Riesenkamera für besseren Blick ins All
Redaktion / MPIfR-Pressemitteilung astronews.com
14. August 2007
Die weltgrößte Bolometer-Kamera für astronomische
Submillimeter-Beobachtungen ist vor Kurzem am 12-Meter APEX-Teleskop in Betrieb
genommen worden. Das Teleskop liegt in 5.100 m Höhe auf dem Chajnantor-Plateau
in den chilenischen Anden. Die Kamera wurde am Max-Planck-Instituts für
Radioastronomie in Bonn gebaut und ist speziell für die Untersuchung
astronomischer Objekte mit extrem niedrigen Temperaturen ausgelegt.
Ein Beispiel für eine LABOCA-Beobachtung:
Sternentstehung in der galaktischen HII-Region
RCW 120. Das LABOCA-Bild (oben) zeigt RCW 120
nach einer Belichtungszeit von nur etwas mehr
als 3 Stunden. Expandierendes Gas in dieser
HII-Region führt zum Kollaps des umgebenden
Gases in dichte Klumpen, die Keimzellen für die
Entstehung neuer Sterne darstellen. Weil das Gas
in diesen Klumpen nach wie vor sehr kalt ist
(Temperaturen von etwa minus 250 Grad Celsius),
kann es nur in Submillimeter-Wellenlängen
beobachtet werden. Durch die hohe
Empfindlichkeit und das große Blickfeld von
LABOCA wird es möglich, bis zu 4fach schwächere
Klumpen nachzuweisen als bisher möglich. Da die
Helligkeit dieser Klumpen auch ein Maß für die
Masse der stellaren Embryos darstellt, erhalten
die Wissenschaftler dadurch einen Zugang zur
Beobachtung der Entstehung von masseärmeren und
mehr sonnenähnlichen Sternen.
Bild: ESO
HII-Region RCW 120 im sichtbaren Bereich des
Lichtes.
Foto: ESO |
LABOCA, die "LArge BOlometer CAmera", wurde in der Bolometergruppe
des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn gebaut und ist
speziell für die Untersuchung astronomischer Objekte mit extrem niedrigen
Temperaturen ausgelegt. Mit dem großen Blickfeld und ihrer sehr hohen
Empfindlichkeit wird LABOCA neue Einblicke in die Sternentstehung ermöglichen,
außerdem in die Entstehung der ersten Generation von Galaxien nach dem Urknall.
"Ein großer Teil des Gases im Universum hat extrem niedrige Temperaturen von
etwa minus 250 Grad Celsius, nur 20 Grad über dem absoluten Nullpunkt", sagt
Karl Menten, Chefwissenschaftler des APEX-Projekts und Direktor am
Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. "Die Untersuchung von solch
kalten Gaswolken erfordert sehr ausgefeilte Detektoren für den
Submillimeterbereich, in dem sie die meiste Strahlung abgeben."
Für diese Aufgabe benutzen die Astronomen Bolometer-Kameras, die im
wesentlichen die Funktion von Thermometern haben. Mit ihnen weist man die
einfallende Strahlung dadurch nach, dass sie einen Anstieg der Temperatur im
Detektor bewirkt. Im Detail besteht solch ein Bolometer-Detektor aus einer
extrem dünnen Folie, die das einfallende Licht absorbiert. Jede Änderung in der
Strahlungsintensität bewirkt eine entsprechende Änderung in der Temperatur der
Folie, die durch empfindliche elektronische Thermometer aufgezeichnet wird.
Um den Nachweis auch kleinster Temperaturschwankungen zu ermöglichen, werden
die einzelnen Bolometer auf Temperaturen von weniger als 0,3 Grad über dem
absoluten Nullpunkt heruntergekühlt - das sind weniger als minus 272,85 Grad
Celsius. "Das Herunterkühlen auf so niedrige Temperaturen erfordert die
Verwendung von flüssigem Helium und stellt eine enorme Herausforderung für ein
Observatorium dar, das in einer Höhe von 5.100 m über dem Meeresspiegel
betrieben wird", so Carlos de Breuck, der APEX Instrument-Wissenschaftler an der
Europäischen Südsternwarte (ESO).
Es ist keineswegs einfach, die extrem niedrige Temperaturstrahlung
astronomischer Objekte nachzuweisen. Der Millimeter- und Submillimeterbereich
des elektromagnetischen Spektrums eröffnet ein Fenster zum kalten Universum,
aber die Strahlung aus dem Weltall in diesem Wellenlängenbereich wird sehr stark
durch den Wasserdampf in der Erdatmosphäre absorbiert. "Es ist etwa so, als wenn
man versuchte, Sterne während des Tages zu beobachten", erklärt Axel Weiß vom
MPIfR, ein Mitglied des Forscherteams, das LABOCA am APEX-Teleskop installiert
hat.
Das ist natürlich auch der Grund dafür, dass Teleskope für diese Art von
Astronomie an hochgelegenen trockenen Standorten errichtet werden müssen. Genau
deswegen wurde die 5.100 hohe Chajnantor-Ebene in der extrem trockenen Atacama-Wüste
ausgewählt. Sogar unter den optimalen Bedingungen, die dort herrschen, ist die
Temperaturstrahlung der Erdatmosphäre immer noch hunderttausend mal stärker als
die extrem schwachen Signale von fernen Galaxien. Es werden spezielle
Filterprogramme benötigt, um derart schwache Signale aus den vielfach stärkeren
Störungen zu extrahieren.
Sowohl LABOCA selbst als auch die für den Betrieb erforderliche Software
wurden am MPIfR entwickelt. "Da es bis jetzt keine kommerziellen Anwendungen für
solche Instrumente gibt, mussten wir alles selbst entwickeln", erklärt Ernst
Kreysa, der Leiter der Bolometergrupe am MPIfR, die das neue Instrument gebaut
hat. In einer Bolometer-Kamera wird eine Vielzahl von winzigen
Bolometer-Einheiten zu einer Matrix zusammengesetzt, vergleichbar der
Kombination zahlreicher Pixel auf dem Chip einer Digitalkamera.
Mit LABOCA wird bei einer Wellenlänge von 0,87 mm im Submillimeterbereich
beobachtet. Sie besteht aus insgesamt 295 Pixeln in einer hexagonalen Anordnung.
Die Winkelauflösung liegt bei 18,6 Bogensekunden und das komplette Bildfeld hat
einen Durchmesser von 11,4 Bogenminuten. Das ist mehr als ein Drittel des
scheinbaren Monddurchmessers am Himmel, eine sehr bemerkenswerte Größe für ein
Instrument dieser Art. "Schon die ersten astronomischen Beobachtungen haben das
phantastische Potential von LABOCA gezeigt. Vor allem die große Anzahl von
Detektoren stellt eine enorme Verbesserung gegenüber früheren Instrumenten dar",
sagt Giorgio Siringo vom MPIfR, ebenfalls einer der leitenden Wissenschaftler im
LABOCA-Team. "LABOCA ist die erste Kamera, mit der wir große Flächen am Himmel
mit hoher Empfindlichkeit kartieren können."
APEX, das "Atacama Pathfinder Experiment", an dem LABOCA eingesetzt wird, ist
ein neuartiges 12 Meter-Radioteleskop für Submillimeter-Wellenlängen, entwickelt
aus einer Prototyp-Antenne für ALMA, das "Atacama Large Millimeter Array", das
einmal aus 50 Einzelteleskopen bestehen wird (astronews.com berichtete). APEX
wird heute bereits am zukünftigen Standort von ALMA betrieben. Im Vergleich zum
Design der ALMA-Teleskope weist es einen zusätzliche Tertiäroptik auf. Der 12
Meter-Parabolspiegel von APEX hat eine extrem hohe Oberflächengenauigkeit, die
zusammen mit der hervorragenden Durchlässigkeit der Atmosphäre für
Submillimeter-Wellenlängen an diesem Standort Beobachtungen zwischen 0,2 und 1,4
mm Wellenlänge ermöglicht.
Wie der Name schon andeutet, stellt APEX auch einen Pfadfinder für ALMA dar.
Mit APEX werden interessante Objekte im Universum aufgespürt, die dann mit dem
Netzwerk von 50 ALMA-Antennen als Interferometer mit sehr hoher Winkelauflösung
im Detail studiert werden können. Das APEX-Projekt wird in Zusammenarbeit
zwischen dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie, dem schwedischen
Onsala Space Observatory (OSO) und der Europäischen Südsternwarte (ESO)
betrieben.
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