Europäische Sonde im Orbit um Venus
Redaktion / ESA
astronews.com
11. April 2006
Das Manöver ist gelungen: Heute morgen schwenkte die
europäische Sonde
Venus Express nach einem nicht unriskanten Bremsmanöver in eine Umlaufbahn
um unseren Nachbarplaneten ein. Venus Express war im November letzten
Jahres gestartet und ist die erste europäische Mission zur Venus. Die Sonde soll
den Planeten mindestens zwei Venustage lang erforschen.
Venus Express ist erfolgreich in einen Orbit um die Venus
eingeschwenkt. Bild: ESA
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Um 9.57 Uhr MESZ dürfte manchem im ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt ein Stein
vom Herzen gefallen sein: Man empfing das erste Signal der Sonde Venus
Express, nachdem sie sich für rund zehn Minuten von der Erde aus gesehen
hinter der Venus befand. Die Daten bestätigten, dass bislang alles nach Plan
gelaufen war. Um 10.07 Uhr MESZ wurden dann die Haupttriebwerk der Sonde wieder
abgeschaltet. Die erste direkte Kommunikation über eine der Hauptantennen der
Sonde mit der Bodenstation begann um 11.12 Uhr MESZ. Venus Express war
sicher in einem Orbit um die Venus angekommen.
Vorausgegangen war das wohl riskanteste Manöver der gesamten Mission:
Das Einschwenken in die Umlaufbahn erfordert eine Reihe von ferngesteuerten
Aktionen, Triebwerkzündungen und Manövern, die Venus Express von ihrer
Geschwindigkeit unmittelbar vor der ersten Zündung (29.000 Kilometer pro Stunde
im Verhältnis zur Venus) auf eine rund 15 Prozent niedrigere
Einschwenkgeschwindigkeit abbremsen müssen, damit die Raumsonde von der
Schwerkraft des Planeten "eingefangen" werden kann.
Für dieses kritische Manöver hatte man wochenlang in Darmstadt geprobt (astronews.com
berichtete). In den nächsten 24 Stunden sollen nun alle Funktionen der Sonde
reaktiviert werden. Bis zum Morgen des 13. April wird die größere
"Hochleistungsantenne 1", die bisher nicht benutzt wurde, korrekt ausgerichtet
und dann einsatzbereit für die Kommunikation mit der Erde sein. Die beiden
Hochleistungsantennen, die an unterschiedlichen Seiten der Sonde angebracht
sind, sollen während der Mission abwechselnd genutzt werden, um zu vermeiden,
dass kritische Außenbordkomponenten der Sonne ausgesetzt werden.
Bevor Venus Express nach einer Reihe weiterer Manöver ihre endgültige
Einsatzbahn erreicht, werden noch viele Tage vergehen. Die erste
9-Tage-Umlaufbahn ist elliptisch mit einem Apozentrum (Venus-fernster Punkt) von
350.000 Kilometer und einem Perizentrum (Venus-nächster Punkt) von weniger als
400 Kilometern. In dieser Zeit werden sieben weitere Triebwerkzündungen erfolgen
(davon zwei mit dem Haupttriebwerk), um in den folgenden Umläufen das Apozentrum
schrittweise zu senken. Die Zielbahn, eine polare Umlaufbahn in 250 bis 66.000
Kilometer über der Venusoberfläche, deren Perizentrum bei über 80 Grad
nördlicher Breite liegt, wird am 7. Mai nach 16 Umläufen erreicht sein.
Am 22. April beginnt die orbitale Inbetriebnahme der Sonde. Ihre Instrumente
werden bis zum 13. Mai nacheinander eingeschaltet und gründlich überprüft,
anschließend werden sie alle zusammen und in Gruppen betrieben. Der
wissenschaftliche Betrieb soll am 4. Juni beginnen. Doch bereits während des
9-tägigen Umlaufs auf der ersten Bahn wird eine gute Gelegenheit für
wissenschaftliche Beobachtungen sein. Diese werden jedoch frühestens 30 Stunden
nach dem Eintritt in den Orbit und nur dann stattfinden können, wenn nicht
andere kritische Vorgänge vorrangig durchgeführt werden müssen. Die erste
Gelegenheit zur Erfassung wissenschaftlicher Daten ergibt sich am 12./13. April.
Während der ersten Umläufe wird sich die gesamte Scheibe der Venus im
Blickfeld der abbildenden Instrumente von Venus Express befinden, was
während der nominalen Phase aufgrund der dann geringeren Abstände zur Oberfläche
nicht mehr möglich sein wird. Diese Beobachtungen werden sich hauptsächlich auf
die südliche Hemisphäre konzentrieren, die bei früheren Missionen nur
unzureichend erforscht wurde.
Vor allem die Geometrie der ersten Umlaufbahn ermöglicht die kontinuierliche
und eingehende Beobachtung der Dynamik der Atmosphäre aus einer größeren
Entfernung über einen den vollen Rotationszyklus der Atmosphäre am oberen Ende
der Wolken (die nach wie vor nicht erklärte viertägige "Super-Rotation")
übersteigenden Zeitraum hinaus. Die Erforschung der Atmosphäre ist denn auch
eines der Hauptziele der Mission.
Beispielsweise kann das abbildende Spektrometer im sichtbaren und nahen
Infrarotbereich (VIRTIS) aus Entfernungen von über 200.000 Kilometern
Schnappschüsse der gesamten Scheibe des Planeten und seiner Atmosphäre machen.
Während der nominalen wissenschaftlichen Phase hingegen müssen die Abbildungen
der Atmosphäre als "Mosaik" zusammengefügt werden. Mit dem Gerät zur Analyse von
Plasma und energiereichen Atomen (ASPERA) werden erstmals aus großer Entfernung
der ungehindert einwirkende Sonnenwind beobachtet und Daten über Entweichungen
in die Atmosphäre auf einem Planeten ohne magnetischen Schutz gesammelt werden
können.
Mit Ausnahme des Radiosondierungsexperiments VeRA und des PFS-Spektrometers
können auf der ersten Umlaufbahn alle Venus Express-Instrumente zu
ausgewählten Zeitpunkten für einige Stunden pro Tag Beobachtungen durchführen.
Venus Express soll über zwei Venustage, was 486 Erdtagen entspricht,
wissenschaftliche Beobachtungen durchführen. Die Mission könnte um denselben
Zeitraum verlängert werden.
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