Präzisere Halbwertzeit für Samarium-146
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Paul Scherrer Instituts (PSI) astronews.com
20. August 2024
Forscherinnen und Forschern ist es gelungen, die
Halbwertzeit von Samarium-146 sehr präzise zu bestimmen. Die jetzt vorgestellten
Ergebnis passen perfekt zu den Daten, die die Astrophysik und Geochemie mithilfe
von extraterrestrischen Proben ermittelt haben. Gleichzeitig wurden
Unsicherheiten über die genaue Halbwertzeit damit endgültig beseitigt.

Zeynep Talip (von
links), Rugard Dressler und Dorothea Schumann
freuen sich über das Ergebnis einer jahrelangen
Arbeit zur Halbwertzeit von Samarium-146, das
eine wichtige Rolle in der astrophysikalischen
und geologischen Zeitbestimmung spielt. Bild:
Markus Fischer / Paul Scherrer Institut PSI [Großansicht] |
Samarium-146 hat eine Halbwertzeit von 103 Millionen Jahren. Oder von 68
Millionen Jahren. Oder etwa doch von 98 Millionen Jahren? So genau wusste man
das bisher nicht, denn seit den ersten Messungen in den 1950ern kamen
Forscherinnen und Forscher immer wieder zu widersprüchlichen Ergebnissen. In den
Wissenschaften Astrophysik und Geochemie ist das ein großes Problem:
Forscherinnen und Forscher brauchen einen möglichst genauen Wert der
Halbwertzeit von Samarium-146, um die Bildung von Asteroiden und Planeten zu
erklären oder das Alter von Gesteinen zu datieren. Für sie hat die Ungewissheit
nun ein Ende. Samarium-146 hat eine Halbwertzeit von 92 Millionen Jahren – was
die Altersbestimmungen von Meteoriten oder Mondproben sehr gut bestätigt.
Zu diesem Ergebnis kommt ein Team von Forscherinnen und Forschern am Paul
Scherrer Institut PSI in Villigen und an der Australian National University
in Canberra. "Unser Ergebnis ist das bisher genaueste", sagt Dorothea Schumann,
die das Team leitete und mit dem Ergebnis eine über zehnjährige Unsicherheit
endgültig beendete: 2012 hatte ein Team aus Japan, Israel und den USA einen
überraschend niedrigen Wert für die Halbwertzeit von Samarium-146
veröffentlicht: 68 Millionen Jahre mit einer Unsicherheit von sieben Millionen
Jahren. Das hat unter Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftlern weltweit
für Bestürzung gesorgt, da dieser Wert weder zu den älteren Experimenten passte
noch zu den Messdaten von Meteoriten, die für die Datierung der Entstehung
unseres Sonnensystems verwendet werden.
Weil niemand eine endgültige Entscheidung darüber treffen konnte, welches
Ergebnis das richtigere ist, lautete die Empfehlung eines Expertenteams, einfach
diesen neuen und den zuvor bekannten Wert parallel zu verwenden – ein für
Forscherinnen und Forscher unhaltbarer Zustand. Für Mondgesteine ergeben sich so
zum Beispiel Unterschiede von 90 Millionen Jahren, was circa 35 Prozent ihres
Entstehungsalters entspricht. 2023 kam dann die Erlösung: Die Autoren konnten
eine Ungenauigkeit in einem Schritt der Probenherstellung identifizieren und
zogen ihre Arbeit deshalb zurück.
Doch damit war das Problem nur vertagt. In den Geowissenschaften benötigte
man nach wie vor einen genaueren Wert für die Halbwertzeit von Samarium-146 und
weiterer radioaktiver Isotope, die eine wichtige Rolle für die Datierung der
Planetenentstehung spielen. All diesen Isotopen gemeinsam ist, dass sie lange
Halbwertzeiten von vielen Millionen Jahren haben. So lange dauert es, bis die
Hälfte des radioaktiven Stoffs zerfallen ist. Bei Samarium-146 handelt es sich
um einen reinen Alpha-Strahler, das Atom sendet einen Helium-Kern aus und
zerfällt in Neodym-142.
Weil man selbstverständlich nicht Millionen Jahre warten kann, bis eine
nennenswerte Menge eines Stoffs zerfallen ist, braucht es andere Methoden, die
schneller zum Ergebnis kommen. Das ist in der Theorie ganz einfach. Um die
Halbwertzeit eines beliebigen radioaktiven Isotops zu bestimmen, muss man "nur"
die Zahl der Atome in der Probe bestimmen sowie die Aktivität, also die
Zerfallsrate. Der Quotient ergibt dann die Halbwertzeit bis auf einen konstanten
Faktor, den natürlichen Logarithmus von 2. "Nur" ist hier allerdings ein viel zu
optimistisches Wörtchen. Denn die exakte Bestimmung der beiden Werte ist
kompliziert und gepflastert mit experimentellen Stolpersteinen.
Das Team hat aber für alle diese Herausforderungen Lösungen gefunden. Das
Experiment gliedert sich in drei Teile: Erstens die Gewinnung ausreichender
Mengen des auf der Erde nicht vorkommenden Isotops Samarium-146. Dafür erwiesen
sich Tantal-Proben, die an der Schweizer Spallations-Neutronenquelle SINQ des
PSI bestrahlt wurden, als perfektes Ausgangsmaterial. Mithilfe einer Reihe von
hoch selektiven chemischen Trennverfahren erhielt man die äußerst reine Lösung
einer Samarium-Verbindung zur Herstellung einer sehr dünnen Probe für die
Aktivitätsmessung. Dazu wurde ein Teil der Lösung auf einer nur 75 Mikrometer
dünnen Kohlenstofffolie abgeschieden.
Zweitens die Aktivitätsmessung: Die so präparierte Samarium-Probe wurde dann
in einen wohl definierten Abstand zu einem Detektor für Alpha-Strahlung
gebracht. Die Samarium-Abscheidung ist nur Bruchteile eines Mikrometers dünn,
sodass sie die Alphateilchen nicht stoppt. Durch die Bestimmung der Energie
lässt sich außerdem erkennen, ob ein Alphateilchen tatsächlich vom Zerfall des
Samarium-146 stammt. Kalibriert wurde die Apparatur mit einer sehr genau
bestimmten Probe von Americium-241, die von der deutschen
Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig hergestellt wurde. Wegen
der winzigen Menge an Samarium-146 – sogar ein einzelnes Körnchen Puderzucker
wiegt 10-mal mehr – musste das Team drei Monate lang messen, um die Aktivität
genau genug zu bestimmen, es waren knapp 54 Zerfälle pro Stunde.
Drittens die Bestimmung der Zahl der Atome: Hier haben die Forscherinnen und
Forscher die Samarium-Lösung mit verscheiden Massenspektrometern sowohl am PSI
als auch an der Australian National University auf seine
Zusammensetzung untersucht, wobei die Anzahl der Atome von Samarium-146 und auch
aller anderen in der Probe vorhandenen Samarium-Isotope gezählt wurde. Durch die
Zugabe von natürlichem Samarium, das kein Samarium-146 enthält, konnte auch der
genaue Gehalt aller Samarium-Isotope inklusive Samarium-146 bestimmt werden.
Weil in der Mischung noch ein zusätzliches künstliches Samarium-Isotop enthalten
ist, das Gamma-Strahlung aussendet, konnten die Forscherinnen und Forscher
feststellen, wie viele Samarium-146-Atome auf der dünnen Folie abgeschieden
wurden: genau 6,28 mal 1013 Atome oder nur 0,000018 Milligramm
Samariumoxid.
Außerdem konnte das Team die hohe Reinheit der Probe nicht nur behaupten,
sondern tatsächlich auch durch zusätzliche Messungen belegen. "Das ist die
Spezialität unseres Labors am PSI und das haben auch die Gutachter an unserer
Publikation besonders hervorgehoben", sagt Rugard Dressler vom Labor für
Radiochemie. Nachdem die experimentellen Herausforderungen gemeistert waren, war
der Rest ein Fall für den Taschenrechner. Das Ergebnis für die Halbwertzeit von
Samarium-146 ist 92,0 ±2,6 Millionen Jahre.
Über die Ergebnisse berichtete das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Scientific Reports erschienen ist.
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