Neuer galaktischer
Entfernungsrekord?
von Stefan Deiters astronews.com
12. Februar 2008
Dank einer Gravitationslinse konnten Astronomen mit dem
Weltraumteleskop Hubble jetzt eine Galaxie aufspüren, die vermutlich zu
den jüngsten und leuchtkräftigsten Galaxien gehört, die bislang beobachtet
wurden. Wegen ihrer großen Entfernung sehen wir die Galaxie nur etwa 700
Millionen Jahre nach dem Urknall. Gehört sie damit zu den Objekten, die
mitgeholfen haben, das dunkle Zeitalter des Universums zu beenden?
Die Galaxie A1689-zD1 in einer Infrarotaufnahme
des Weltraumteleskops Hubble.
Der Galaxienhaufen Abell 1689 und mit der
entdeckten Galaxie.
Bilder: NASA, ESA, L. Bradley
(Johns Hopkins University), R. Bouwens
(University of California in Santa Cruz); H.
Ford (Johns Hopkins University) und G.
Illingworth (University of California in Santa
Cruz) [Großansicht] |
Die Galaxie mit Namen A1689-zD1 wurde in Bildern von Hubbles
Near Infrared Camera and Multi-Objekt Spectrometer (NICMOS) aufgespürt.
Die NICMOS-Daten zeigen eine junge Galaxie, die gerade eine heftige Phase von
Sternentstehung durchläuft und damit vielleicht geholfen hat, das "dunkle
Zeitalter" des Universums nach dem Urknall zu beenden. Zusätzliche
Beobachtungen mit dem Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer bestätigten die
Hubble-Daten.
"Wir waren recht überrascht, eine so helle junge Galaxie 13 Milliarden Jahre
in der Vergangenheit zu finden", erläutert Garth Illingworth von der
University of California in Santa Cruz, der zum Beobachterteam gehörte.
"Dies ist der bislang detaillierteste Blick auf ein so weit entferntes Objekt."
Die Wissenschaftler glauben, dass ihre Entfernungsbestimmung recht zuverlässig
ist: "Dieses Objekt ist ein heißer Anwärter auf den Titel der am weitesten
entfernten Galaxie", urteilt daher Teammitglied Piero Rosati von der
Europäischen Südsternwarte ESO.
Die neuen Beobachtungen erlauben einen Blick in die Anfänge der
Galaxienentstehung und helfen vielleicht mehr darüber zu lernen, wie genau das
"dunkle Zeitalter" des Universums zu Ende ging. Hubble ist es in den
letzten Jahren immer wieder gelungen, Galaxien in immer größerer Entfernung
aufzuspüren. Da sich das Licht von diesen fernen Galaxien nur mit einer
begrenzten Geschwindigkeit bewegt, ist ein Blick in große Entfernung auch ein
Blick in die Vergangenheit. Die Beobachtung von einer Galaxie in dieser
Entfernung gibt den Forschern einen Eindruck davon, wie die ersten Galaxien in
ihrer "Kindheit" aussahen.
Nach den bisherigen Theorien begann das "dunkle Zeitalter" etwa 400.000 Jahre
nach dem Urknall. Durch die Ausdehnung des Weltalls kühlte es ab und es bildeten
sich Wolken aus kaltem Wasserstoff, die wie dichter Nebel durch das Universum
zogen. Irgendwann bildeten sich aber die ersten Sterne und Galaxien, deren
Strahlung die Umgebung aufheizte und den "Nebel" vertrieb. Man nimmt heute an,
dass das "dunkle Zeitalter" etwa eine Milliarde Jahre nach dem Urknall zu Ende
war.
"Diese Galaxie ist vermutlich eine der vielen Galaxien, die geholfen haben,
das dunkle Zeitalter zu beenden", erklärt Larry Bradley von der amerikanischen
Johns Hopkins University, der die Studie leitete. "Astronomen sind sich
relativ sicher, dass beispielsweise Quasare nicht genug Energie lieferten, um
das dunkle Zeitalter zu beenden. Aber viele junge Galaxien mit heftiger
Sternentstehung könnten ausreichend Energie erzeugt haben."
Die neue Galaxie ist nur mit Hilfe von Hubbles Infrarotkamera zu
sehen: Das Licht der Galaxie ist durch die Expansion des Universums nämlich so
weit ins Rote verschoben, dass mit der leistungsfähigen Advanced Camera for
Surveys, die im sichtbaren Bereich des Lichtes beobachtet, nichts mehr zu
sehen ist. Zudem kam den Astronomen Abell 1689 zu Hilfe, ein riesiger
Galaxienhaufen in 2,2 Milliarden Lichtjahren Entfernung. Er wirkt als
Gravitationslinse und verstärkt das Licht von noch entfernteren Objekten.
Im Falle von A1689-zD1 wurde das Licht etwa um das Zehnfache verstärkt: "Die
Galaxie lag fast genau dort, wo der Galaxienhaufen für die stärkste Vergrößerung
sorgt - dies war entscheidend dafür, dass wir sie mit Hubble und
Spitzer beobachten konnten", so Rosati. Die ferne Galaxie hat nur ein
Bruchteil der Masse unserer Milchstraße und ist damit typisch für eine Galaxie
im jungen Universum. Mehr als einige helle Flecken der leuchtkräftigsten Sterne
von A1689-zD1 kann aber auch Hubble nicht erkennen. Mit dem Hubble-Nachfolger
aber, dem James Webb Space Telescope, sollte es möglich sein, sogar die
Struktur der fernen Galaxie im Detail studieren zu können.
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