Stuttgart bekommt Raumfahrtzentrum
Redaktion /
idw / Universität Stuttgart astronews.com
11. Juni 2007
Die Universität Stuttgart baut ihre wichtige Rolle in der
deutschen Raumfahrtszene weiter aus: Noch vor Jahresende soll auf dem Campus in
Vaihingen mit dem Bau des Raumfahrtzentrums Baden-Württemberg begonnen werden.
Zahlreiche Satellitenprojekte sind schon heute in Vorbereitung, darunter ein "Flying
Laptop" sowie eine eigene Mondmission.

Start von SOFIA zum ersten Testflug 26.
April 2007 im texanischen Waco. Das deutsche SOFIA-Institut ist
auch an der Universität Stuttgart angesiedelt.
Foto: DLR |
Spätestens im Dezember 2007 soll es auf dem Campus der Universität Stuttgart
in Vaihingen den ersten Spatenstich für das Raumfahrtzentrum Baden-Württemberg
geben. Am 25. Mai hat der Wissenschaftsrat das Projekt der
Bund-Länder-Kommission zur Aufnahme in die Förderung empfohlen; man rechnet
damit, dass die Bund-Länder-Kommission am 9. Juli der Empfehlung folgen wird.
Dass sich die Universität Stuttgart mit diesem Projekt angesichts der starken
bundesweiten Konkurrenz um die Hochschulbaumittel durchsetzen konnte, wertet
Uni-Rektor Prof. Wolfram Ressel als Anerkennung der Exzellenz der Stuttgarter
Luft- und Raumfahrttechnik.
Insgesamt hatten die Länder für das Jahr 2007 14 Antragsskizzen für
Forschungsneubauten vorgelegt, von denen der Wissenschaftsrat acht zur
Antragstellung aufgefordert und letztlich sechs zur Förderung empfohlen hat. Für
diese Vorhaben setzte der Wissenschaftsrat "herausragende wissenschaftliche
Qualität und nationale Bedeutung" voraus. "Ohne die Beteiligung des Bundes
könnten wir dieses anspruchsvolle Bauprojekt nicht realisieren", betont Ressel.
Der Bund trägt die Hälfte der Baukosten in Höhe von insgesamt sieben Millionen
Euro, die andere Hälfte übernimmt die Universität Stuttgart. Dazu kommen noch
Einrichtungskosten in Höhe von 1,56 Millionen Euro.
Mit dem Forschungsneubau am Pfaffenwaldring 29 in direkter Nachbarschaft zu
anderen Instituten der Fakultät Luft- und Raumfahrttechnik und Geodäsie will die
Universität Stuttgart gemeinsam mit dem Bund und zahlreichen Partnern ein
landesweites Raumfahrtforum für Wissenschaft, Industrie und Öffentlichkeit
schaffen. Damit soll der Technologietransfer und Gedankenaustausch zwischen den
beteiligten Institutionen gefördert werden.
Der Neubau wird unter anderem das Uni-Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) mit
dem Stuttgarter Kleinsatelliten-Programm und das ebenfalls an der Universität
angesiedelte Deutsche SOFIA-Institut mit der fliegenden Sternwarte SOFIA
(Stratosphären Observatorium für Infrarot-Astronomie) beherbergen. Das IRS wird
mit nationalen und internationalen Partnern eigene Kleinsatelliten entwickeln,
bauen und betreiben. Dies dient dem Test neuer Technologien auf ihre
Raumtauglichkeit sowie speziellen Erdbeobachtungen, astronomischen
Untersuchungen und Monderkundungen.
"Mit diesem auf zehn Jahre angelegten Programm sind wir in Deutschland
führend und als Partner von Industrie und internationalen
Forschungseinrichtungen stark nachgefragt", betont IRS-Direktor Prof. Hans-Peter
Röser. Bereits in der Bauplanung ist der "Flying Laptop", der als Satellit ohne
eigenen Antrieb für den niedrigen Erdorbit vor allem zur Technologieerprobung
neuer Materialien und Verfahren sowie zur Beobachtung der Atmosphäre und der
Erdoberfläche genutzt werden soll. Der Start ist für das Jahr 2010 mit der
indischen Raumfahrtorganisation ISRO geplant.
In der Entwurfsphase sind drei weitere Satelliten: Perseus, ein
Kleinsatellit zur Erprobung neuer elektrischer Antriebe, Sensoren und
Materialien sowie für astronomische UV-Beobachtungen, das
Wiedereintrittsfahrzeug Cermit zur Untersuchung von Hitzeschutzsystemen
und zur Wiedereintrittsforschung sowie der Kleinsatellit Lunar Mission BW1,
der zum Mond fliegen und diesen als Satellit umkreisen wird. Am Ende seiner
Lebensdauer wird er auf der Oberfläche des Mondes aufschlagen.
"Mit der Vernetzung des amerikanisch-deutschen Projekts SOFIA - übrigens des
einzigen bilateralen Raumfahrtprogramms zwischen Deutschland und den USA - mit
dem Kleinsatelliten-Programm will die Uni Stuttgart den multilateralen Charakter
der Raumfahrt hervorheben und erwartet neuartige Erkenntnisse", erläutert Röser.
Dazu wurde in diesem Frühjahr ein gemeinsames Forschungsprogramm mit dem NASA
Raumfahrtzentrum im Ames Research Center vereinbart. "Diese beiden
Programme ergänzen die bereits vorhandenen und international anerkannten
Forschungsgebiete der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik und Geodäsie",
schrieb der Wissenschaftsrat in seiner Stellungnahme.
Auch weitere Stuttgarter Forschungsbereiche wie Erdfernerkundung, planetare
Erkundung, Missionsanalyse, Raumtransporttechnologie sowie Astronautik und
Raumstationen sind beteiligt und wollen den Neubau nutzen. Insgesamt werden nach
der Fertigstellung über 80 Mitarbeiter im Raumfahrtzentrum tätig sein. Den
Studierenden der Raumfahrttechnik - in Stuttgart werden rund 75 Prozent aller
Raumfahrtingenieure in Deutschland ausgebildet - stehen damit europaweit
einzigartige Ausbildungsmöglichkeiten offen. Zugleich ermöglicht ein
überregionales Forum der Öffentlichkeit direkten Zugang zu Informationen,
Veranstaltungen und Ausstellungen zum Thema Raumfahrt.
|