Erster Blick auf den Südpol der Sonne
Redaktion
/ Pressemitteilung der Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
12. Juni 2025
Bei ihrem jüngsten Vorbeiflug an der Sonne Ende März dieses
Jahres hatte die Raumsonde Solar Orbiter erstmals klare Sicht auf die
Pole unseres Sterns. Jetzt wurden erste Aufnahmen und Messdaten vom Südpol
veröffentlicht. Die Pole der Sonne sind bisher weitestgehend unerforscht; keine
Raumsonde zuvor hat sie je gesehen.

Dieses Bild zeigt eine Magnetfeldkarte, die
von Solar Orbiters Polarimetric and Helioseismic Imager (PHI)
des Solar Orbiter aufgenommen wurde, mit dem Südpol der Sonne
im Mittelpunkt. Blau steht für ein Magnetfeld positiver
Polarität und Rot für ein Magnetfeld negativer Polarität.
Bild: ESA & NASA / Solar Orbiter / PHI Team,
J. Hirzberger (MPS) [Großansicht] |
So gut wie alle Raumsonden, welche die Sonne aus dem Weltall
erforschen, blicken aus der Ekliptik auf unseren Stern. Das ist die Ebene, in
der die Planeten um die Sonne kreisen. Diese Ebene ist zwar leicht gegen den
Sonnenäquator geneigt. Doch der Winkel von etwa sieben Grad reicht nicht aus, um
einen klaren Blick auf die Pole unseres Sterns zu erhaschen. Sonnenteleskope auf
der Erde haben naturgemäß dieselbe eingeschränkte Perspektive. Allein
Ulysses, eine gemeinsame Mission der europäischen und amerikanischen
Weltraumagenturen ESA und NASA, überflog in den Jahren zwischen 1990 und 2009
mehrfach die Sonnenpole, allerdings aus deutlich größerem Abstand als Solar
Orbiter und ohne bildgebende Instrumente an Bord. Für Forschende sind die
Pole der Sonne von besonderem Interesse. Die Vorgänge dort dürften eine
entscheidende Rolle im Aktivitätszyklus der Sonne spielen.
Die Sonne unterliegt einem etwa elfjährigen Rhythmus. Ungefähr alle elf Jahre
durchläuft sie ihr Aktivitätsmaximum. Sie ist dann, wie in den vergangenen
Monaten und aktuell, besonders temperamentvoll. Häufig kommt es in dieser Zeit
zu heftigen Strahlungs- und Teilchenausbrüchen. In den vergangenen Monaten haben
einige davon eindrucksvolle Polarlichter ausgelöst, die selbst in Mittel- und
Südeuropa zu sehen waren. Zudem zeigen sich auf der sichtbaren Oberfläche der
Sonne in dieser Zeit viele dunkle Sonnenflecke, Gebiete mit besonders hoher
Magnetfeldstärke.
Zwischen den Aktivitätsmaxima kommt die Sonne zur Ruhe: Eruptionen treten
kaum auf und auch Sonnenflecke bleiben oftmals über mehrere Monate am Stück
vollständig aus. Die Grundlage des Sonnenzyklus, die "innere Uhr" unseres
Sterns, ist noch nicht verstanden. Das entscheidende, fehlende Puzzlestück zu
einem tieferen Verständnis vermuten Forschende an den Polen. Dieses Puzzleteil
zu finden, ist eines der wichtigsten Missionsziele von Solar Orbiter.
Zu diesem Zweck nutzte der Sonnenspäher den Schwung vom Vorbeiflug an der Venus
vom 18. Februar dieses Jahres, um die Ekliptik zu verlassen. Etwa einen Monat
später am 22. März blickte die Sonde erstmals aus einem Winkel von 17 Grad auf
die Sonne.
"Wir wussten nicht genau, was wir von diesen ersten Beobachtungen erwarten
sollten. Die Pole der Sonne sind buchstäblich terra incognita", sagt Sami
Solanki, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in
Göttingen und Leiter des Teams um Solar Orbiters Instrument
Polarimetric and Helioseismic Imager (PHI). Die heute veröffentlichten
Aufnahmen entstanden am 16. und 17. März dieses Jahres, wenige Tage vor
Erreichen der höchsten Auslenkung aus der Ekliptik, aus einem Winkel von 15
Grad. Neben PHI fingen auch die Instrumente Extreme-Ultraviolet Imager
(EUI) und Spectral Imaging of the Coronal Environment (SPICE)
einzigartige Aufnahmen ein. Das MPS hat Teilinstrumente und Hardware-Komponenten
zu EUI und SPICE beigetragen; das Doppelteleskop PHI ist unter Leitung des MPS
entstanden. Während PHI das sichtbare Licht der Sonne einfängt und so die
Oberfläche der Sonne und ihr Magnetfeld dort abbildet, schauen EUI und SPICE auf
die höherliegenden Schichten der Sonne bis zur heißen Sonnenkorona. Die
Aufnahmen dieser Instrumente können helfen zu verstehen, wie es der Sonne
gelingt, die Teilchen des Sonnenwindes ins All zu schleudern.
Die Aufnahmen von PHI zeigen das Magnetfeld am Südpol im Ausnahmezustand.
Generell ist das Magnetfeld der Sonne deutlich verworrener aufgebaut als das der
Erde. Viele kleine, veränderliche und hochkomplexe magnetische Strukturen, die
etwa im Zusammenhang mit Sonnenflecken oder an den Polen auftreten, erzeugen das
großräumige, globale Magnetfeld der Sonne. Während eines großen Teils des
Sonnenzyklus gleicht es dem eines Stabmagneten, wobei die Pole der Sonne in etwa
den magnetischen Polen entsprechen. Das globale Magnetfeld polt sich im
Aktivitätsmaximum der Sonne, also etwa alle elf Jahre, um. Dabei dürften die
kleinen magnetischen Strukturen an den Polen eine wichtige Rolle spielen.
Forschende erwarten, dass sich das Magnetfeld an den Polen im Verlauf des
Sonnenzyklus stark verändert. Während dort im Aktivitätsminimum vornehmlich eine
magnetische Polarität vorherrschen dürfte, sollte das Magnetfeld im Maximum
deutlich komplexer sein. Das bestätigen die aktuellen Messungen. Am Südpol
offenbaren die PHI-Messdaten ein unübersichtliches Nebeneinander kleiner Gebiete
unterschiedlicher Polarität.
"Solar Orbiter hat seine neue Beobachtungsposition genau zur richtigen Zeit
eingenommen", freut sich MPS-Wissenschaftler und PHI-Operations-Scientist Johann
Hirzberger. "PHI konnte das Magnetfeld am Südpol in einem Schlüsselmoment
abbilden." Das Team ist nun gespannt darauf, in den nächsten Monaten und Jahren
mitzuverfolgen, wie sich das polare Magnetfeld umstrukturiert. Aktuelle
Prognosen deuten darauf hin, dass die Aktivität der Sonne bis dahin auf
insgesamt hohem Niveau leicht abnimmt. Bis Ende 2026 wird Solar Orbiter
den Nord- und Südpol der Sonne noch dreimal aus einem Winkel von 17 Grad
betrachten können. Ein weiterer Venus-Vorbeiflug am 24. Dezember 2026 wird die
Bahn der Sonde weiter neigen, so dass ein Winkel von 23 Grad erreicht wird. Dies
wird zu einer noch besseren Sicht auf die Pole führen.
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