SOFIA
Radioastronomie über den Wolken
Redaktion
astronews.com
29. Januar 2003
Hoch hinaus
wollen Bonner Radioastronomen: Um ungestört von der Erdatmosphäre die
interstellare Materie studieren zu können, wollen sie eine Boeing 747 mit einem
Radioteleskop ausrüsten. Aus einer Höhe von 14.000 Metern über dem
Erdboden sollen dann Bilder mit bislang unerreichter Qualität gewonnen werden.
![SOFIA](../../../bilder/2003/0301-019.jpg)
SOFIA (von einem anderen Flugzeug aus aufgenommen) und das
3-Meter-Radioteleskop auf dem Gornergrat. Foto/Montage:
Universität Bonn / A. Heithausen |
Am Himmel spielen sich existenzielle Dramen ab - von uns allerdings meist
unbemerkt: Riesige Sonnen explodieren in gewaltigen Lichtblitzen oder hauchen
ihr Leben als farbenprächtige Nebel aus, während in anderen Regionen des Alls
zur gleichen Zeit neue Sterne entstehen. Wissenschaftler der Universität Bonn
untersuchen zusammen mit dem Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie
sowie der Universität zu Köln, welche Prozesse bei der Sterngeburt ablaufen. Die
Deutsche Forschungsgemeinschaft hat nun die Verlängerung des
Sonderforschungsbereichs (SFB) "Die Entwicklung der interstellaren Materie" für
weitere drei Jahre beschlossen. Sie fördert das Projekt mit insgesamt 6,6
Millionen Euro, von denen ein großer Teil in die Entwicklung eines
ungewöhnlichen Messinstruments fließt: Ein Radioteleskop an Bord einer Boeing
747 soll demnächst 14.000 Meter über dem Erdboden völlig neue Beobachtungen
ermöglichen.
Wenn sie könnten, würden manche Astronomen die Atmosphäre abschaffen -
zumindest für ihre Beobachtungen: Lässt die Lufthülle um unseren Planeten
sichtbares Licht noch mehr oder weniger ungehindert passieren, wirkt sie
beispielsweise für Infrarotstrahlung aus dem All wie die Augenklappe eines
Piraten. Zum Ärger der Weltraumforscher, müssen sie doch damit auf eine wichtige
Informationsquelle verzichten. So besteht unser Universum neben Sternen und
Planeten zu einem großen Teil aus dünnen Gaswolken, der so genannten
interstellaren Materie. Diese Wolken, die vor allem Wasserstoff enthalten, sind
so kalt, dass sie kein sichtbares Licht emittieren; sie lassen sich daher mit
einem optischen Teleskop nicht beobachten. Sie senden aber Infrarot- und
hochfrequente Radiowellen aus, die sich mit entsprechenden Teleskopen problemlos
auffangen ließen - wäre da nicht die Erdatmosphäre. Gerade die interstellare
Materie ist jedoch für Astronomen äußerst interessant: Aus ihr können unter
geeigneten Bedingungen neue Sterne entstehen. Eine sehr aktive "Geburtsstätte"
ist beispielsweise die Schwertregion im Sternbild Orion.
Die Universitäten in Köln und Bonn betreiben daher in 3.135 Meter Höhe auf
dem Schweizer Gornergrat ein Radioteleskop, um Störungen durch Wolken und
Wasserdampf in den unteren Atmosphärenschichten zu minimieren. Aber selbst in
dieser luftigen Höhe wirkt die Lufthülle noch immer wie eine starke
Sonnenbrille, die höchstens 40 Prozent der interessanten Frequenzbereiche
durchlässt. "Das bedeutet für uns unter anderem eine sechsfach längere
Messzeit", erklärt der Astronom Privatdozent Dr. Andreas Heithausen, der mit
Professor Dr. Ulrich Klein den Teil des SFBs an der Bonner Universität leitet.
Er hofft auf baldige Abhilfe: Bereits im kommenden Jahr soll nämlich das
"Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie" (SOFIA) seinen Dienst
antreten. Ein Teleskop an Bord einer umgebauten Boeing 747 soll dann 14.000
Meter über dem Erdboden Bilder mit bislang unerreichter Qualität ermöglichen.
Passagierflugzeuge können SOFIA in dieser Höhe nicht in die Quere kommen. Und
das ist auch gut so: Um die Stabilität des Düsenfliegers nicht zu gefährden,
wollen die Ingenieure das "Guckloch" für das Teleskop, das immerhin einen
Durchmesser von 2,7 Metern hat, möglichst klein halten. Schwenks sind daher nur
sehr eingeschränkt möglich. Stattdessen steuert ein Autopilot die Boeing genau
so, dass der Teleskop-Spiegel immer auf die Untersuchungsregion gerichtet bleibt
- das funktioniert natürlich nur bei möglichst leerem Luftraum.
Die US-Raumfahrtbehörde NASA finanziert das Flugzeug und trägt damit 80
Prozent der Gesamtkosten. In Deutschland beteiligen sich neben den
SFB-Instituten das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die
Max-Planck-Institute für Astronomie in Heidelberg und für Extraterrestrische
Physik in Garching; sie sind vor allem für Teleskop und Messtechnik zuständig.
Einen großen Teil des jetzt bewilligten Geldes verwenden die SFB-Forscher für
den Bau von empfindlichen Messinstrumenten für SOFIA. Nach seinem Jungfernflug
im Herbst 2004 soll das Observatorium jährlich 200 mal in die Stratosphäre
aufsteigen. "Wir erhoffen uns davon weitreichende Erkenntnisse zum
interstellaren Medium in Zwerggalaxien und zur Materie in den Randbezirken
unserer Milchstraße", erklärt Dr. Heithausen. Und damit auch zu den
Anfangszeiten des Weltalls: Denn in diesen nahen Himmelsobjekten herrschen zum
Teil noch ähnliche Bedingungen wie in den Geburtsstunden des Universums.
|