Die Beobachtung von Gravitationswellen wird, zusätzlich zur Bestätigung der
Allgemeinen Relativitätstheorie, andere weitreichende Konsequenzen haben: Zum
ersten Mal werden wir einen Blick in die 'Kinderstube' unseres Universums werfen
können", so Harald Lück weiter. Bisher kann der Himmel nur im
elektromagnetischen Spektrum (etwa Radiowellen, Röntgenstrahlung und sichtbares
Licht) sowie durch die Analyse kosmischer Strahlen und Neutrinos beobachtet
werden. Über die Anfangszeit unseres Universums vom Urknall bis 380.000 Jahre
danach geben diese Methoden keinen Aufschluss, da das Universum erst dann
durchlässig für elektromagnetische Strahlung wurde. Die verschiedenen Theorien
über das frühe Universum konnten bisher also nicht experimentell verifiziert
werden.
Mit der direkten Beobachtung von Gravitationswellen wird es nun aller
Voraussicht nach erstmals möglich sein, bis in die erste Trillionstel Sekunde
nach dem Urknall zurück zu "lauschen". Damit werden völlig neue Informationen
über das Universum zugänglich sein - die Gravitationswellenastronomie wird der
Wissenschaft also vollkommen neue Bereiche eröffnen.
Die Gravitationswellenforschung ist eine globale Herausforderung, denn viele
Quellen von Gravitationswellen können nur dann genau untersucht werden, wenn
mehrere Interferometer an verschiedenen Orten gleichzeitig Daten aufnehmen.
Daher arbeiten die amerikanischen und europäischen Wissenschaftlergruppen seit
langem eng zusammen: im Bereich der Technologieentwicklung, bei der Entwicklung
von Methoden der Numerischen Relativitätstheorie - also beispielsweise der
Simulation von Gravitationswellensignalen - sowie bei der Entwicklung neuer
Methoden und Werkzeuge für die Datenanalyse. Das Gemeinschaftsprojekt
Einstein-Teleskop wird diese weltweite Kollaboration noch weiter stärken.
Gegenwärtig arbeiten in Europa mehrere Gravitationswellendetektoren der
ersten Generation: Das deutsch-britische Observatorium GEO600 wird in
der Nähe von Hannover betrieben, das französisch-italienisch-niederländische
Virgo-Projekt ist in Cascina bei Pisa angesiedelt. Die Daten dieser
Interferometer werden mit denen der drei amerikanischen LIGO-Interferometer
zusammengeführt. Im gesamten Datenpool wird derzeit nach
Gravitationswellensignalen aus astrophysikalischen Systemen gesucht. Die
Suchmethoden, mit denen die Datensätze nach Gravitationswellensignalen
durchforstet werden und die in der Analyse verwendeten Algorithmen sind das
Ergebnis vieler Jahre Forschungs- und Entwicklungsarbeit in Europa und den USA.
Heute werden auf der internationalen Suche nach den ersten direkten
Gravitationswellensignalen viele der Datenanalyseteams von europäischen
Wissenschaftlern geleitet. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts werden alle
interferometrischen Gravitationswellendetektoren zu Instrumenten der zweiten
Generation aufgerüstet. Die Empfindlichkeit von Virgo und LIGO
in den tieferen Frequenzen (bis etwa ein Kilohertz) wird durch den Einsatz von
Technologien, die unter anderem in Europa entwickelt wurden, etwa verzehnfacht.
GEO600 wird insbesondere in der Breitband-Beobachtung von hohen Frequenzen
Pionierarbeit leisten, auch hier durch die Entwicklung und den Einsatz neuer
Technologien. Sollten die derzeit arbeitenden Instrumente nicht die ersten
direkten Nachweise von Gravitationswellen erbringen, wird dies mit großer
Sicherheit von der zweiten Detektorgeneration erwartet.
Das Einstein-Teleskop passt gut in dieses Szenario. Nach dem Abschluss der
Entwicklungsstudie und der folgenden technischen Vorbereitungsphase könnte
voraussichtlich 2017 oder 2018 mit dem Bau begonnen werden, nachdem die
Instrumente der zweiten Generation ihre Arbeit aufgenommen haben. An der für die
dritte Detektorengeneration erforderlichen Technologie wird in zahlreichen
Ländern innerhalb und außerhalb Europas geforscht, auch in den USA und Japan.
Alle Detektoren der dritten Generation, die irgendwann einmal gebaut werden,
werden eng zusammenarbeiten müssen, genau wie die Detektoren der früheren
Generationen.
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