Ein recht lebendiger "toter" Stern
Redaktion / MPG
astronews.com
10. Juni 2005
Cassiopeia
A ist der jüngste bekannte Supernova-Überrest in unserer Galaxis. Er geht auf
das dramatische Ende eines massereichen Sterns im Jahr 1680 zurück. Ein
internationales Team von Astronomen hat nun mit Hilfe des Weltraumteleskops
Spitzer Anzeichen dafür gefunden, dass der für die Supernova verantwortliche
Stern auch 325 Jahre nach seinem Tod immer noch äußerst aktiv ist.
Falschfarbenbild des Supernova-Überrestes Cassiopeia A,
aufgenommen mit dem Röntgensatelliten Chandra im Röntgenbereich
(blau und grün), dem Weltraumteleskop HUBBLE im Optischen (gelb)
und mit dem Weltraumteleskop Spitzer im mittleren Infrarot
(rot). Sterne und das von der Supernova-Explosion mit schweren
Elementen angereicherte Gas leuchten besonders im Optischen,
während die Emission im Infraroten warmen Staub im Überrest
zeigt. Das kompakte türkise Objekt (im Kästchen) ist der nur im
Röntgenbereich sichtbare Neutronenstern.
Bild:
NASA / JPL-CalTec / O. Krause [Großansicht] |
Sehr massereiche Sterne beenden ihr kurzes aber intensives Leben mit einer
gewaltigen Explosion - einer Supernova. Die dabei freigesetzten Energien sind
enorm und verleihen solchen Explosionen genügend Helligkeit, um für kurze Zeit
eine ganze Galaxie überstrahlen zu können. Zurück bleiben eine weiter
expandierende Hülle aus Staub und Gas sowie ein Neutronenstern, gewissermaßen
das Skelett des explodierten Sterns. Ein Team von Astronomen am
Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und in den USA hat nun mit
Hilfe des Weltraumteleskops Spitzer Anzeichen dafür gefunden, dass der
für die Supernova Cassiopeia A verantwortliche Stern auch 325 Jahre nach seinem
Tod immer noch äußerst aktiv ist. Die Forscher berichten über ihre Arbeit in der
heutigen Ausgabe des Fachblattes Science.
Cassiopeia A ist der jüngste bekannte Supernova-Überrest in unserer Galaxis.
Er befindet sich in einer Entfernung von rund 11.000 Lichtjahren und gilt als
Prototyp für den Gravitationskollaps eines massereichen Sternes. Das
spektakuläre Objekt ist eines der meist studierten am Himmel. Umso erstaunlicher
ist die jetzige Entdeckung, dass der Überrest des im Jahre 1680 explodierten
Sternes nicht friedlich ruht, sondern mindestens einen gewaltigen
Energieausbruch vor nicht viel mehr als 50 Jahren gehabt haben muss.
"Bisher dachte man, der Neutronenstern im Zentrum von Cassiopeia A weist
keine Aktivität mehr auf und kühlt langsam aus", sagt Oliver Krause, Erstautor
der neuen Studie. Mit Spitzer haben wir nun entdeckt, dass sich der
explodierte Stern gewissermaßen noch immer im Todeskampf befindet und durch
starke Strahlungsausbrüche ein letztes spektakuläres Feuerwerk in seiner
Umgebung entzündet."
Der Überrest einer Supernova vom Typ II wie Cassiopeia A besteht
typischerweise aus zwei Teilen: einer leuchtenden äußeren Schale, die durch die
expandierende Hülle des explodierenden Sterns entstanden ist, und einem
zentralen Objekt mit nur wenigen Kilometern Durchmesser, aber enormer Dichte -
einem Neutronenstern. Lange Zeit schon war es Astronomen seltsam vorgekommen,
dass der für den Supernova-Überrest Cassiopeia A verantwortliche Stern bereits
so schnell nach seinem gewaltigen und spektakulären Tod im Jahre 1680
ungewöhnlich ruhig erschien. Doch der Schein trog.
Anhand von so genannten Infrarot-Echos ist es möglich, den Weg einer
Energiewelle, wie sie zum Beispiel beim Ausbruch eines aktiven Sterns oder auch
einer Supernova-Explosion entsteht, durch das staubige interstellare Medium zu
verfolgen. Der expandierende, hochenergetische Lichtblitz (vermutlich
Gammastrahlung) heizt beim Durchlaufen seiner Umgebung nacheinander die zufällig
verteilten Wolken von Gas und Staub, die sich dadurch erwärmen und im Infraroten
leuchten. Im Laufe der Zeit ergibt sich so eine Spur von aufleuchtenden und
wieder erlöschenden Filamenten, die die Ausbreitung des Feuerballs von seinem
Ursprung aus markieren. Solch ein Infrarot-Echo wurde nun um Cassiopeia A
entdeckt. Es ist das größte, das jemals beobachtet wurde, und es ist das erste
Echo um eine verhältnismäßig alte Supernova.
Nach genauer Analyse der Beobachtungsdaten fanden die Astronomen mindestens
zwei voneinander unabhängige Echos. Eines scheint von der Supernova-Explosion
aus dem Jahre 1680 selbst zu stammen, das andere von erst kürzlich erfolgten
Ausbrüchen der Sternenleiche in Cassiopeia A, von denen einer um 1953
stattgefunden haben muss. Diese scheinen darauf hinzudeuten, dass es sich bei
der zentralen Quelle in Cassiopeia A um einen so genannten Soft Gamma
Repeater handelt. Solche Objekte sind vermutlich Neutronensterne mit starken
Magnetfeldern, so genannte Magnetare, deren von Beben erschütterte Oberflächen
in unregelmäßigen Abständen zum Teil gewaltige Ausbrüche von Gammastrahlung
zeigen.
Das Astronomen-Team um Oliver Krause entdeckte zunächst auf einer
Infrarot-Aufnahme des MIPS-Instruments an Bord von Spitzer kompakte,
verworrene Staubfilamente. Auf einer wenige Monate später gewonnenen
bodengebundenen Aufnahme schienen sich diese Staubfilamente nahezu mit
Lichtgeschwindigkeit bewegt zu haben - ein erstes Anzeichen der Infrarot-Echos.
Erst weitere Aufnahmen mit der neuen Infrarotkamera Omega2000 am
3,5-Meter-Teleskop des deutsch-spanischen Calar-Alto-Observatoriums und mit
Spitzer zeigten eindeutig, dass sich der Staub selbst nicht bewegt hat.
Vielmehr wurden die Filamente durch die mit Lichtgeschwindigkeit durchlaufende
Energiewelle geheizt, leuchteten auf und verschwanden wieder, wodurch der
Eindruck einer Bewegung entstand: das Infrarot-Echo.
Die Bewegungen der Infrarot-Filamente gehören zu den markantesten, die jemals
bei Objekten außerhalb unseres Sonnensystems beobachtet wurden. Während
typischerweise Jahre oder gar Jahrhunderte nötig sind, um die Bewegung selbst
der näheren Sterne zu verfolgen, reichen im Fall der Echos um Cassiopeia A
wenige Wochen, um deutliche Veränderungen auszumachen.
Die Forscher des Max-Planck-Instituts hoffen, aus den Aufnahmen mehr über die
Natur der zentralen Quelle in Cassiopeia zu lernen. Die vom Weltraumteleskop
Spitzer beobachteten Echos scheinen auf die Existenz eines Magnetars in
Cassiopeia A hinzudeuten. Magnetare sind schwer zu finden und zu untersuchen,
insbesondere, wenn sie nicht mehr mit ihrem Geburtsort in Verbindung stehen.
Sollten die Astronomen im Zentrum von Cassiopeia A tatsächlich solch ein Objekt
entdeckt haben, so wird es das erste sein, von dem genau bekannt ist, wann und
aus was für einem Stern es entstanden ist. Die beobachtete bipolare Struktur der
aufgeheizten Filamente deutet darauf hin, dass die anregende Energiewelle
gebündelt und gerichtet aufgetreten ist. Eine andere Möglichkeit wäre, dass das
nun zum Leuchten angeregte Material selbst die beobachtete, vornehmlich bipolare
Verteilung hat. Dies könnte durch starke kollimierte Winde des massereichen
Sterns vor seiner Explosion erklärt werden.
Zusätzliche Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Spitzer wie auch an
bodengebundenen Observatorien werden helfen, das Geheimnis der Licht-Echos und
ihres rätselhaften Ursprungs zu lüften.
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