Das Geheimnis von Cassiopeia A
Redaktion /
Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
30. Mai 2008
Der Supernova-Überrest Cassiopeia A gehört mit zu den am besten
studierten Objekten am Himmel. Trotzdem bleibt noch so manche Frage offen. Mit
einem cleveren Trick gelang es Astronomen nun die historische
Supernova-Explosion quasi posthum zu studieren. Sie nutzen dazu das Lichtecho
der damaligen Supernova und bestimmten so, was für ein Stern hier explodiert
ist.
Eine Supernova ist der spektakuläre Todeskampf eines massereichen Sterns, in
dem er über wenige Tage und Wochen eine Galaxie wie das Milchstraßensystem mit
seinen mehr als 100 Milliarden Sternen überstrahlt. Cassiopeia A ist einer der
bekanntesten Überreste einer solchen Sternexplosion. Er besitzt eine helle,
annähernd kreisförmige Struktur, eingebettet in Gas und Staub seiner
interstellaren Umgebung.
An unserem Himmel erschien Cassiopeia A vor mehr als 300 Jahren als Folge
einer Supernova-Explosion, die um das Jahr 1680 stattgefunden haben muss und
möglicherweise von John Flamsteed, dem ersten Astronomer Royal in Greenwich,
beobachtet wurde. Seither expandiert der Überrest mit hoher Geschwindigkeit. Für
die Astronomen ist Cassiopeia A ein einzigartiges "Labor", in dem sich die
Explosionswolke einer Supernova und deren Wechselwirkung mit der diffusen
Materie in ihrer Umgebung studieren lässt.
Es gibt verschiedene Typen von Supernovae, die sich in charakterisischen
Eigenschaften ihrer Spektren unterscheiden. Leider treten Supernovae äußerst
selten auf und seit der Einführung moderner Beobachtungsmethoden hat sich kein
derartiger Ausbruch in unserer Milchstraße ereignet. Supernova-Ausbrüche konnten
daher im Detail bisher nur in fernen Galaxien untersucht werden und es gab
bisher keine Möglichkeit, die Ergebnisse der detaillierten Studien, die sich an
einem nahen Supernova-Überrest durchführen lassen, mit den Eigenschaften einer
spektroskopisch untersuchten Supernova zu verknüpfen.
Doch das könnte sich nun ändern: Der Überrest Cassiopeia A liegt vor unserer
kosmischen Haustür, nur elftausend Lichtjahre von der Erde entfernt, und ist
daher eines der am besten untersuchten Objekte am irdischen Nachthimmel. Als die
Supernova vor mehr als elftausend Jahren explodierte, sandte sie ihr helles
Licht nach allen Richtungen aus. Dieses Licht passierte die Erde im 17.
Jahrhundert und schien danach für uns auf ewig verloren. Die "posthume"
Spektroskopie der längst verblassten Supernova gelang nun, weil die Astronomen
mehrere kurzlebige Reflexe des damaligen Lichtblitzes an Staub- und Gaswolken in
der Umgebung von Cassiopeia A erwischten: Der Umweg einiger Lichtbündel über die
Reflexion an diesen Wolken hatte aufgrund der endlichen Geschwindigkeit des
Lichtes zu derartigen Verzögerungen geführt, dass sie die Erde erst heute
erreichen – so wurden die Forscher jetzt im Nachhinein Zeugen des damaligen
Geschehens.
Damit konnte erstmals das Licht einer galaktischen Supernova mit modernen
spektroskopischen Methoden analysiert werden. Dies ermöglicht nun die sichere
Bestimmung der Supernova; und es wirft neues Licht auf das umfangreiche, im
Laufe der Jahrzehnte in ihrem berühmten Überrest angesammelte Datenmaterial. Die
Untersuchungen wurden von Forschern des Max-Planck-Instituts für Astronomie
zusammen mit japanischen und amerikanischen Kollegen unter der Leitung von
Oliver Krause durchgeführt.
Bereits 2005 hatten sie unter Einsatz des Weltraumteleskops Spitzer
eine Reihe von infraroten "Lichtechos" gefunden: Sobald Verdichtungen im
interstellaren Staub vom Lichtblitz der Supernova erreicht und aufgeheizt
werden, geben sie ihre Wärmestrahlung für einige Tage und Wochen im Infraroten
ab: Die infraroten Lichtechos markieren die aktuelle Lage der radial nach außen
laufenden Lichtfront. Die Astronomen verwendeten nun die infraroten Echos in
Cassiopeia A als Indikatoren, um die viel schwächeren optischen Lichtechos mit
den Teleskopen auf dem Calar Alto in Spanien aufzuspüren.
Die optischen Lichtechos bestehen aus dem ursprünglichen, an den
Staubverdichtungen nur gestreuten Licht der Supernova und enthalten deshalb die
gesamte spektroskopische Information über die ursprüngliche Sternexplosion.
Sobald die optischen Lichtechos gefunden waren, war schnelles Handeln geboten,
denn die Echos leuchten an einem Ort nur für wenige Wochen auf – so lange eben,
wie die damalige Supernova etwa ihre maximale Helligkeit besaß.
Mit dem japanischen 8-Meter-Teleskop Subaru auf Hawaii wurde ein
optisches Spektrum der Echos aufgenommen, das nun die Klassifikation der längst
vergangenen Supernova erlaubt: Im Spektrum treten sowohl Wasserstoff- als auch
Heliumlinien auf – damit ist erwiesen, dass die Supernova von vor mehr als 300
Jahren vom seltenen Typ IIb war. Solche Supernovae entstehen dadurch, dass ein
Roter Überriese, ein massereicher Stern am Ende seines Lebens, nach vorherigem
Verlust eines Großteils seiner äußeren wasserstoffreichen Hülle einen Kollaps
seines inneren, heliumreichen Kerns erfährt: Er kollabiert unter seiner eigenen
Last und wirft dabei einen Teil der verbliebenen Hülle schlagartig ab.
Zurück bleibt - wie in diesem Fall - ein Neutronenstern, oder ein Schwarzes
Loch. Das ins All geschleuderte Material enthält vor allem Helium und
Wasserstoff, deren Linien im Spektrum der Supernova erscheinen. Es entfernt sich
mit vielen Tausend Kilometern pro Sekunde in alle Richtungen und wechselwirkt
heftig mit der interstellaren Materie in der Umgebung. Das dabei entstehende
hochgradig angeregte Gemisch aus stellarer und interstellarer Materie bildet den
Supernova-Überrest.
Nun lassen sich die vielen in der Vergangenheit gesammelten Beobachtungen von
Cassiopeia A diesem speziellen, seltenen Explosionsmechanismus zuordnen: Manche
Details gewinnen dadurch eine ganz neue Bedeutung. Zum Beispiel schien es bisher
merkwürdig, dass von der Supernova, die den Überrest Cassiopeia A entstehen
ließ, kaum Zeugnisse überliefert sind. Möglicherweise war sie identisch mit dem
Stern, von dem der Astronomer Royal John Flamsteed 1680 in Greenwich berichtete:
Er konnte den Stern allerdings nur ein einziges Mal und mit Mühe erkennen.
Da wir jetzt aber wissen, dass es eine Supernova vom Typ IIb war, lässt sich
dies besser verstehen: Solche Supernovae werden besonders schnell schwächer - da
reichen ein paar bewölkte Nächte, um den Mangel an Beobachtungsberichten zu
erklären. Lichtechos wurden schon früher zur Untersuchung von Supernovae in
fernen, extragalaktischen Systemen genutzt. Zusammen mit dieser Studie eines
nahen und mit anderen Methoden bereits ausgiebig beobachteten Falls erweist sich
nun die ganze Wirksamkeit dieser trickreichen Methode.
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