Neue Messung der Halbwertzeit
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Wien astronews.com
16. Februar 2015
Die Halbwertzeit des radioaktiven Isotops Eisen-60 mag für
Laien wenig interessant erscheinen. Allerdings ermöglicht diese eine
vergleichsweise präzise Datierung astrophysikalischer Ereignisse. Vor sechs
Jahren sorgte eine Studie für Aufregung, nach der die Halbwertzeit von Eisen-60
bislang deutlich unterschätzt wurde. Dies bestätigten jetzt neue Messungen.
Eine künstlerische Darstellung der Umgebung
um eine Supernova-Explosion, in der auch frisch
produziertes Eisen-60 ins interstellare Medium
abgegeben wird.
Bild: ESO / M. Kornmesser [Großansicht] |
Bedeutende astrophysikalische Ereignisse in unserer Milchstraße können
mithilfe radioaktiver Isotope zeitlich zugeordnet werden. Ein Team von
Wissenschaftlern der Universität Wien, der Technischen Universität Wien, der
Australian National University (ANU) und des Paul-Scherrer-Instituts in der
Schweiz ist es gelungen, die Halbwertszeit des radioaktiven Eisen-60-Isotops
genau zu bestimmen. Damit legen sie den Grundstein für eine präzise
astronomische Uhr zur Erfassung von Zeitabläufen im Universum. Die Arbeit war
Teil eines experimentellen Astrophysikprogramms an der Beschleunigeranlage VERA
der Universität Wien.
Das radioaktive Isotop Eisen-60 ist ideal dafür geeignet, als
"astrophysikalische Uhr" Informationen über Supernovae, Elementbildung in
Sternen und auch über das frühe Sonnensystem zu liefern. "Eisen-60 erlaubt es
uns, die Bildung von chemischen Elementen in massereichen Sternen sozusagen
'live' zu verfolgen. Dafür benötigen wir jedoch eine genaue Kenntnis der
Halbwertszeit – also der Lebensdauer dieses Isotops", erklärt Anton Wallner, der
die aktuelle Studie an der Fakultät für Physik der Universität Wien und später
als Gruppenleiter an der australischen Nationaluniversität (ANU) in Canberra
geleitet hat.
Bisher gab es zwei stark voneinander abweichende Werte: Eine Messung aus dem
Jahr 1984 besagt, dass die Halbwertszeit des Eisen-60-Isotops 1,5 Millionen
Jahre beträgt, während eine Messung aus dem Jahr 2009 eine beinahe doppelt so
lange Halbwertszeit ergab (astronews.com berichtete).
Mit ihren jüngsten Experimenten bestätigen die Wissenschaftler nun die Messungen
aus dem Jahr 2009 und lösen somit das Rätsel um eine langjährige Unstimmigkeit
auf diesem Gebiet.
Die genaue Halbwertszeit des radioaktiven Eisens-60 wurde auf 2,6 Millionen
Jahre festgesetzt. "Durch diese Erkenntnis lässt sich das Isotop nun als präzise
kosmische Uhr, also als natürliches Archiv zur Erfassung von Zeitabläufen im
Universum, verwenden", so Wallner.
Das Eisen-60-Isotop kommt nicht natürlich auf unserer Erde vor. Es wird
hauptsächlich in massereichen Sternen gebildet, die am Ende ihres Lebens als
Supernovae explodieren und so radioaktive Elemente im Weltraum verteilen.
Aufgrund der charakteristischen Strahlung, die die Isotope während ihres
radioaktiven Zerfalls aussenden, kann es seit kurzem mit Satelliten direkt in
unserer Milchstraße beobachtet werden.
Diese Strahlung liefert Hinweise darauf, wie durch jüngste Supernovae neue
Elemente entstanden sind. "Findet man natürliche Eisen-60-Atome auf der Erde, so
müssen diese aus erdnahen kosmischen Explosionen der letzten paar Millionen
Jahre stammen. Derartige Ereignisse könnten Änderungen des Klimas auf der Erde
bewirkt haben, erklärt Walter Kutschera vom VERA-Labor der Universität Wien.
"Sogar die Geburt des Sonnensystems vor viereinhalb Milliarden Jahren könnte so
ausgelöst worden sein, da man die Zerfallsprodukte von Eisen-60 in Meteoriten
nachgewiesen hat."
Da Eisen-60-Isotope langsam zerfallen, ist es eine Herausforderung ihre
Halbwertszeit genau zu messen. Die Forscher aus Österreich, Australien und der
Schweiz verwendeten dazu "radioaktiven Abfall" aus einer Beschleunigeranlage des
Paul-Scherrer-Instituts, in der eine ausreichende Menge an künstlich
produziertem Eisen-60 enthalten war. Um die geringe Zahl an Atomen in der Probe
genau zu bestimmen, nutzten sie eine besonders empfindliche Technik, mit der
sich die Atome direkt zählen lassen.
Die Beschleunigeranlagen VERA (Vienna Environmental Research Accelerator) der
Universität Wien und das Beschleuniger-Massenspektrometer der Australian
National University zählen zu den weltweit empfindlichsten Anlagen, um
winzigste Spuren von seltenen Elementen nachzuweisen. "Das Besondere an unserer
Arbeit ist, dass wir den Gehalt von Eisen-60 relativ zu einem weiteren
radioaktiven Eisen-Isotop, nämlich Eisen-55, bestimmen konnten, welches genauer
zu messen war", erklärt Wallner.
Die Forscher veröffentlichten ihre Resultate jetzt in der Fachzeitschrift
Physical Review Letters, wo die Studie zudem als "Highlight" besonders
hervorgehoben wurde.
|