Die gesamte Sonnenscheibe mit unerreichter Detailschärfe
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
21. November 2024
Der europäischen Sonnensonde Solar Orbiter sind
neue, detaillierte Bilder der Sonnenscheibe in bisher unerreichter Detailschärfe
zu verdanken. Die jetzt vorgestellten Ansichten entstanden aus Daten, die
Solar Orbiter am 22. März 2023 von knapp außerhalb der Umlaufbahn des
Merkurs gewonnen hat. Sie zeigen die faszinierende Dynamik unseres
Zentralsterns.
Die Oberfläche der Sonne im sichtbaren Licht
zusammengesetzt aus Messdaten des Doppelteleskops PHI vom 22.
März 2023.
Bild: ESA & NASA / Solar Orbiter / PHI Team
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Kein Körper in unserem Sonnensystem ist so dynamisch und vielschichtig wie
die Sonne. Um möglichst all ihre Eigenheiten aufzudecken, ist die ESA-Raumsonde
Solar Orbiter mit insgesamt sechs Messinstrumenten ausgestattet, die in
verschiedene Schichten unseres Sterns blicken. So fängt etwa das Instrument
Extreme-Ultraviolet Imager (EUI) die besonders kurzwellige ultraviolette
Strahlung der Sonne ein, die ihren Ursprung vornehmlich in ihrer heißen äußeren
Atmosphäre, der Sonnenkorona, hat. Das Doppelteleskop Polarimetric and
Helioseismic Imager (PHI) richtet seinen Blick auf die darunterliegende,
sichtbare Oberfläche, die Photosphäre. Das Licht, das von dort abgestrahlt wird,
enthält auch Informationen über die Stärke des Sonnenmagnetfeldes und die
Bewegungsrichtung des Sonnenplasmas.
Die jetzt vom Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in
Göttingen veröffentlichten Aufnahmen der Sonne entstanden aus Messdaten beider
Instrumente vom 22. März 2023. "Wenn man die Sonne in ihrer Gesamtheit verstehen
will, ist es unabdingbar gleichzeitig und mit hoher Auflösung in all ihre
Schichten zu schauen", so MPS-Direktor Prof. Dr. Sami K. Solanki,
wissenschaftlicher Leiter des PHI-Teams. "Das kann Solar Orbiter wie
keine Raumsonde vor ihr." Neben der umfangreichen Instrumentierung ist ein
weiterer Vorteil der Raumsonde ihre außergewöhnliche Flugbahn. Sie führt
Solar Orbiter auf langgezogenen Ellipsen um die Sonne herum – und so immer
wieder auf weniger als ein Drittel des Abstandes zwischen Erde und Sonne an
unser Zentralgestirn heran. Das entspricht etwa 42 Millionen Kilometern.
Am 22. März vergangenen Jahres trennten Solar Orbiter etwa 74
Millionen Kilometer von ihrem Forschungsobjekt. Aus dieser "Nähe" ist die Sonne
zu groß, um komplett ins Sichtfeld des hochauflösenden Teleskops von PHI zu
passen. Stattdessen gelangen über einen Zeitraum von mehreren Stunden insgesamt
25 Teilaufnahmen, die Forschenden des PHI-Teams nun mosaikartig zu
Gesamtansichten der Sonne vereint haben. "Die Informationen, die wir
beispielsweise für unsere magnetischen Karten der Sonne benötigen, verstecken
sich nur in einem winzigen Teil des eingefangenen Lichtes", erklärt
MPS-Wissenschaftler Dr. Johann Hirzberger aus dem PHI-Team, der die Mosaike
erstellt hat. "Die Daten können deshalb an Bord der Sonde kaum komprimiert
werden. Wegen des großen Abstandes zur Erde und der vergleichsweise geringen
Datenübertragungsrate erreichen uns die riesigen Datenmengen, die so anfallen,
zum Teil erst Monate nach der Messung."
Da Solar Orbiter während der Messungen zudem immer weiterfliegt,
entstehen die einzelnen Teilansichten alle aus leicht unterschiedlichen
Blickwinkeln. Diese Effekte müssen beim "Zusammenpuzzeln" der Mosaike sorgfältig
berücksichtigt werden. Dennoch erwartet das PHI-Team, ähnliche hochaufgelöste
Ansichten der gesamten Sonnenscheibe demnächst schneller und zudem regelmäßig
etwa zweimal im Jahr zu liefern. Sie werden helfen zu verstehen, wie sich unser
Bild der Sonne als Ganzes aus ihren kleinsten Strukturen und Prozessen
zusammensetzt.
Die jetzt veröffentlichten Gesamtansichten der Photosphäre haben eine
Auflösung von etwa 175 Kilometern pro Pixel. Damit bleibt ihre Detailschärfe
hinter der Genauigkeit der leistungsfähigsten Sonnenteleskope auf der Erde
zurück. Allerdings können die irdischen Sonnenspäher nur einen sehr kleinen
Ausschnitt der Sonnenoberfläche hochaufgelöst abbilden. Und wegen der
schwierigen Beobachtungsbedingungen auf der Erde, wo ständige Luftturbulenzen
den Blick stören, ist es kaum möglich, diese "Sonnenschnipsel" jemals zu einem
Ganzen zusammenzusetzen. Da die Erdatmosphäre zudem die ultraviolette Strahlung
von der Sonne größtenteils verschluckt, sind zeitgleiche Aufnahmen der Korona
von der Erde aus ebenfalls nicht möglich.
Beim Hineinzoomen (siehe Link) in die neuen Sonnenansichten offenbart sich
die ganze Komplexität und Schönheit unseres Sterns. Im sichtbaren Licht
überzieht ein wabenartiges Muster die Photosphäre. Es ist Ausdruck der heißen
Plasmaströme, die im Innern der Sonne aufsteigen, abkühlen und wieder in die
Tiefe sinken – ganz ähnlich wie in einem Topf kochenden Wassers. Auch
Sonnenflecken, dunkle Bereiche auf der Sonnenoberfläche, sind zu sehen.
Zeitgleich wurden auch eine magnetische Karte, das Magnetogramm, eine
Geschwindigkeitskarte, das Tachogramm, und ein Blick auf die dynamischen
Prozesse in der Korona veröffentlicht.
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