Bedingungen auf dem Saturnmond im Labor nachgestellt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Stuttgart astronews.com
14. Mai 2024
Vor einigen Jahren wurden in Eispartikeln des Saturnmonds Enceladus sehr große
organische Moleküle entdeckt. Noch ist unklar, ob sie auf die Existenz von Leben
hindeuten oder auf andere Weise entstanden sind. Laborexperimente zeigten nun,
dass lebensfreundliche Bedingungen in extraterrestrischen Ozeanen nachweisbare
Spuren in Eiskörnern hinterlassen können.
Künstlerische Darstellung des Saturnmonds
Enceladus und seiner Eisfontänen, die sich aus einem Ozean
unter der Oberfläche speisen.
Bild: NASA / JPL-Caltech[Großansicht] |
Die Wiege des Lebens auf der Erde befand sich vermutlich in einem
Heißwasser-Schlot auf dem Grund des Ozeans. "In der Forschung sprechen wir auch
von einem Hydrothermal-Feld", erklärt Dr. Nozair Khawaja vom Institut für
Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart. "Es gibt gute Hinweise darauf,
dass in solchen Feldern Bedingungen herrschen, die für die Entstehung oder
Aufrechterhaltung einfacher Lebensformen wichtig sind." Möglicherweise gibt es
derartige Schlote auch auf einem Himmelskörper, der nach kosmischen Maßstäben
nicht weit von unserem Heimatplaneten entfernt ist: dem Saturnmond Enceladus.
Der Trabant misst ungefähr 500 Kilometer im Durchmesser, seine Oberfläche ist
mit einer 30 Kilometer dicken Hülle aus Eis bedeckt. Im Jahr 2005 entdeckten ein
Forschungsteam über seinem Südpol eine riesige Wolke aus Eispartikeln. Drei
Jahre später durchflog die NASA-Raumsonde Cassini diese Wolke. Die
Messinstrumente der Sonde offenbarten Erstaunliches: Die Zusammensetzung der
Partikel deutete mit großer Sicherheit darauf hin, dass unter Enceladus‘
Eisdecke ein Ozean aus flüssigem Wasser vorhanden sein muss.
Khawaja hat die Daten der Cassini-Mission zusammen mit dem Planetologen
Professor Frank Postberg von der Freien Universität (FU) Berlin genauer
analysiert. "In den Jahren 2018 und 2019 sind wir dabei auf verschiedene
organische Moleküle gestoßen, darunter auch solche, die typischerweise Bausteine
biologischer Verbindungen sind." Die Daten wurden mit einem niedrig auflösenden
Messinstrument von Cassini aufgezeichnet. Dennoch könnten sie darauf
hindeuten, dass der Ozean auf dem Saturnmond Enceladus voll von organischen
Molekülen ist. "Und das bedeutet möglicherweise, dass dort chemische Reaktionen
ablaufen, die irgendwann zu Leben führen könnten."
Forschende vermuten auch auf dem Grund des Enceladus-Meeres
Hydrothermalfelder. Unklar war bislang, ob die entdeckten organischen Moleküle
in diesen Feldern entstanden sind. Khawaja hat nun zusammen mit Lucia Hortal und
Thomas Sullivan nach einer Möglichkeit gesucht, diese Frage zu beantworten.
"Dazu haben wir an der FU Berlin im Labor die Parameter eines möglichen
Hydrothermalfelds auf Enceladus simuliert", sagt Khawaja, der gerade von der FU
Berlin an die Universität Stuttgart gewechselt ist. "Dann haben wir untersucht,
welche Auswirkungen diese Bedingungen auf eine einfache Kette von Aminosäuren
haben."
Aminosäuren sind die Grundbausteine von Proteinen und die Basis sämtlichen
Lebens, wie wir es kennen. In der Testapparatur herrschten Temperaturen von 80
bis 150 Grad Celsius und ein Druck von 80 bis 100 bar - etwa hundertmal höher
als auf der Erdoberfläche. Unter diesen extremen Verhältnissen veränderten sich
die Aminosäureketten mit der Zeit auf charakteristische Weise. Doch lassen sich
diese Änderungen mit den Messinstrumenten auf Raumsonden überhaupt nachweisen?
Anders gefragt: Hinterlassen sie eine unverwechselbare Signatur, die man in den
Daten von Cassini (oder auch künftiger Raummissionen) finden können
müsste?
Das Messinstrument an Bord der Cassini-Raumsonde, der sogenannte Cosmic
Dust Analyzer, analysiert Staub- und Enceladus-Eispartikel im All, die mit
Geschwindigkeiten von bis zu 20 Kilometern pro Sekunde unterwegs sind. Der
High-Speed-Crash führt dazu, dass das Material verdampft und die Moleküle in ihm
zertrümmert werden. Die Bruchstücke verlieren dabei Elektronen und sind dann
positiv geladen. Sie lassen sich mit einer negativ geladenen Elektrode anziehen
und treffen dort dann umso früher ein, je leichter sie sind. Wenn man die
Laufzeit aller Bruchstücke misst, erhält man ein sogenanntes Massenspektrum.
Daraus kann man dann Rückschlüsse auf das Ursprungsmolekül ziehen. Im Labor
lässt sich diese Messmethode nur mit großem Aufwand anwenden.
"Wir haben stattdessen erstmals für Eispartikel, die hydrothermal verändertes
Material enthielten, eine alternative Messmethode namens LILBID genutzt",
erklärt Khawaja. "Sie liefert ganz ähnliche Massenspektren wie das
Cassini-Instrument. Damit haben wir unsere Aminosäurekette vor und nach dem
Versuch vermessen. Dabei sind wir auf charakteristische Signale gestoßen, die
durch die Reaktionen in unserem simulierten Hydrothermalfeld hervorgerufen
wurden."
Die Forschenden werden dieses Experiment nun mit weiteren organischen
Molekülen unter erweiterten geophysikalischen Bedingungen im Enceladus-Ozean
wiederholen. Ihre Ergebnisse ermöglichen es, die Cassini-Daten (oder auch die
Daten künftiger Missionen) auf solche Signaturen zu durchforsten. Falls man sie
findet, wäre das ein weiterer Hinweis auf die Existenz eines Hydrothermalfeldes
auf Enceladus. Damit stiege auch die Wahrscheinlichkeit, dass auf Enceladus
Leben entstehen und überdauern kann.
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Philosophical
Transactions of the Royal Society A veröffentlicht.
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