Lebensbausteine auf der Oberfläche stammen aus dem All
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
28. Januar 2025
Woher stammt das organische Material, das sich in wenigen
Gebieten auf der Oberfläche des Zwergplaneten Ceres findet? Nach einer Analyse
von Daten der Raumsonde Dawn, die mithilfe künstlicher Intelligenz
durchgeführt wurde, scheint klar: vermutlich nicht aus dem Inneren von Ceres.
Die Lebensbausteine könnten vielmehr durch Einschläge von Asteroiden auf den
Zwergplaneten gelangt sein.
Ein Blick auf die Fundstellen organischen
Materials auf der Oberfläche des Zwergplaneten Ceres (hier in
Rot) in der Nähe des Ernutet-Kraters.
Bild: MPS [Großansicht] |
Zum notwendigen Inventar lebensfreundlicher Welten zählen organische
Moleküle. Auf der Erde bilden die Verbindungen aus Kohlenstoff, Wasserstoff und
– in kleineren Mengen – weiteren Elementen die Grundbausteine allen Lebens. In
den vergangenen Jahren sind Forschende in großer Entfernung von der Sonne
bereits fündig geworden: auf trans-neptunischen Objekten, Kometen und weit
entfernten Asteroiden. Diese Körper gelten als weitestgehend unveränderte
Überbleibsel aus den frühen Tagen des Sonnensystems; die Lebensbausteine dürften
deshalb von Anfang an zu ihrer "Grundausstattung" gehört haben. Ins innere
Sonnensystem sind sie womöglich erst später vorgedrungen.
Für eine jetzt vorgestellte Studie haben Forschende unter Leitung des
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen nach bisher
unbekannten Ablagerungen organischen Materials auf dem Zwergplaneten Ceres
gesucht. Der etwa 960 Kilometer große Körper ist weder eindeutig ein Kind des
inneren, noch des äußeren Sonnensystems. Er kreist im mittleren Asteroidengürtel
zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter um die Sonne; früheren
Untersuchungen zur Folge könnte dort sein Geburtsort liegen. Die Wissenschaft
interessiert sich deshalb für den Ursprung seiner organischen Bestandteile. Sind
sie vor Ort im Asteroidengürtel entstanden? Oder erst später zugereist?
Hinweise auf Ablagerungen organischen Materials fanden sich schon im frühen
Verlauf der Dawn-Mission. Die gleichnamige Raumsonde hatte Ceres im März 2015
erreicht und etwa dreieinhalb Jahre lang begleitet. Das wissenschaftliche
Kamerasystem und das Spektrometer an Bord rasterten in dieser Zeit die gesamte
Oberfläche des Zwergplaneten lückenlos ab. Potentielle Fundstellen organischen
Materials verraten sich in den Kameradaten: Bei dem von dort reflektierten Licht
nimmt mit zunehmender Wellenlänge die Helligkeit auf auffällige Weise zu. Das
Spektrometer spaltet das Licht in mehr Wellenlängen auf als die Kamera und kann
so den Verdacht absichern. Die so aus der Umlaufbahn gewonnen Daten erlauben es
zwar nicht, einzelne Molekülsorten zweifelsfrei zu identifizieren. Sicher ist
aber, dass es sich bei den entdeckten Ablagerungen um organische Verbindungen
handelt, deren Kohlenstoffatome lange, nicht geschlossene Ketten bilden.
Forscher bezeichnen solche Moleküle als aliphatische Kohlenwasserstoffe.
Die Autorinnen und Autoren der aktuellen Studie haben nun die gesamte
Oberfläche des Zwergplaneten mittels künstlicher Intelligenz nach Spuren
aliphatischer organischer Moleküle durchkämmt. "Fundstellen organischer Moleküle
sind auf Ceres eigentlich eine Seltenheit. Sie zeigen keine typischen Merkmale
von Kryovulkanismus", fasst Ranjan Sarkar vom MPS die Ergebnisse zusammen. Die
allermeisten Ablagerungen erstrecken sich am Rand oder in der Nähe des großen
Ernutet-Kraters auf der Nordhalbkugel des Zwergplaneten. Nur drei liegen in
größerer Entfernung davon. Zwei "Sprenkel" waren bisher noch nicht bekannt.
Ein genauer Blick auf die geologischen Strukturen an den Fundstellen erlaubt
weitere Schlüsse. "An keiner der Ablagerungsstellen finden wir Hinweise auf
aktuelle oder frühere vulkanische oder tektonische Aktivität: keine Gräben,
Schluchten, Vulkankuppen oder Schlote. Zudem gibt es in der Umgebung keine
tiefen Einschlagskrater", so Martin Hoffmann vom MPS.
Im Zuge der Dawn-Mission hatte sich Ceres als außergewöhnliche,
kryovulkanische Welt entpuppt. Unter ihrer Oberfläche verbirgt sich eine
wässrige Sole, die stellenweise noch bis in jüngste geologische Vergangenheit an
die Oberfläche quoll. "Natürlich liegt zunächst die Vermutung nahe, dass Ceres‘
einzigartiger Kryovulkanismus das organische Material aus dem Innern des Körpers
an die Oberfläche transportiert hat", so Andreas Nathues vom MPS,
wissenschaftlicher Leiter des Kamerateams. "Doch unsere Ergebnisse sprechen
dagegen."
An den Schauplätzen kryovulkanischer Aktivität fehlen die Beweise für
Organik. Und an den Stellen, an denen organische Verbindungen sicher
nachgewiesen sind, fehlen die Anzeichen für Tiefen- oder Oberflächenaktivität.
Die Forschenden argumentieren deshalb, dass der Einschlag eines oder mehrerer
Asteroiden aus dem äußeren Asteroidengürtel das organische Material eingetragen
hat. Computersimulationen zeigen, dass diese Körper zu den Geschossen zählen,
die am häufigsten mit Ceres zusammenprallten. Da die nicht allzu fernen Nachbarn
dabei nicht viel Fahrt aufnehmen, entsteht beim Einschlag nur wenig Hitze.
Organische Verbindungen können diese Temperaturen überstehen.
"Leider kann Dawn nicht alle Arten organischer Verbindungen
aufspüren", gibt Nathues zu bedenken. Es sei durchaus wahrscheinlich, dass auch
in Ceres‘ unterirdischem Ozean Lebensbausteine entstanden und vielleicht sogar
bis zur Oberfläche vorgedrungen sind - oder immer noch dringen. "Die organischen
Ablagerungen, die bisher mit Dawn sicher nachgewiesen wurden, stammen
jedoch wahrscheinlich nicht von Ceres selber." Für den Nachweis organischen
Materials aus dem Inneren von Ceres sei wohl eine zukünftige Landemission
erforderlich, so Nathues weiter.
Die Ergebnisse der Studie wurden in der Zeitschrift Nature
veröffentlicht.
|